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[Politik] SPD Mitglieder Entscheid (Sonstiges)

Lattenknaller, Madrid, Sonntag, 01.12.2019, 14:02 (vor 1598 Tagen) @ Ulrich

Das allgemeine politische Klima in Deutschland kann ich schon nicht so recht nachvollziehen.

Ich sehe ja ein, dass es bei der Infrastruktur Probleme (Handynetz, Bahn) gibt, aber das liegt ja auch eher an den schlecht gestalteten Privatisierungen. Während in der Schweiz Bahn und Telekommunikationsanbieter (halb)-staatlich sind und entsprechend auch langfristige Investitionen tätigen, scheut man sich privatisiert halt vor einem Case, der dann 2027 eventuell mal positiv ist.

Aber sonst? Man steht doch auf Platz 1 in der EU mit gefühlt 7 Punkten Vorsprung in der Tabelle und hat doch keine wirklich akuten Probleme wie Arbeitslosigkeit, Strukturwandel, hohe Handelsdefizite oder was auch immer.


Das wir Deutschen auf hohem Niveau jammern ist bekannt und da stimme ich Dir zu.
Das wir aber in der EU auf Nummer 1 sind ist aber auch die typische Deutsche Überheblichkeit.
Die Frage ist da nämlich wo:
- Wirtschaftswachstum: Nein, im hinteren Feld der EU


Das dürfte aber nicht zuletzt auch daran liegen, dass wir trotz Zuwanderung vor allem aus anderen EU-Staaten was die Kapazitäten angeht, am Anschlag sind. Die Arbeitslosigkeit in Deutschland liegt auf dem niedrigsten Stand seit der Wiedervereinigung. Aktuell haben wir eine sehr seltsame Situation. Wir sind/waren den Wirtschaftszahlen nach in der Gefahr, in die Rezession zu rutschen. Trotzdem hört man in vielen Branchen "Wir sind völlig ausgelastet, neue Aufträge können wir erst annehmen, wenn der aktuelle Auftragsstau abgearbeitet ist" und "Wir finden nicht genug Fachkräfte!". Viele Wirtschaftsbereiche sind halt am Anschlag, da gibt es aktuell kaum Spielräume für mehr Wachstum. Andere EU-Staaten, die von einem deutlich niedrigeren Niveau kommen haben hingegen noch Spielräume nach oben.

- Infrastruktur: Nein


Bei der Infrastruktur gibt es in der Tat einen deutlichen Investitionsstau. Aber der ist über Jahrzehnte angewachsen, man kann ihn nicht auf einen Schlag abbauen. Zudem gibt es zwei Probleme. Einmal hat man teilweise in den Genehmigungsbehörden Stellen abgebaut, entsprechend langsam laufen Genehmigungsverfahren. Und zudem sind auch die Bauunternehmen völlig ausgelastet.

Was wir jetzt benötigen ist ein lang angelegtes Investitionsprogramm über zehn oder mehr Jahre. Jetzt kurzfristig Geld hinaus zu hauen, das bringt gar nichts. Zudem muss man schauen, wo man die Schwerpunkte setzt. Angesichts der Klima-Problematik ist es beispielsweise erforderlich, deutlich mehr als in den letzten beiden Jahrzehnten auf den Schienenverkehr zu setzen und die regenerativen Energien zügig weiter auszubauen.

- Digitalisierung: Ganz hinten


Hier hat man wohl in den letzten Jahrzehnten die falschen Prioritäten gesetzt. Beim Festnetz war man bei der Umstellung auf Glasfaser deutlich zu zögerlich. Mittlerweile gibt es Förderprogramme, auch auf dem flachen Land. Die Telekom hält sich hier "vornehm" zurück, aber vielfach sind Stadtwerke-Töchter, etc. in die Bresche gesprungen. Hier muss man weiter machen. Allerdings sind die Verantwortlichen teilweise recht frustriert. Immer wieder heißt es, dass Hauseigentümer nach dem Motto "Glasfaser? Brauchen wir nicht!" reagieren.

Bei den Ausschreibungen für die Mobilfunknetze wollte man vor allem hohe Lizenzeinnahmen erzielen. Deshalb waren die Vorgaben zur Netzabdeckung wohl viel zu unambitioniert.

