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Und wenn es Syriza gar nicht ums Geld geht? (SZ) (Sonstiges)

Ulrich, Mittwoch, 08.07.2015, 14:31 (vor 3217 Tagen) @ qiub

Gabriel ist mir persönlich ein großes Rätsel. Er hat lichte Momente und bei vielen seiner Ausführungen komme ich mit. Er entwickelt auch immer mal wieder Lösungsansätze, die ich für sinnvoll halte (z.B. seine Ideen zu einem internationalen Handelsgerichtshof beim Thema TTIP oder sein Einwurf, dass wir als Konsequenz aus NSA-Affäre wohl unsere eigenen Geheimdienste besser ausstatten müssten). Andersherum kommt er am nächsten Tag aber wieder mit irgendeinem polemischen Mist um die Ecke oder macht eine 180° Wende (z.B. Vorratsdatenspeicherung).

Gabriel ist zweifellos ein sehr intelligenter Mann. Aber er hat gleich mehrere Probleme. Sein erstes ist dass sein Mundwerk noch schneller ist als sein Gehirn. Merkel hat sich in den letzten Wochen nur dann öffentlich geäußert wenn es unbedingt notwendig war. Ansonsten hat sie sich in den Medien weitgehend zurückgehalten. Gabriel hingegen hat impulsiv ein Dutzend unüberlegte Äußerungen heraus gehauen. Gabriels zweites Problem ist dass ihm der innere Kompass fehlt. Er irrlichtert gerne, und das nicht nur in der Griechenland-Frage. Bei CETA/TTIP beispielsweise hat er mittlerweile wohl fast alle möglichen Positionen von bedingungsloser Zustimmung bis zu ausgesprochener Skepsis besetzt.

Irgendwo habe ich in der Vergangenheit einmal eine Beschreibung gelesen die Siegmar Gabriel mit einem Kugelblitz verglich. Immer extrem energiegeladen, immer in Bewegung, aber nie kalkulierbar da jederzeit mit völlig überraschenden Richtungsänderungen gerechnet werden muss.

Zudem ist wohl sein Umgang mit Mitarbeitern, Abgeordneten, etc. teilweise problematisch.

Ich würde es nicht ganz so radikal sehen. Vor allem wenn man sich andere Politikfelder abseits der Wirtschaftspolitik anschaut. Ein aktuelles Beispiel wäre da die Familienpolitik (z.B. Stichwort Gleichgeschlechtliche Ehen) oder Flüchtlinge. Ich würde durchaus auch behaupten, dass eine (rot-)rot-grüne Regierung eine unterscheidbare Politik von der aktuellen Regierung machen würde, genauso wie eine CDU ohne SPD eine andere Politik machen würde.

Rot-Rot-Grün würde meiner Meinung nach an der Zerrissenheit der Linkspartei scheitern. Es ist beispielsweise noch nicht so lange her dass Besucher einiger Abgeordneter dieser Fraktion Gregor Gysi durch den Bundestag bis auf eine Toilette "jagen" konnten ohne dass ihre Gastgeberinnen eingriffen.

Gysi hat sich in der Vergangenheit auch stets geweigert sein Amt als Fraktionsvorsitzender mit Sarah Wagenknecht zu teilen und für den Fall dass sich dafür in der Fraktion eine Mehrheit finden würde mit Rücktritt gedroht. Jetzt aber soll Wagenknecht ihm gemeinsam mit Dietmar Bartsch der vor wenigen Jahren noch auf Betreiben von Wagenknechts Ehemann Lafontaine als Bundesgeschäftsführer der Linken "rasiert" worden war nachfolgen. Ich habe starke Zweifel daran dass dies gut gehen wird.

Ich würde übrigens dazu raten den Einfluss der Linken auf Syriza nicht zu unterschätzen. Da gibt es ganz kurze Drähte. Insbesondere der fundamentalistische Flügel der Linken hat meiner Meinung nach zudem Syriza in der Auffassung bestärkt man müsse den Verhandlungspartnern aus Deutschland nur die Pistole auf die Brust setzen, dann würden diese schon umkippen.

Die Gesetzentwürfe aus SPD-Ministerien (Tarifeinheitsgesetz, Vorratsdatenspeicherung, die Haltung zu TTIP oder selbst die "Vereinfachungen" des Mindestlohns) könnten dagegen aus CDU-Hand stammen.


Das dürfte bis zu einem gewissen Grad aber auch ein Problem der großen Koalition sein. Die Gesetze müssen halt eben auch die Zustimmung der CDU finden.

Das kann man was die Vorratsdatenspeicherung angeht so nicht sagen. Zwar wurde diese in der Tat im Koalitionsvertrag zwischen CDU/CSU und SPD festgeschrieben, aber dieser Vereinbarung wurde durch das Urteil des EU-Gerichtshofs in dieser Frage wenige Monate später der Boden entzogen.

Trotzdem wurde das Vorhaben von der Parteiführung brachial durchgepeitscht. In der Fraktion beispielsweise erfolgte nach einer Vorabstimmung nicht einmal eine Auszählung der Nein-Stimmen und der Enthaltungen. Es wurde allen Ernstes mit dem Argument man habe sich schließlich im Koalitionsvertrag verpflichtet und wenn Deutschland die Regelung nicht einführe drohe eine Klage der EU-Kommission vor dem EU-Gerichtshof und eine Verurteilung Deutschlands. Dass der EU-Gerichtshof mittlerweile völlig anders entschieden habe wurde einfach ignoriert.

In der SPD gibt es in dieser Frage noch immer viel Unmut. Und wenn man bedenkt dass beim Parteikonvent vor vier Wochen nicht nur von der Basis gewählte Delegierte sondern auch der Vorstand abstimmen durfte dann viel das Ergebnis deutlich knapper aus als es die Zahlen suggerieren. Nimmt man die 38 Ja- und zwei Nein-Stimmen des Vorstandes heraus dann ging es 86 zu 86 aus. Sprich trotz des wirklich ganz extremen Drucks hatte man bei den von der Basis bestimmten Delegierten keine Mehrheit.


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