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Christkindlsmarkt in Nürnberg abgesagt (Corona)

Djerun, Montag, 26.10.2020, 20:47 (vor 1268 Tagen) @ Blarry

Du, eins der Probleme, die wir in unserer Generation haben, ist doch, dass wir nie in einer Situation waren, uns und unsere eigenen Eltern in einer existenziellen Angst zu erleben.

Die frühesten bewussten Erinnerungen an Ereignisse weltgeschichtlichen Formats dürften für Dich auch irgendwo um den Mauerfall gelegen haben, die Wende, der Zusammenbruch des Ostblocks. Die Generation unserer Eltern erlebte ihre Kindheit mit einer ständigen unterschwelligen Angst vor dem dritten Weltkrieg; unsere Großeltern haben den davor noch live miterleben müssen. Währenddessen waren die Kriege in unserer Lebenszeit umeist regionale Konflikte und/oder so weit weg, dass sie uns nicht betrafen. 9/11 war noch das einschneidenste Ereignis, aber außer einer Weltwirtschaftskrise hat es uns ebenfalls wenig betroffen. Man hatte paar Wochen Angst vor Kriegen, aber das war alles viel zu schnell verflogen.

Uns privilegierten Millenials fehlt einfach eine Blaupause, wie wir mit eben solchen globalen Gefahren wie Seuchen oder Kriegen umgehen sollen. Unsere Eltern können uns was darüber erzählen, wie das so war, in den 60ern Jodtabletten im Badezimmerspiegelschrank einzulagern, aber sowas selber zu erleben ist doch etwas ganz Anderes. Das kann man sich nur abgucken, indem man es durchmacht. Und da kannst Du nichts für, da kann Deine Kleine nichts für, das macht momentan eine ganze Zivilisation durch. Das wird schon wieder.

Meine erste Erinnerung an eine global bedrohliche Situation sind die Worte Ronald Reagans in Bezug auf die Sowjetunion Anfang der 80er - gefolgt von Tschernobyl kurz darauf. Petting statt Pershing, Nato-Doppelbeschluss usw. Bei Regen aufpassen draußen hieß es 84. Kein Gemüse aus dem Schrebergarten essen wurde in der Familie diskutiert. Wir haben als Kinder auf dem Spielplatz vorm Haus tatsächlich gedacht, daß der 3. Weltkrieg kommen könnte. In der Schule haben wir den Ernstfall eines Reaktorunglücks geübt (die Schule lag im Einzugsgebiet vom Meiler in Hamm-Uentrop). Ende 89 dann die Erlösung...
Das nächste dann 9/11. Beängstigend Tage und Wochen waren das damals. Zwischen Heimniederlage gegen Bayern und Derbyniederlage bei den Blaue. Eigentlich ne beschissene Fussballwoche, aber verblasste irgendwie in diesen Tagen...

Diese beiden Zeiten stellten für mich eine wesentlich größere Bedrohung dar als die aktuelle. Mit Abstand... Ja klar, die Kinder werden das schaffen. Natürlich. Dennoch darf ich bedauern, daß es so ist. Mehr tue ich ja nicht. Ich weiß nicht, wie lange ich noch etwas von meinen Eltern - also den Großeltern habe. Geschweige denn von meiner Oma im Heim - der Ur-Oma also. Da geht's dann um Monate, vielleicht Wochen. Is halt so. Akzeptiere ich. Kann aber dann mit der hier entgegengebrachten Holzkopfempathie nix anfangen...


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