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Austeritätspolitik (Politik)

markus, Dienstag, 03.09.2024, 13:17 (vor 461 Tagen) @ jniklast

Als ob das so simpel wäre. Natürlich besteht da ein gewisser Zusammenhang, so einfach ist es aber nicht.


Und warum führst das jetzt nicht weiter aus? Es ist doch recht einfach: Der Preis bildet sich aus Angebot und Nachfrage. Dein Argument war, dass das Angebot knapp war. Wenn wir in dieser Situation nun die Nachfrage erhöhen, würde das zwangsläufig zu höheren Preisen führen, jedoch nicht zu höherem Angebot. Denn das war ja durch externe Umstände knapp.


Natürlich führt eine höhere Nachfrage zu höheren Preisen. Aber wenn vor allem Energie teuer ist, dann führt ein staatliches Investitionsprogramm in Infrastruktur, Digitalisierung und erneuerbare Energien nicht direkt und proportional zu einer entsprechend höheren Inflation. So simpel ist der Markt nicht.
Insbesondere gilt gerade bei den grundlegenden Gütern Energie und Lebensmittel, dass sie nicht dem klassischen Mechanismus von Angebot- und Nachfrage folgen. Und das waren die Kerntreiber der Inflation.
Und die Zeit seit der Finanzkrise 2008 hat eben auch gezeigt, dass der Zusammenhang von Zinsen und Inflation nicht ganz so einfach ist. Trotz der hohen Inflation der letzten Jahre, liegt die Durchschnittsinflation der letzten 15 Jahre deutlich niedriger, als die im Schnitt niedrigen Zinsen es eigentlich vorgeben sollten.


Es ist nicht nur Energie teurer geworden. Es gab unterbrochene Lieferketten und fehlte an allen möglichen Stellen das Angebot.


Natürlich, aber Kerntreiber waren vor allem Energie und Lebensmittel. Und es geht darum, dass Investitionen nicht 1:1 in gleicher Menge an Inflation enden. Wenn zum Beispiel Energie teuer ist, dann können Investitionen in erneuerbare Energien den Preis sogar senken. Oder wenn die Baubranche auf einmal einbrechende Aufträge hat durch höhere Zinsen, dann führen staatliche Investitionen in Infrastruktur und Wohnungsbau auch nicht unbedingt direkt zu höherer Inflation.

Auch das führt zu einer höheren Inflation, da mehr Menschen auf dem Arbeitsmarkt beschäftigt werden und dadurch höherer Konsum entsteht. Es ist leider so, dass höhere Zinsen ganz gezielt die Nachfrage drücken sollen und damit verbunden üblicherweise auch eine Rezession entsteht und mehr Menschen arbeitslos werden. Das ist einfach der Preis dafür, den man zahlt, wenn man die Inflation drücken möchte und mit höheren Zinsen in den Markt eingreift.

Deshalb hat die Börse in den letzten Jahren auch vor allem auf die US-Zahlen der Arbeitslosenanträge geschaut. Mehr Arbeitslose = weniger Geld, das ausgegeben wird = rückläufige Inflation = steigende Kurse.

Und am Ende ist halt die Frage, was ist besser? Im Vergleich zu den USA etwas: rund 0,5 Prozentpunkte mehr Inflation und dafür aber ca. 2 Prozentpunkte mehr Wachstum oder eben wie in Deutschland etwas weniger Inflation und dafür gar kein Wachstum? Natürlich ist das auch nicht ganz so simpel, aber es lohnt sich halt auch nicht die Inflation auf Teufel komm raus zu bekämpfen und dafür jede Menge Wirtschaftswachstum zu opfern.


Die Sicht auf Deutschland ist ja schon falsch. Wir sind Teil der EU und die Geldpolitik richtet sich nach der EU. Im Zweifel bluten wir dann halt für andere mit. Wir liegen zwar mittlerweile bei 1,9%, jedoch liegt der EU Wert weiterhin über 2%.

