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Corona Bonds -Pro- und Contra (Corona)

Ulrich, Mittwoch, 08.04.2020, 10:25 (vor 1473 Tagen) @ Jurist81

Die Idee der gemeinschaftlichen Bonds sind icht neu, sondern stammen aus der Zeit der Eurokrise. Damals kam der Vorschlag, dass die EU-Staaten gemeinsame Anleihen (sog. Eurobonds) emmitieren, damit die nicht zu gewöhnlichen Marktkonditionen refinanzierbaren Finanzlasten der Griechen, Italiener und Spanier zu günstigeren Konditionen refinanziert werden können.

Das ganze hat meiner Meinung nach nicht nur eine monetäre, sondern auch ein politische Dimension. Aktuell droht die EU, von der Deutschland wirtschaftlich enorm profitiert hat, massiven Schaden zu nehmen. Und das wäre auch für uns letztlich extrem nachteilig.

Italien, Spanien und Frankreich leiden schwer unter der gegenwärtigen Krise, die mittel- und langfristigen wirtschaftlichen Folgen sind heute noch nicht absehbar. Gleichzeitig versuchen Brunnenvergifter aus der Situation Profit zu schlagen. Salvini, Le Pen und Co. sitzen bereits in den Startlöchern.

Wenn diese Krise die EU nicht langfristig wirtschaftlich deutlich schädigen soll, benötigen wir einen europäischen Marshallplan, der viel Geld kosten wird. Und das können die südeuropäischen Staaten nicht alleine stemmen. Andererseits sind aber speziell in Italien auch tiefgreifende Reformen notwendig. Der Staat dort ist über Jahrzehnte von Berlusconi und zuletzt von Salvini bzw. den Fünf Sternen planmäßig vor die Wand gefahren worden. Die Staatsschulden sind enorm hoch, aber gleichzeitig gibt es auch deutlich mehr Vermögen als in Deutschland, dafür hat vor allem Berlusconi gesorgt. Und anders als z.B. die Griechen ist Italien in hohem Maße bei den eigenen Bürgern verschuldet.

Hilfen der reicheren Staaten müssen meiner Meinung nach mit der Verpflichtung zu Reformen gekoppelt werden. Wichtig ist aber vor allem ein politisches Signal, "Wir lassen euch nicht hängen!".


Dieses Instrument wurde nicht gewählt und das Bundesverfassungsgericht hat mit Urteil vom 7. September 2011 (Az. 2 BvR 987/10, 2 BvR 1485/10, 2 BvR 1099/10) entschieden: "Der Deutsche Bundestag darf seine Budgetverantwortung nicht durch unbestimmte haushaltspolitische Ermächtigungen auf andere Akteure übertragen." Hieraus wird vielfach gelsen, dass Eurobonds verfassungswidrig sind.

Da stellt sich die Frage, ob man durch die konkrete Ausgestaltung der Bonds genau diese "unbestimmten haushaltspolitische Ermächtigungen" ausschließen kann. Es muss meiner Meinung nach auch nicht auf das ursprüngliche Konzept der Eurobonds hinaus laufen.


Unsere drei Freunde werden diese Beträge (oder einen gewaltigen Teil davon oder sogar mehr) am Anleihenmartk nur zu stemmbaren Konditionen generieren können, wenn das Ausfallrisiko gering ist. Schauen wir uns die Konditionen für griechische Staatsanleihen an, so könnte hier mit Zinsen von bis zu 7% im Falle Italiens gerechnet werden - wenn nicht weitere Instrumente, auf die ich hier nicht eingehen will, dagegen steuern. Das wären bei 300 Milliarden Euro Zinsen in Höhe von 21 Milliarden Euro p.a. und würde den hochverschuldeten italienischen Staat noch weiter in die Enge treiben.

Mal weg von den konkreten Zinssätzen liegt hier genau das Problem. Wie teuer solche Anleihen werden, liegt an der Einschätzung des Marktes bezüglich der Vertrauenswürdigkeit des Schuldners. Und hier wird es wieder politisch. Ein Salvini oder ein Grillo sind nicht vertrauenswürdig. Eine Le Pen in Frankreich ist es ebenfalls nicht. Und spätestens da wird das ganze wieder politisch.


