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Testpflicht: Geplante Regelung für Unternehmen (Corona)

markus, Dienstag, 13.04.2021, 17:36 (vor 1108 Tagen) @ Litze

Ulrich, locker bleiben. Litze hat nicht Unrecht. Der Arbeitgeber darf keine nicht anlassbezogenen Gesundheitsprüfung seines Mitarbeiters verlangen. Wenn die Regierung den Arbeitgebern dies aufgegeben hätte, hätten die Arbeitgeber gegen geltendes Recht verstoßen. Das mag hinnehmbar sein. Aber wie verhält sich der Arbeitgeber, wenn der Arbeitnehmer zu Recht die Durchführung des Test verweigert? Stellt er ihn frei ohne Entgeltfortzahung? Oder muss der Arbeitgeber den Arbeitnehmer weiter bezahlen (Antwort: Ja, müsster er, wenn das Testverlangen nicht gerechtfertig ist).

Dies ist meines Erachtens ohnehin kein Bereich, für den man zwingen Zwang benötigt. Meine Kanzlei bietet seit 3 Wochen Schnelltests an und die werden gut angenommen. Da entwickelt sich auch schnell eine gewisse Gruppendynamik: "Warum lässt DU Dich eigentlich nicht testen? Schließlich sitzt Du ja im Büro nebenan..."


Ich denke, es sind sich die überwiegende Anzahlt der Juristen einig, aber was sind schon Juristen, die haben keine Ahnung ...

Ich mag ja dieses „ich bin hier der Jurist und euch kleinen Wichten haushoch überlegen“ (ich weiß dass das überspitzt formuliert ist) genauso wenig, wie „ich weiß alles besser als die Juristen“. Wir hatten hier schon einige Rechtsstreitigkeiten mit unseren Konzernjuristen und die lagen jedesmal daneben. Ich bin auch kein Jurist, aber lese beruflich die gleichen Urteile und Kommentierungen zum Arbeitsrecht. Da merke ich dann auch als Nicht-Jurist, wenn der Jurist gerade auf dem Holzweg ist. Und das kommt recht häufig vor.

Was die grundsätzlichen Bedenken betrifft, bin ich absolut bei euch. Hatte ich ja weiter oben auch geschrieben. Allerdings gibt es in der Abwägung der widerstreitenden Interessen immer zwei Parteien, die ihre Argumente in den Ring werden. Ein Pro-Argument für eine Testpflicht (natürlich dann mit ausreichenden Differenzierungen) wird die Meinung der Wissenschaft sein, dass sich damit der R-Wert um signifikante 0,3 Punkte senken lässt. Wenn der legitime Zweck also daraus besteht, die Infektionslage nachhaltig in den Griff zu bekommen und andere milderen Mittel bereits ausgeschöpft sind (was zu klären wäre), wäre eine weitergehende Regelung als die jetzt beschlossene wohl auch noch verhältnismäßig.

Denn wenn wir den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz einmal durchgehen, stellt sich zunächst die Frage, ob wir einen legitimen Zweck haben. Wir sind in einer Pandemie und wollen die Dynamik der Virusausbreitung stoppen. Dieser Zweck dürfte ohne Zweifel legitim sein. Denn eine unkontrollierte Durchseuchung hätte weitreichende Folgen. Weltweit versuchen gerade alle Regierungen die Situation unter Kontrolle zu behalten.

Dann stellt sich die Frage, ob das angedachte Mittel dazu geeignet ist, den Zweck überhaupt zu erreichen. Diese Frage dürfte zu bejahen sein. Durch den Einsatz flächendeckender Schnelltests soll, wie oben geschrieben (Quelle ist übrigens Lauterbach, der auf weitere Quellen verweist) die Reduzierung des R-Werts um 0,3 Punkte möglich sein. Unterstellt man, dass das zutreffend ist, dürfte dieses Mittel somit dazu geeignet sein, die Dynamik der Virusausbreitung zu stoppen.

Im nächsten Schritt ist zu prüfen, ob das Mittel erforderlich ist. Hier geht es darum, zu prüfen, ob es gleich wirksame, aber weniger in das Grundrecht eingreifende Mittel gibt. Und das natürlich auch in jedem Einzelfall. Mitarbeiter, die in Homeoffice arbeiten, werden davon ganz eindeutig auszunehmen sein. Hier dürfte eine Testpflicht in jedem Fall unzulässig sein. Bei anderen Mitarbeitern wäre zu prüfen, wie hoch die Frequenz der Kontakte ist. Je mehr Kontakte vorkommen, desto eher ließe sich eine Testpflicht begründen. Möglicherweise wird man eine Abgrenzung nach Abteilungen und Mitarbeitergruppen machen können.

Ist die Maßnahme geeignet und erforderlich, wäre im letzten Schritt die Angemessenheit zu prüfen. Und an der Stelle mögen Richter oft keine umfassende und lückenlose Überwachung. Da gehen direkt alle Alarmglocken an. Die sehen lieber konkrete Anlässe in jedem Einzelfall, weniger ein „Generalverdacht“ gegen alle. Insofern habt ihr Juristen recht, dass man zwingend differenzieren muss.

Unterm Strich dürfte deutlich mehr möglich sein als das aktuell beschlossene. Aber natürlich keine Verpflichtung aller Arbeitnehmer ohne jegliche Differenzierung. Man hätte beschließen können, dass sich die Betriebsparteien darüber einig werden müssen, wie eine Testpflicht für den jeweiligen Betrieb umzusetzen ist. Die können das auch am besten beurteilen.


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