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María Corina Machado bekommt Friedensnobelpreis (Politik)

uwelito, Wambel forever, Freitag, 10.10.2025, 16:08 (vor 65 Tagen) @ Habakuk
bearbeitet von uwelito, Freitag, 10.10.2025, 16:15

Ja, dankeschön. Es ist ja aus europäischer Sicht nicht einfach ein politisches Spektrum in anderen Teilen der Welt zu überblicken. Ich verstehe ja nicht mal, wie die Franzosen politisch so ticken. Andererseits erkenne ich in allem, was ich über Frau Machado so lese, durchaus ihr Bestreben, Menschenrechte und Demokratie in Venezuela zu erkämpfen und das mit hohem persönlichen Risiko. Das kann ich mit meinem europäischen Bild von "stramm Rechten" nicht ganz in Einklang bringen. Deswegen finde ich eine solche Kategorisierung - zumindest für mich - nur bedingt nützlich.


Du hast Recht, man müsste das besser differenzieren und normalerweise bilde ich mir immer ein, das zu tun. Sie ist für viele Venezolaner eine absolute Hoffnungsträgerin, z.B. auch für meine Frau. Kriegen uns ab und zu mal wegen ihr in die Haare ;-) Ein großes Problem der venezolanischen Opposition ist, dass man sich nur selten aus Überzeugung auf einen Leader oder Leaderin einigen kann. Und wenn das mal geschehen ist, dann kommen eigentlich immer ganz schnell Riesenkorruptionsskandale ans Licht. Wie z.B. zuletzt bei Juan Guaido, der ja z.B. auch von der Bundesregierung offiziell als Präsident Venezuelas anerkannt worden war. Ein ziemliches Eigentor, weil der wissenschaftliche Dienst des Bundestags sehr schnell darauf hingewiesen hat, dass laut internationalem Recht Staaten anerkannt werden, aber keine Personen. Am Ende wusste man nicht so recht, wie man da wieder rauskommt. Heiko Maaß Superstar. Es ist interessant mal „Otto Gebauer“ zu googeln. Den hatte Guaido als Botschafter in Deutschland ernannt….Aber ich schweife ab.

Hinter Machado haben sich große Teile des venezolanischen Volkes gestellt, sie wäre ohne Frage gewählt worden, hätte Maduro ihre Kandidatur nicht verhindert. Wie gesagt, ich sehe die Frau um einiges differenzierter und falle nicht auf ihren Schafspelz herein. Allerdings muss man ihren Mut bewundern und den hat sie schon vor 20 Jahren gezeigt. Zudem ist sie bisher in keinen oder zumindest keinen großen Korruptions -Skandalen aufgetaucht, was daran legt, dass sie eine eher unkonventionelle Politikerin ohne große Vernetzung in den etablierten beziehungsweise zuletzt stark geworden Parteien ist. Ihre Organisationsstruktur funktioniert vollkommen anders. Zudem hat sie im letzten Wahlkampf immer an die Menschen appelliert, ihren Kampf gewaltlos zu führen und das ist, was ich ihr wirklich außerordentlich hoch anrechne.


Wirklich sehr interessant. Ich bin mal gespannt, wie Frau Machado in den nächsten Wochen in den Medien beurteilt wird und was von ihr bei der Verleihung des Preises im Dezember zu hören sein wird. Ich frage mich dann auch immer, welche Position würde ich eigentlich einnehmen, wenn ich Venezoelaner wäre, und was würde ich denken, wenn ich als Deutscher in Venezuela leben würde. Welche Person oder politische Gruppierung würdest du dir denn zum Beispiel dort wünschen? Und (ohne da jetzt ein Vorurteil implementieren zu wollen): Wer wäre dort nicht korrupt?

Die letzte ist die am einfachsten zu beantwortende Frage: kaum jemand. Ich habe in den 9 Jahren dort in vielerlei Hinsicht eine wunderbare Zeit gehabt, direkt an der Karibikküste, oft unterwegs in einem unverschämt schönen Land. Aber die unvorstellbar verbreitete Korruption hat mir richtig zugesetzt. Ich habe versucht, meine Institutionen zu korruptionsfreien Einrichtungen zu machen, hatte
auch die Hoffnung, dass dieses an Rohstoffen so reiche Land mit Chavez an der Spitze die Kurve bekommen und zu einem Vorbild für den gesamten Subkontinent werden könnte. Was für ein Trugschluss. Ich habe es mit guten Löhnen und Vertrauen in junge, besser ausgebildete Leute probiert. Alles vergeblich. Da viele der Jüngeren aus ärmeren sozialen Schichten kamen, die früher kaum in Positionen gelangten, wo Finanzmittel zu verwalten waren, war die Gier sogar häufig noch gewaltiger. Da verschwanden gleich ganze Budgets und nicht nur die traditionellen 20 oder 30% an Kick Backs (comisión). In Venezuela spricht man übrigens im Volksmund in der Regel nicht von corrupción sondern von vicio, also einem Laster.

Lange Rede kurzer Sinn, ich kann dir keine starke politische Kraft nennen, die den Karren allein aus dem Dreck ziehen könnte. Das wird nur über einen Prozess der reconciliación möglich sein, wobei es notgedrungen auch dazu kommen müsste, dass Übeltäter ungeschoren davon kommen. Man darf bei der ganzen Geschichte der letzten 25 Jahre natürlich nicht vergessen, dass eine linke Regierung ja nur deshalb so stark werden konnte, weil große Teile der Bevölkerung dieses unfassbar reichen Landes in extremer Armut leben mussten, oft ohne Zugang zu medizinischer Versorgung oder vernünftiger Bildung. Somit ist es keinesfalls eine Lösung zu den Zuständen zurückzukehren, die vor Chavez in dem Land existierten. Mich macht das alles schon ziemlich traurig. Mein jüngster Sohn ist dort geboren und mit seiner Mama hier an meiner Seite. Aber die waren seit 8 Jahren nicht mehr dort. In der Zeit ist die Großmutter an Covid gestorben. Und das ist nur eins von Millionen von Dramen, die sich dort in den letzen Jahren abgespielt haben.Vielleicht ergibt sich aus dem Nobel-Preis für Machado ja irgendetwas Positives.


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