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die Älteren... (Sonstiges)

Tigo, Duisburg, Freitag, 15.06.2018, 14:04 (vor 2114 Tagen) @ Kulibi77

Nochmal dazu aus dem "Verfassungsblog":

"[...]Weshalb also stehen die Dublin-Verordnung und allgemeiner ein gemeinsames Zuständigkeitssystem der Idee entgegen, Personen an der Grenze abzuweisen? Weil es ein Verfahren gibt, in denen diese Zuständigkeitsverteilung geprüft wird.

Art. 3 Dublin-Verordnung spricht von der Prüfung eines Antrags auf internationalen Schutz – diese Prüfung ist die inhaltliche Prüfung, ob die Personen als schutzberechtigt anerkannt ist. Diese Prüfung ist die chronologisch zweite: zunächst muss geprüft werden, welcher Mitgliedstaat für die inhaltliche Prüfung zuständig ist. Daher spricht Art. 3 Abs. 2 Dublin-Verordnung vom „die Zuständigkeit prüfende[n]“ Mitgliedstaat. Diese chronologisch erste Prüfung der Zuständigkeit möchten die „Flüchtlinge an der Grenze abweisen“-Vorschlager vermeiden. Sie ist aber Grundlage der Dublin-Verordnung: eine Zuständigkeitsregelung, bei der die Zuständigkeit nicht geprüft sondern an der Grenze vermutet wird, wäre eine Farce. Die Prüfung der Zuständigkeit ist in der Dublin-Verordnung selbstverständlich verankert, so auch explizit in den Verfahrensgarantien der Art. 4 bis 6. Und die Prüfung der Zuständigkeit ist eben unverzichtbar, um zu vermeiden, dass Flüchtlinge hin- und herverwiesen werden und kein Staat die Zuständigkeit akzeptiert.

Nun mögen die Vorschlagenden einwenden, dass regelmäßig Deutschland nicht der nach Kapitel III Dublin-Verordnung zuständige Staat ist. Und dass es gleichzeitig so schwierig ist, Personen an andere Mitgliedstaaten zu überstellen – insbesondere seitdem der EuGH die Fristen dafür im Urteil Mengesteab eng ausgelegt hat. Was ist also mit dem Ziel, „forum shopping“ zu vermeiden? Erstens ist nicht auf Grund der geographischen Lage klar, dass Deutschland nicht zuständig wäre. Es gibt neben dem Kriterium des ersten Eintritts in die EU zahlreiche weitere, vorrangige Zuständigkeitsregeln in den Artikeln 8 bis 12 Dublin-Verordnung. Zweitens enthält die Verordnung die Pflicht, das Asylverfahren zu übernehmen, wenn in dem eigentlich zuständigen Mitgliedstaat systemische Mängel im Asylverfahren und den Aufnahmebedingungen bestehen (Art. 3 Abs. 2). Das reagierte auf die Rechtsprechung seit M.S.S. gg. Belgien und Griechenland (EGMR) und N.S. (EuGH).

Es ist also nicht klar, wenn eine Person an der Grenze steht, ob Deutschland für die inhaltliche Prüfung des Asylantrags zuständig ist. Daher muss erst die Zuständigkeit geprüft werden. Herr Dobrindt liegt falsch, wenn er meint, dass ein Blick in die Fingerabdruckdatei Eurodac diese Prüfung ersetzen könnte. Eurodac erkennt Personen. Die Rechtslage erkennen Richter. Zum Glück. Bei allen Problemen, die man ihr vorhalten kann, transportiert die Dublin-Verordnung diese wichtige Entscheidung: Dass es letztlich um den Schutz von Personen geht. Deren Wohl ist gegen die Interessenskonflikte der Mitgliedstaaten abzusichern und so sehen die Regeln vor, dass in jedem Fall ein Staat zuständig bleibt. Deshalb ist ein Abweisen von Personen an der Grenze unter EU-Recht schlicht unzulässig.

Verbot der Kollektivausweisung
Auch in einer Welt ohne EU-Recht wäre der Vorschlag, Personen an der Grenze ohne Verfahren abzuweisen, nicht mit dem Recht vereinbar. Im Art. 4 des von Deutschland ratifizierten IV. Zusatzprotokoll der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) findet sich das Verbot der Kollektivausweisung. Diese gilt auch für Zurückweisungen an der Grenze (so der EGMR in Fall N.D. und N.T., para. 104). Das heißt, Personen dürfen nicht pauschal abgewiesen werden, ihre individuellen Umstände müssen zur Kenntnis genommen und berücksichtigt werden. Das ist weniger als die Vorgaben der Dublin-Verordnung, welche ein spezifisches Verfahren der Zuständigkeitsprüfung verlangen. Aber bereits durch das Verbot der Kollektivausweisung wären Zurückweisungen mit vorgefertigten Begründungen, die sich nur nach der Nationalität des Asylsuchenden oder nach einem Eurodac-Treffer richten, unzulässig.[...]


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