- Moderne Dienstleistungen: Mit Ausnahme von SAP ganz hinten. In der Finanz- und Dienstleistungsindustrie hinten.


So schlecht stehen wir bei den Dienstleistungen nun auch wieder nicht da. Vieles hängt aber auch an der digitalen Infastruktur. Und was die Finanzindustrie angeht, so hat die Deutsche Bank die ganze Branche in Deutschland massiv herunter gezogen. Aber so ein (ehemaliges) Schwergewicht entzieht sich weitgehend dem Einfluss der Politik. Einem Ackermann ging es vorsichtig am "Allerwertesten" vorbei, was ein Kanzlerin oder ein Kanzler und ein Finanzminister über ihn dachte. Er sah seinen Konzern als "global Player" und wollte das ganz große Rad drehen. Das ging dann gehörig schief.


Ich wohne ja mittlerweile in Spanien - und nicht nur als Rentner - und bin immer wieder überrascht über das hohe Niveau der Lebensführung. Madrid ist jeder deutschen Großstadt um Längen voraus in Sachen Internationalität und moderne Infrastruktur. Mit Telefonica, der Santander und noch so ein paar anderen sitzen Weltmarktführer in neuen Schlüsselindustrien hier. Ich muss jedes Mal grinsen wenn ich mit der S-Bahn vom Münchener Flughafen in die Innenstadt fahre und mehrmals im Funkloch stecke. Die Gesichter der ausländischen Mitfahrenden sind dann immer lustig.


Dafür liegt die Arbeitslosenquote in Spanien aber noch immer bei knapp 14 Prozent - und das bei deutlich niedrigeren Sozialleistungen als in Deutschland. Zum Vergleich, in Deutschland liegen wir aktuell bei knapp 5 Prozent.


Wir ruhen uns zu sehr auf den Lorbeeren aus und verteidigen alte Industrien.
Das geht meist gewaltig nach hinten los.

Mir ging es hier nicht um die generelle Leistungskraft. Und Deine Punkte sind mir auch alle bekannt, gehen aber am Punkt vorbei. Man kann nicht bestreiten, dass wir alleine aufgrund der Größe und Historie eine wirtschaftliche Macht sind und auch sicher bleiben werden. Allerdings sind wir dabei in einigen Punkten den Anschluß zu verlieren. Bzw. haben diesen verloren. Und das liegt daran, dass man in den letzten Jahren eben auch von politischer Seite geschlafen hat. Und das liegt an mangelnder Strategie und politischem Willen. Für ein Thema wie die Digitalisierung muss man dann halt auch die Rahmen legen und es kann nicht sein, dass man das Feld dann Stadtwerken überlässt. Was i.ü. nur ein kleiner Teil darstellt. Das hat dann auch was mit Innovationsfähigkeit der Unternehmen zu tun, und da pennen viele auch gewaltig. Wenn man dann allerdings aufgrund teils absurder sozialrechtlicher Regelungen als Unternehmen sich kein Know-How extern dazu kaufen kann, oder das nur von indischen Firnen, dann leidet halt der Standort. Das ist alles keine Theorie, das erlebe ich täglich bei meinen Kunden. In anderen europäischen Ländern geht das leichter.
Und das erbärmliche Bild der Finanzindustrie hat eben damit zu tun, dass man sich auf Ackermann verlassen hat. Ein peinliches Szenario, wir sind als größtes Land der EU mit unserem Finanzsektor hinter Spanien, Frankreich, Italien und wohl auch den Niederlanden.
Das gleiche Szenario zeigt sich gerade in der Automobilindustrie, wobei die so groß sind, dass sie das Thema alleine stemmen können. Schauen wir mal. Aber eine entschlossene, gestaltende Politik könnte hier auch einen innovativen Rahmen setzen.
All das hat aber eben auch mit einer Grundeinstellung in Deutschland zu tun, die oft eben nicht innovationsfreundlich ist. Und wenn man eben glaubt - und so denken leider viele - dass man der Zampano ist, die schwarze Null total geil und in den anderen Ländern Europas die Leute ihre Milch direkt von der Kuh holen, ja dann drückt sich das eben auch in der Politik aus.
Damit sage ich nicht, dass es überall besser und anders ist.
Aber eben genau weil man weiß, das man nachholen muss, werden Innovationen zügiger angepackt.


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