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Und wenn es Syriza gar nicht ums Geld geht? (SZ) (Sonstiges)

prosakind, wäre-gerne-in-Graz, Mittwoch, 08.07.2015, 08:58 (vor 3216 Tagen) @ Kulibi77

Gut, dann auch einige wenig geordnete Gedanken von mir. Der Text, dem ich in weiten Teilen zustimmen kann, ist ja in seinen Schlussfolgerungen auch noch recht offen.

1.) Folgt man dem Text, handelt die Syriza-Regierung also weitaus rationaler, als ihr beispielsweise vom deutschen Kommentariat oder den politischen Hinterbänklern der Union unterstellt wird. Nimmt man den beschriebenen politischen Anspruch ernst, ist man also weit weg von Zuschreibungen wie Spieler, unerfahrenen Neulinge, Dilettanten, etc. etc. Dem würde ich uneingeschränkt zustimmen.

2.) Der Kernaussage, dass es bei der Auseinandersetzung eben nicht um wahlweise 60 oder 400 oder 800 Millionen bzw. um zwei Tage, vier Wochen oder drei Monate Verlängerung geht, sondern um einen im Kern politischen Konflikt, stimme ich ebenfalls uneingeschränkt zu. Dies habe ich ja schon ganz am Anfang dieses Threads vor einer Woche so artikuliert.

3.) Natürlich stimme ich dann auch zu, dass Syriza ein politisches Ziel anstrebt, nämlich die "angebliche Macht des Faktischen" (also das "There is no Alternative"-Modell) zu hinterfragen, sich als politischen Akteure wieder selbst zu ermächtigen und eine andere Politik zu etablieren. Das von Syriza verfolgte Ziel steht sicherlich konträr zum vorherrschenden (wirtschafts-)politischen Ordnungsmodell.

4.) Das momentan konkret verfolgt politische Maximalziel kann m.E. so beschrieben werden: Es soll mit finanzieller Unterstützung von außen ein neuer, wirtschaftspolitischer sinnvollerer, Weg eingeschlagen werden (sprich: ein durch Schuldenschnitt und Investionsprogramm ermöglichter und unterstützes Ende der Austeritätspolitik und der Beginn eines nachfragebasierten Wirtschaftsaufschwungs). Das durch die Verweigerungshaltung der EU verursachte, realpolitisch mittlerweile wahrscheinlichere politische, Minimalziel hingegen, wie es sich in dem letzten Angebot der griechischen Seite niederschlug, ist die Akzeptanz der (aufgrund der strukturellen Bedingungen von außen einforderbaren) Sparpolitik, aber(!) unter eigener Festlegung der Schwerpunkte (=Rest-Souveranität).

5.) Das führt dazu, dass - der Eindruck könnte zumindest aus der Parallelbetrachtung Griechenlands und Spanien entstehen - es in Griechenland meiner Meinung nach keinesfalls darum geht, den "Virus der Systemopposition" zu exportieren. Spanien spielt für Syriza momentan keinerlei Rolle (was nicht heißt, das ein potentieller Verbündeter nicht begrüsst würde). Oder ganz konkret: Hier wird das Ding nicht extra an die Wand gefahren, um ein "linkes" Lateineuropa zu schaffen.

6.) Womit wir zum Ausgangspunkt kommen: Ich denke, die Grundtendenz des Artikels ist keine neue. Vielmehr wird die "Herausforderung" Syriza durch die Vertreter der anderen europäischen Länder bereits seit spätestens Ende letzten Jahres genau so verstanden. (Und da spielt eine untergeordnete Rolle, wie wir das Kind nennen, und welche Rolle Laclau für das ganze spielt). Das eigentliche Problem entsteht da, wo - und jetzt erlaub' mir einfach mal das Kampfvokabular - das herrschende System sich der Bedrohung bewußt wird und in der Konfliktbewältigungsstrategie auf "Kriegsmodus" umstellt. Die Angst vor dem Dominoeffekt - dem politischen, nicht dem wirtschaftlichen - führt zu einer Isolierungsstrategie und dem politisch motivierten Zwang, keinerlei Zugeständnisse zu machen. Syriza darf keine Erfolg haben. Keinen. Auch keinen kleinen. Nicht ansatzweise. Und das zieht sich durch die gesamte Verhandlungsstrategie. Der von mir vielfach angesproche Umfang mit der Vorlage des letzten Kompromissvorschlages aus Griechenland ist da das deutlichste Zeichen.

Postscriptum: Zur SPD: Der Kernverrat der deutschen Sozialdemokratie lag in der Zustimmung zu den Kriegskrediten 1914. Mit dieser Zustimmung wurde die SPD Büttel des Systems. Davon - und den damit verbundenen innerparteilichen Auseinandersetzungen - hat sie sich nie erholt. Sie mag einige lichte Momente in der Folgezeit gehabt haben, ehe sie in den letzten zwanzig Jahren dann selber ihren Untergang eingeleitet hat - insbesondere dadurch, dass sie endlich selber Balkankrieg spielen durfte und danach, auf den Geschmack gekommen, im übertragenen Sinne den Krieg auf ihre Kernklientel ausweitete...


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