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Thüringen (Politik)

Didi, Schweiz, Montag, 02.09.2024, 13:22 (vor 463 Tagen) @ Pfostentreffer

Bin etwas unter Zeitdruck, aber gerne ein paar Aspekte. Und sicher verkürzt!

1) Bürgerbeteiligung

Bei uns können jederzeit 100'000 wahlberechtigte Leute eine Volksinitiative verlangen. Wird diese angenommen, kommt es zu einer Anpassung der Verfassung. Da wird manchmal auch über Mist abgestimmt (Minarette), aber es führt halt dazu, dass die "normalen" Leute einen gewissen Hebel haben. Und der erstreckt sich halt über alle politischen Themen: Klima, Altervorsorge, Gesundheitskosten...

Gleichzeitig kann mit 50'000 Stimmen über jedes Gesetz nochmal abgestimmt werden. Das CO2-Gesetz war vielen zu links, es werden also Unterschriften gesammelt - das Gesetz recht klar wird abgeschossen.

Und ausserdem muss jede Verfassungsänderungs vor das Volk.

2) Alle relevanten Parteien sind integriert

Egal ob aus kommunlaer, kantonaler (=Bundesland) oder nationaler Ebene: Es gibt keine Regierung <=> Oppositions-Konstellation, sondern die grossen 4-5 Parteien werden in die Regierung eingebunden. Da stellt die SVP halt mal den Umwelt- und Verkehrsminister, die Linke den Innenminister und die FDP den Finanzminister. Und wenn einer zurücktritt, kann es hier Verschiebungen geben. Die Regierungen treffen die Entscheidungen zusammen und vertreten sie nach Aussen.

Das gleiche auf Ebene der Gesetzgebung: Da kommt ein Gesetzesentwurf ins Parlament und der wird dann halt gemeinsam austariert. Die Parteien in der Mitte schaffen oft Mehrheiten. Manchmal unterliegen die Linken, manchmal die Rechten, aber die in der Mitte schaffen oft Mehrheiten. Beim nächsten Gesetz (zuerst Cannabis, dann Rentenversicherung) werden die Karten wieder neu gemischt.

Aber es sitzt keiner im Raum - auch die Parteien wie die Grünen, die keinen Minister stellen - die sich konsequent nur dagegen einsetzen und "dem Bürger" erklären, es sei ja alles doof. Ich denke, das hilft dem Klima im Land auch.

Und es sorgt halt für eine grosse Stabilität: Natürlich gewinnen nach Fukushima und dank Greta mal die Grünen, aber nach dem Krieg in Russland kippt das dann wieder zurück. Aber das Schiff bleibt auf Kurs. Auch wenn natürlich ein SVP-Minister nun die AKW-Debatte neu lanciert, am Ende wird es halt dann die Mehrheit im Parlament brauchen und die wird dann mitgetragen oder eben vom Volk mitentschieden.

3) Breite des Diskurses

Ich muss es mal in der Deutlichkeit sagen, aber der Kooridor dessen, was gesagt werden kann, ohne dass man gleich mit der Heugabel gejagt wird, ist ein anderer. Da ist man nicht gleich ein Unmensch, nur weil man es wagt, mal darüber zu sprechen, wie viel Migration denn wirklich erwünscht ist. Und ob ein Bevölkerungswachstum von jährlich fast 10% wirklich erwünscht und verkraftbar ist.

Und das ist halt medial auch relativ austariert. Der "Blick" ist eher mitte-links mit Ausreissern, der Tagesanzeiger auch. Die NZZ am Sonntag steht in der Mitte, die "normale" NZZ ist hässlich geworden. Die "Weltwoche" ist ein SVP-Blatt... aber jede politische Ecke hat ihr Blatt.

4) Wohlstand

Und am Ende hilft sicher einfach auch der Wohlstand. Natürlich reibt man sich auch hier und es gibt intensive Diskussionen über Energie, Migration oder auch Inflation. Aber halt schon auf einer weniger grundlegenden Niveau als in vielen Ländern. Und das hilft halt sicher auch, die Sache mitzutragen.

Insgesamt aber fände ich für Deutschland das eine oder andere direktdemokratische Modell schon sehr erwägenswert.

PS. Und ja, natürlich nerven die Rechtspopulisten, aber ich persönlich kann damit Leben, wenn es dazu dient, dass in diesem Land alle Meinungen ihren Platz haben und die Schweiz "insgesamt" einen Kurs fährt, der irgendwo zwischen SPD und CDU liegt.


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