Inflationsraten von 6,9 und 5,9% mögen für uns beide als Gutverdiener verkraftbar sein. Aber für Geringverdiener ist das ein echtes Problem. Und für alle, die vielleicht nicht so schlau waren und Geld in einen Riestervertrag stecken oder es einfach auf dem Girokonto liegen lassen, ist das halt auch enorm problematisch, wenn hinterher die Rechnung nicht mehr aufgibt. Insofern ist es schon genau richtig, was die Zentralbanken machen. Wir benötigen eine gewisse Preisstabilität, ansonsten frisst uns die Inflation den Wohlstand auf.


Natürlich sind derart hohe Inflationsraten ein Problem, ich glaube niemand behauptet was anderes. Aber gerade jetzt, wo die Inflation wieder deutlich unter 3% liegt, ist eben die Frage ob es nicht wichtiger wäre die Wirtschaft mit Investitionen zu fördern, als die Inflation auf Gedeih und Verderb auf 2% zu drücken.


Wenn man der Ansicht ist, dass 2% der für die Wirtschaft optimale Wert ist, kann man nicht einfach schon bei 3% aufhören und sich dann dauerhaft in diesem Rahmen bewegen oder sogar wieder eine Zunahme riskieren.

Zwischen 2% und 3% liegen durch den Zinsenszins Welten. Das ist am Ende ein ganz massiver Unterschied, was unsere private Altersvorsorge betrifft. Reallohnsteigerungen sind bei höherer Inflation ebenfalls schwieriger zu erreichen. Wohlstand funktioniert nur bei einer gewissen Preisstabilität.


Ja und genau da gehen dann unsere Meinungen auseinander. Die einen wollen wirklich alles dem Inflationsziel unterordnen, während die anderen der Meinung sind, dass man in einem gewissen Rahmen eine etwas höhere Inflation (da geht es natürlich um ~3% und nicht 5-6%) auch über längere Zeit akzeptiert, wenn es der Wirtschaft nutzt. Aktuell befinden wir uns schließlich nicht im klassischen Inflationsszenario mit heißlaufender Wirtschaft, sondern haben eben auch eine nahezu stagnierende Wirtschaftsleistung. Und letztendlich sind die 2% Inflationsziel ja auch kein Naturgesetz, sondern einfach "künstlich" gewählt. Eine Inflation von 2,5% kann genauso gut sein, wenn sich Wirtschaft und vor allem Löhne entsprechend steigern.

Mich erinnert das ein wenig an Corona. Die einen wollten früher, die anderen erst später lockern. Und wie bei Corona hätte man auch bei den Zinsen entschiedener und schneller handeln können und hätte damit die Inflation schneller drücken können.

Man muss sowas auch zu Ende denken. Um Wohlstand zu erhöhen benötigen wir eine positive Reallohnentwicklung. Die ist aber schwieriger zu erreichen, je höher die Inflation ist. Es hilft auf Dauer nichts, einfach nur der Inflation hinterherzuhecheln. In vielen Bereichen ist bei Lohnerhöhungen nicht mehr viel Spielraum drin, wenn das jeweilige Unternehmen bereits an anderen Stellen einen höheren Kostenauftrieb erleiden muss. Ich kennen Bereiche, die üblicherweise um die 2% Personalkostenauftrieb hinkriegen. Das ist aber nur dann ein höherer Reallohn, wenn die Inflation niedriger liegt. Wenn sie bei 2,5% liegt, geht man mit Verlust nach Hause und hat dann einige Jahre später spürbar einen Wohlstandsverlust hinnehmen müssen. Dummerweise sind die Unternehmen nicht bereit, aus reiner Nächstenliebe die Löhne stärker anzuheben. Im Gegenteil. Mit Verweis auf die anderen Kosten werden dann selbst die 2% schnell mal infrage gestellt.

Es geht vor allem aber auch um das Vermögen. Da machen 0,5% mehr pro Jahr auf ein ganzes Berufsleben viel Geldvernichtung aus, wenn das Geld nicht in Aktien oder Immobilien liegt. Wer Mieter ist und nicht allzu viel sparen kann, wird in der Regel einen schlecht verzinsten Riestervertrag haben, wenn überhaupt. Und diese Menschen sind schlicht darauf angewiesen, dass ihnen davon so wenig wie möglich durch die Inflation weggenommen wird.


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