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Folgen der Wirtschaftskrise 2008 (Corona)

Schleicheisen, Anner Rur ohne "h", Donnerstag, 30.04.2020, 15:51 (vor 2065 Tagen) @ Chill-Instructor

Mal eine Frage an die älteren Semester [...]

Wie habt ihr die Nachwirkungen der Krise damals konkret wirtschaftlich zu spüren bekommen? Und was wäre ein Beispiel, welches zwischen den oben genannten läge?

Das kann ich Dir sagen: das war mal echt scheisse.

Hab einen kleinen Betrieb mit 16 Mitarbeitern, wir machen Sondermaschinen für die chemische Industrie. Heisst Investitionsgüter für die scheusten aller Kunden= die ersten die gehen und die letzten, die wieder kommen...

Wir hatten ein mordsmässiges Jahr 2008 und reichlich Projekte für 2009 als dann diese Freddie Macs und Fanny Maes grad mal Probleme hatten und ich noch dacht "was geht mich das an wenn Amis ihre Ramschhypotheken nicht mehr losschlagen können?"

Das wurde mir dann recht schnell beigebracht: wir hatten den ganzen Herbst 2008 vorgearbeitet um im Januar 2009 ein recht grosses Projekt mit der ganzen Mannschaft bauen zu können. Am Tag der Weihnachtsfeier 2008 hat mich dann der Kunde angerufen, er müsse das Projekt "anhalten".

Problem: das sollte ne grosse Polyethylenanlage in Indien werden, finanziert von einer indischen Bank. die sich wiederum in USA refinanzierte. Die bekamen dann kein Geld mehr, hatten ergo auch keins, haben die Kredite nicht ausgezahlt, unser Kunde hat eine Zwischenzahlung nicht erhalten und eben "angehalten".

ICh hatte Maschinen und Ausrüstung für 400.000 euro auf dem Hof und keine Arbeit für meine geschätzten Mitarbeiter was mich reichlich Geld gekostet hat.

Die Sparkasse und Arbeitsagentur waren sehr nett und wollten dass ich die Leute auf Kurzarbeit setze- wenn ich aber meinem besten Schweisser mit zwei Kindern und ner teuren Wohnung (wegen der Nähe zu Köln) und natürlich einem Autokredit am Hacken 30% Gehalt wegnehme nutzt das keinem was.

wir haben also brav oben drauf gelegt und natürlich keinen entlassen- alle oder gar nichts. In 2009 habe ich mal 4 Monate und zwei Wochen keine einzige Maschine verkauft: Licht aus!

2010 haben wir überlebt weil viele ihre Anlagen dann sanierten oder sanieren mussten weil sie einfach abgestellt hatten und dadurch viel kaputt ging- so einen hohen Umsatz ersatzteile hatten wir noch nie und danach auch nie wieder.

Die Jahre 2011 bis 2015 waren ein Leben vonner Hand innen Mund, war nicht lustig. Aber trotzdem weiter wachsen, is klar...

Insgesamt hat mich die "Krise der Finanzindustrie", die ja genau das Gegenteil einer Industrie ist nämlich eine Geld- und Wertevernichtungsmaschine, deutlich mehr als 400 T€ gekostet, Schwamm drüber.

Die letzten Jahre waren dann wieder deutlich besser, ich wusste schon dass das nicht ewig hält. war dann 2019 wegen 10 Jahre Jubiläum abergläubig- nix passiert. Ich habe gestaunt.

Naja, unn jetzt dä Driss :-(

Die Unterschiede zu 2009?

Die "Finanzindustrie" ist immer noch schlaff wie jeck, aber wir haben ja jetzt Stresstests und die Deutsche Bank hat wieder Gewinne erzielt, eine Freude :-)

Die Länder sind immer noch verschuldet dass es kracht, Italien hat seit Ewigkeiten kein echtes Wachstum mehr hinbekommen, ein paar Südeuropäer haben sich halt so durchgehangelt. Aber so richtig dick geworden ist keiner in den letzten 10 Jahren.

Aber wir haben ja Billigzinsen, eine Freude. Und der private Konsum war der "Motor des Wachstums". Natürlich kreditfinanziert.

Das könnte jetzt lustig werden: mein derzeitiges Haus wurde 2011 im Gutachten auf 40 eus/ qm Bodenwert geschätzt (ja, ich wohne ländlich ;-) ). Als ich Ende 2013 gekauft hab hat der Gutachter schon 65 eus angesetzt. Im Boris findet man nun 130 Euro für den Grund- kein schlechter "Wertzuwachs" oder. Ist immer noch derselbe Boden.

Aber: mittlerweile haben wirklich ALLE gekauft- ich gönne es ihnen und wünsche uns allen viel Glück.

Ein Mitarbeiter von 27 Jahren hat vor zwei Jahren 150.000 aufgenommen und sich eine Wohnung gekauft und umgebaut. Wenn alles gut geht wird er die auch zurück zahlen können. Wenn die Zinsen irgendwann mal nur um 1% steigen (was natürlich derzeit nicht absehbar ist) werden sich viele wundern was 250.000 euro Schulden auch kosten können...

Und Italien hat in der Zwischenzeit seine Staatsfinanzen auch gerne mal über den Chinesen aufpolieren lassen und Panda Bonds verkauft.

Das ist also die Lage (natürlich aus meiner skeptischen Sicht). Wie das ganze Spiel nun ausgeht wird sich maßgeblich daran entscheiden wie "schnell" die aktuelle Lage sich verändert.

Zwei Szenarien:

Remdesivir wirkt, im Herbst wird ein Impfstoff in die Schlussklinik gebracht und ist auch da erfolgreich. Alles scheint überstanden und die deprimierte Bevölkerung von Europa feiert ein Fest auf die Lebensfreude und konsumiert in bislang ungekannter Art und Weise, die Zinsen bleiben niedrig und die Wirtschaft feiert ein Fest. Natürlich besonders befeuert durch erneute Autokonjunkturprogramme.

Das wäre die freundliche Variante.

Und wenn Herr Lauterbach recht hat? Und wir noch drei Jahre so leben und diskutieren wie derzeit?

Kann ich mir nicht ausmalen. Könnte mir aber vorstellen dass das eine Depression epischen Ausmaßes verursachen könnte. Wenn man sich alleine anschaut was an Immobilien für Unsummen verkauft wurde, vom frisch Arbeitslosen nicht mehr bedient werden können und dann weniger als 50% der Anschaffung in der Verwertung bringen und die armen Banken sich wieder mit Ramschhypotheken konfrontiert sehen?

Und die BRD gar nicht mehr so viele Steuereinnahmen hat dass sie wenigstens die Schulden mal abtragen könnte und dann als letztes Euroland auch mal wieder 3% an den Rentenmärkten zahlen muss?

Nee, kann und will ich mir nicht vorstellen.

Also hoffen wir das Beste ;-)


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