Daher ist die Überlegung die gute Bonität einiger Euro-Staaten zu nutzen, um hier günstigere Finanzierungskosten zu generieren zunächst einmal gut.

Aber:

Contra
Der Grund für die hohen Finanzierungskosten liegen in der niedrigeren Bonität, das heißt dem höheren Ausfallrisiko, der Staaten. Geben wir nun gemeinsame Bonds heraus, senken wir die Finanzierungskosten dadurch, dass wir das Ausfallrisiko verlagern: Vom Zeichner der Anleihe auf die Bundesrepublik Deutschland. Neben der Rückzahlungsverpflichtung der 365 Milliarden Euro (was in etwa dem Gesamtvolumen des Bundeshaushalt 2020 in ursprünglicher Form entspräche) hätte Deutschland (neben den weiteren Staaten) ein erhebliches Haftungsrisiko (ich will hier keine Zahlen in den Raum werfen, aber ein Volumen von unter 800 Milliarden Euro erschiene mich recht gering). Klar, das Risiko würde gemeinsam geschultert: von sämtlichen Emittenten. Aber fällt der erste Dominostein (hochwahrscheinlich Italien), würden die anderen Steine folgen, da Griechenland, Spanien, Portugal, Frankreich dies nicht auffangen könnte. Also würde sich die Belastung Deutschlands erhöhen. Am Ende könnte auch Deutschland eine Steigerung der Veschuldung von ca. 33% (365 Milliarden Euro plus 800 Milliarden Euro) des BIP schultern. Wir würden nicht bankrott gehen und könnten die anderen Staaten retten. Aber was ist der Preis? Wahrscheinlich stügen die Kosten der Refinanzierung. Der Spielraum wäre eingeschränkter. Zugleich müssten die Schulden bedient werden, wodurch dann deutsche Steuerzahler die Schulden der anderen Ländern bezahlten.

Für wie viel Deutschland einstehen würde, das ist zunächst einmal offen und läge an der konkreten Ausgestaltung des Finanzschirms.


Problem:
Wenn ein Euro-Staat zahlungsunfähig wird, muss er die Währungsunion verlassen, der Euro würde unter unheimlichen Druck geraten und wahrscheinlich zerschellen. Das Ganze haben wir bei Griechenland als Szenario gesehen und die Griechen machten damals nur 1% des BIP der Eurozone aus. Zum Vergleich heute (2018): Italien ca. 13%, Frankreich ca. 17%, Spanien ca. 9%. Wir müssen also unsere Freunde unterstützen - nicht aus Nächstenliebe oder europäischem Gemeinschaftssinn, sondern um unsere Gemeinschaftswährung zu bewahren.

Das Problem ist aber, wenn einer der größeren europäischen Staaten, so etwa ab der Größenordnung Spanien, zahlungsunfähig wird, dann werden die Auswirkungen auf Deutschland eh dramatisch werden.

Alternative zu den Bonds?

Die Ersparnis der Italiener und co. beträgt allenfalls die Refinanzierungskosten. Am leichtesten und beherrschbarsten ist daher aus meiner Sicht ein Fonds (wie ihn die Niederländer gerade vorgeschlagen haben), in den alle Eurostaaten einzahlen und der so verteilt wird (jährliche Umschichtung erforderlich), dass die Kapitalmarktkosten der Finanzierung der Krisenbewältigung aus diesem Topf gedeckt werden. Annexproblem: Sobald der Markt sieht, dass Mittel zur Finanzierung zur Verfügung stehen, wird er diese auch abgreifen wollen. Hier müsste eine Lösung gefunden werden.

Was meint ihr? Gerne auch Kritik, wenn meine Annahmen oder Schlussfolgerungen falsch sind. Ich bin auch nur ein doofer Jurist und kein Volkswirtschaftsgelehrter.

Wichtig ist meiner Meinung nach zunächst einmal eine politische Botschaft, die der Stimmung vor allem in Italien "Die lassen uns absaufen und stehen lächelnd am Beckenrand!" deutlich entgegenwirkt. Ich glaube, viele Politikerinnen und Politiker in Deutschland nehmen aktuell gar nicht wahr, wie ihre Aussagen in Italien, Spanien und Frankreich ankommen.


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