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Neu auf schwatzgelb.de: BVB-Fans im Diskurs: Der Fußball und sein Sexismus-Problem (BVB)

NeusserJens, Dort wo die Erft den Rhein begrüßt, Mittwoch, 16.11.2016, 10:32 (vor 3322 Tagen) @ AssAsSin

Erstens: Hurensohn ist in diesem Kontext nur eine x-beliebige Beleidigung wie Arschloch, Bastard, Drecksau, Affe oder was auch immer. Ich bin mir sehr sicher, dass Minimum 99% der Leute, die auf der Tribüne einen gegnerischen Spieler Hurensohn nennen, ihn einfach nur irgendwie beleidigen wollen und der Begriff völlig austauschbar ist.

Das ist wohl richtig, macht aber eigentlich noch unverständlicher, wieso man dann eben keine andere Beleidigung verwendet, als eben jene, die mutmaßlich sexistisch ist.

Zweitens: Hurensohn ist eine Beleidigung für einen Mann (das ergibt sich ja aus dem "-sohn"). Ein paar Absätze weiter werden Spruchbänder beklagt, die auf weibliche Eigenschaften abzielen. Ich schätze, Beleidigungen wie Bitch oder Pussy, die typischerweise Frauen adressieren, sind für diese Leute erst erst recht nicht in Ordnung.

Das siehst du nicht richtig. Zuerst: "Hurensohn" ist zwar an einen Mann gerichtet, beleidigt aber in erster Linie seine Mutter statt ihn selbst. "Sohn" ist schließlich ausnahmslos jeder von uns, "Hure" aber eben nicht. Daraufhin stellt sich die Frage: Was ist so schlimm daran, eine Prostituierte zu sein? Es mag kein Beruf wie jeder Andere sein, schon klar, aber einerseits verkaufen Bauarbeiter ihre körperliche Arbeit quasi genauso und andererseits würde ein Mann, der sich prostituiert, vermutlich deutlich weniger abfällig bewertet und eben nicht "Hure" genannt, sondern möglicherweise sogar bewundert oder gar beneidet. Die Beleidigung in "Hurensohn" zielt einzig und allein auf die Mutter und deren angebliche Jobauswahl ab, nicht auf den Adressaten. Vor dem Hintergrund finde ich die (offene!) Frage, ob das nicht vielleicht ein wenig sexistisch ist, durchaus legitim.

Zweitens: Diese Spruchbänder werden angeprangert, weil es keine Beleidigung sein kann und sollte, weiblich zu sein oder weibliche Eigenschaften zu haben. "Sei kein Mädchen!" ist schlicht und ergreifend sexistisch, denn es unterstellt, dass es minderwertig ist, weiblich zu sein.

Und das hat nicht nur Folgen auf der Seite der Frauen: Bis zum 13. Lebensjahr weinen Jungs und Mädchen in der Regel ähnlich häufig. Danach nimmt diese Zahl bei Jungs und Männern rapide ab. Es gilt eben als schwach, als unangemessen, als weiblich, wenn ein Kerl Tränen vergießt. Interessant daran ist: Männer begehen in westlichen Regionen dieser Welt drei mal so häufig Suizid wie Frauen, weil ihnen ganz spezielle Geschlechterrollen auferlegt werden, weil an sie ganz andere Erwartungen herrschen. Ein Mann darf keine Gefühle zeigen, ein Mann darf nicht schwach sein, ein Mann muss immer Arbeit haben, ein Mann muss seine Familie versorgen, ein Mann muss... der Druck ist deutlich höher, und das kommt nicht zuletzt daher, dass jugendlichen Männern eingebläut wird, es sei weiblich - minderwertig - Schwäche zu zeigen, über Gefühle zu reden und co..

Der Schluss wäre demnach: Beleidigungen, die Männer adressieren, sind nicht ok. Beleidigungen, die Frauen adressieren, sind auch nicht ok.

Erneut: Das ist nicht der Punkt. Es geht darum, dass Männer mit Fraueneigenschaften herabgewürdigt werden, obwohl es nicht minderwertig ist, eine Frau zu sein.

Aber das Absurdeste an der ganzen Sache: A beledigt B und nicht B jammert sondern C. Drehen wir es doch mal rum: Würdest du dich beleidigt fühlen, wenn bei irgendeiner Veranstaltung eine Gruppe (zum Großteil Frauen, aber auch Männer darunter) eine der Akteurinnen als Schlappschwanz (Beleidigung für Männer) oder als Fotze (Beleidigung für Frauen) bezeichnet?

Ich fühle mich generell selten von Fremden beleidigt. Es geht doch aber gar nicht so sehr darum, hier jetzt Verhaltensregeln aufzustellen oder Leuten den Mund zu verbieten. Es geht darum, dass beim BVB jeder willkommen sein und sich wohlfühlen soll, egal ob Mann, Frau, homo, hetero, schwarz, weiß oder gelb. Und dazu trägt vermutlich schon bei, wenn wir alle ein bisschen bewusster mit unserer Sprache umgehen und vielleicht auch mal nachdenken, bevor wir den Mund aufmachen.

Natürlich ist nachvollziehbar, dass das in einer hochemotionalen Situation wie während eines Fußballspiels im Stadion nicht immer so einfach ist. Und ich würde lügen, wenn ich sagte, dass ich nicht auch "Hurensohn" als Beleidigung verwende. Aber dass ich mir jetzt mal ein paar Minuten längere Gedanken darüber gemacht habe und künftig vielleicht eher geschlechtsneutrale Schmähungen verwende, war den Text schon wert, finde ich. Und ich fände deutlich cooler, wenn hier vom "weißen Mann" nicht so eine beschissene Abwehrhaltung samt sarkastischem Beißreflex herrschen würde, sondern sich ein paar Leute mehr Gedanken über die Verwendung ihrer Worte machen. Du hast ja anfangs aufgezählt, dass es genug andere Möglichkeiten gibt, jemanden zu beleidigen.


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