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Ist man mit 25 schon perfekt? (Sonstiges)

FourrierTrans, Dortmund, Montag, 10.05.2021, 18:25 (vor 1073 Tagen) @ Voomy
bearbeitet von FourrierTrans, Montag, 10.05.2021, 18:30

Ich würde auch zustimmen, dass es nicht der Kapitalismus als solches ist. Es ist dieser globalisierte, urbane Turbokapitalismus, der eben die Leute, die nicht daran teilnehmen können oder wollen, politisch nicht mehr berücksichtigt.
Verstehe mich nicht falsch, genaugenommen gehöre ich auch zu den globalisierten Akademikerjohnnys, die den ganzen Tag englisch reden müssen und (vor Corona) in der Welt zu Hause waren. Heute Shanghai, morgen Detroit, übermorgen Slowenien. Allerdings bin ich in einer ländlichen Arbeiterumgebung aufgewachsen. Die Unterschiede zwischen Heimat/nicht-Akademiker und Wohnort seit 10 Jahren/Akademikerbekanntenkreis sind frappierend.

"Wieso soll jetzt der N****kuss auf einmal nicht mehr so heißen, so ein Quatsch? Das hat sich doch wieder einer von oberen Zehntausend im Berliner Regierungsviertel ausgedacht" oder "Was ein Bullshit, jetzt steht hier m/w/d, so ein Scheiss kann sich nur wieder einer von den Studierten aus der Zentrale ausgedacht haben und wir hier im Werk müssen den Mist umsetzten".
Du kannst dich zu Tode diskutieren mit den Leuten. Im Grunde hat niemand Probleme damit, den N*****kuss nicht mehr N******kuss zu nennen oder jemand der Transgender ist, ein gleichberechtigtes Leben zu ermöglichen. Es geht um "die da oben", für die du als Linienarbeiter oder XY-Ausbilungsberufler auf dem Lande keine Rolle mehr spielst, weil du im liberalen, globalisierten Akademikergame nicht mitmachst. So erlebe ich es zumindest, wenn ich zwischen diesen beiden Welten wandere.
Woran man das auch gut erkennen konnte, ist das Beispiel USA. Es zählen die Meinungen aus den Städten an der Ost- und Westküste, Umfragen werden vornehmlich dort vorgenommen. Und dann: Oh Schreck, Donald der Clown Trump wird POTUS. Wie konnte das passieren? Relativ einfach zu erklären, niemand schaut sich die Probleme der nicht-urbanen Bevölkerung an. Das Trump für die Leute im Rustbelt nichts verbessert hat? Geschenkt. Aber zumindest hat man es den Drecksäcken aus Washington gegeben. Mit Faschismus oder Homophobie hat das im Kern eigentlich nichts zu tun. Nimmt man diese Bevölkerungsgruppen, die in Summe deutlich größer sind, als man vermutet, mit in politische und gesellschaftliche Diskurse auf, wird man von einem Höcke schnell nichts mehr hören und lösen, weil er keine Rolle mehr spielt.


Ich sehe das im Prinzip ähnlich. Habe nie so ganz verstanden, warum wir uns gesellschaftlich in solchen absurden Diskussionen verlieren, warum der Schokokuss jetzt so oder so heißt. Natürlich muss man das N-Wort nicht mehr so benutzen. Ist es relevant für die große Debatte, die wir darüber in der Gesellschaft führen? Mit Sicherheit nicht. Gleiches für das Schnitzel. Gleiches für m/w/d. Das sind nach meiner Empfindung einfach Nebenschauplätze, die uns von den großen Fragen ablenken. Kein Wunder, dass es da inzwischen Verschwörungstheorien gibt, dass diese Debatten gesteuert werden, damit wir uns bloß nicht mit den eigentlichen sozialen Problemen beschäftigen.

Allerdings sehe ich auch nicht mehr eine Möglichkeit, wie die Leute - in den USA, die Trump wählten, die Demokraten wählten, als Exterembeispiel - oder auch bei uns, diejenigen die sich von der AfD angezogen fühlen oder sich an Merz und Maaßen orientieren - wieder in einen Diskurs zu bringen. Nur wohin geht es? Kriegen wir es irgendwie hin, irgendwo mal einen neuen Ansatz zu finden oder ist es die neue Realität, dass wir mit einem groß angelegten Lagerkampf leben müssen?

Das Problem wird sich nicht ad-hoc lösen lassen, da gebe ich dir recht. Mein Idee wäre: Vermeide ultrareiche Vermögen wie die eines Jeff Bezos, der absurd viel Vermögen besitzt und dessen Mitarbeiter nicht selten noch einen zweiten oder dritten Job benötigen, um über die Runde zu kommen. Es gibt politische Hebel dafür, die lange Zeit in den Nachkriegsjahren funktionierten, bis man dann wieder in den "Steuerwettbewerb" trat. Wir sehen das in abgeschwächter Form hier auch bereits. Menschen müssen, wie zu Zeiten der Industrialisierung, als man mit harter Arbeit dennoch Eigentum aufbauen konnte, wenn man sparsam war, auch mit einfacher und nicht-akademischer Ausbildung eine Chance auf Eigentum haben und nicht nur von paycheck zu paycheck leben. Die moralische Überhöhung der urbanen Akademiker (ja, ich gehöre auch dazu, also nehme ich die Kritik auch selbst auf) gegenüber den, überspitzt formuliert, "Ewiggestrigen" vom Lande, die einfach nicht verstanden haben, wieso man auf dem Schützenfest auch ein WC für divers aufstellen muss und wo das Landwirtschaftskonzept sowieso kompletter Ökozid ist.


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