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Corona Bonds -Pro- und Contra (Corona)

Jurist81, Dienstag, 07.04.2020, 13:41 (vor 1479 Tagen) @ CHS

Hier wird ja bei einigen Themen, insbesondere im Hinblick auf den erforderlichen Wiederaufbau, immer wieder auf die aus Italien, Spanien und Frankreich geforderten Corona Bonds abgestellt.

Hier, aber auch bei Spiegel, SZ, Zeit (selbst Handelsblatt) und Co. liest man immer wieder, dass die Niederländer, aber auch die Bundesregierung sich bislangf strikt gegen diese Corona Bonds aussprechen.

Daher wollte ich hier eine Diskussion über diese Bonds starten.

Vielleicht erst einmal zum allgemeinen Verständnis:

Die Idee der gemeinschaftlichen Bonds sind icht neu, sondern stammen aus der Zeit der Eurokrise. Damals kam der Vorschlag, dass die EU-Staaten gemeinsame Anleihen (sog. Eurobonds) emmitieren, damit die nicht zu gewöhnlichen Marktkonditionen refinanzierbaren Finanzlasten der Griechen, Italiener und Spanier zu günstigeren Konditionen refinanziert werden können.

Dieses Instrument wurde nicht gewählt und das Bundesverfassungsgericht hat mit Urteil vom 7. September 2011 (Az. 2 BvR 987/10, 2 BvR 1485/10, 2 BvR 1099/10) entschieden: "Der Deutsche Bundestag darf seine Budgetverantwortung nicht durch unbestimmte haushaltspolitische Ermächtigungen auf andere Akteure übertragen." Hieraus wird vielfach gelsen, dass Eurobonds verfassungswidrig sind.

Corona Bonds sind nun der neue Namen für die sog. Eurobonds. Konkrete Konzepte über "gemeinsame Anleihen emittieren" hinaus habe ich bislang noch nicht gelesen. Mithin liegt der Verdacht nahe, dass diese Bonds den Maßstäben des Bundesverfassungsgerichts nicht genügen, soweit die Bonds der Haushaltskontrolle des Bundestages entzogen sind.

Diese Überlegung einmal zur Seite gestellt, was sind die Vor- und Nachteile der Corona Bonds und welche Alternativen bieten sich?

Vorteile: Spanien, Frankreich, Italien werden ihre Wirtschaft nur unter ganz erheblichen Anstrengungen so stimulieren können, dass die Auswirkungen der Pandemie beherrschbar sind. Hierzu bedarf es der Aufnahme erheblicher Mittel. Deutschland hat hierzu bspw. mit Schulden in Höhe von 356 Milliarden Euro geplant. Auch wenn diese Werte für Italien, Spanien, Frankreich jeweils vielleicht nicht erforderlich sind (die konkreten Höhe konnte man bislang nirgends belastbar erfahren), so illustriert dieser Betrag sehr gut, über welche Dimensionen hier geredet wird.

Unsere drei Freunde werden diese Beträge (oder einen gewaltigen Teil davon oder sogar mehr) am Anleihenmartk nur zu stemmbaren Konditionen generieren können, wenn das Ausfallrisiko gering ist. Schauen wir uns die Konditionen für griechische Staatsanleihen an, so könnte hier mit Zinsen von bis zu 7% im Falle Italiens gerechnet werden - wenn nicht weitere Instrumente, auf die ich hier nicht eingehen will, dagegen steuern. Das wären bei 300 Milliarden Euro Zinsen in Höhe von 21 Milliarden Euro p.a. und würde den hochverschuldeten italienischen Staat noch weiter in die Enge treiben.

Daher ist die Überlegung die gute Bonität einiger Euro-Staaten zu nutzen, um hier günstigere Finanzierungskosten zu generieren zunächst einmal gut.

Aber:

Contra
Der Grund für die hohen Finanzierungskosten liegen in der niedrigeren Bonität, das heißt dem höheren Ausfallrisiko, der Staaten. Geben wir nun gemeinsame Bonds heraus, senken wir die Finanzierungskosten dadurch, dass wir das Ausfallrisiko verlagern: Vom Zeichner der Anleihe auf die Bundesrepublik Deutschland. Neben der Rückzahlungsverpflichtung der 365 Milliarden Euro (was in etwa dem Gesamtvolumen des Bundeshaushalt 2020 in ursprünglicher Form entspräche) hätte Deutschland (neben den weiteren Staaten) ein erhebliches Haftungsrisiko (ich will hier keine Zahlen in den Raum werfen, aber ein Volumen von unter 800 Milliarden Euro erschiene mich recht gering). Klar, das Risiko würde gemeinsam geschultert: von sämtlichen Emittenten. Aber fällt der erste Dominostein (hochwahrscheinlich Italien), würden die anderen Steine folgen, da Griechenland, Spanien, Portugal, Frankreich dies nicht auffangen könnte. Also würde sich die Belastung Deutschlands erhöhen. Am Ende könnte auch Deutschland eine Steigerung der Veschuldung von ca. 33% (365 Milliarden Euro plus 800 Milliarden Euro) des BIP schultern. Wir würden nicht bankrott gehen und könnten die anderen Staaten retten. Aber was ist der Preis? Wahrscheinlich stügen die Kosten der Refinanzierung. Der Spielraum wäre eingeschränkter. Zugleich müssten die Schulden bedient werden, wodurch dann deutsche Steuerzahler die Schulden der anderen Ländern bezahlten.

Problem:
Wenn ein Euro-Staat zahlungsunfähig wird, muss er die Währungsunion verlassen, der Euro würde unter unheimlichen Druck geraten und wahrscheinlich zerschellen. Das Ganze haben wir bei Griechenland als Szenario gesehen und die Griechen machten damals nur 1% des BIP der Eurozone aus. Zum Vergleich heute (2018): Italien ca. 13%, Frankreich ca. 17%, Spanien ca. 9%. Wir müssen also unsere Freunde unterstützen - nicht aus Nächstenliebe oder europäischem Gemeinschaftssinn, sondern um unsere Gemeinschaftswährung zu bewahren.


Alternative zu den Bonds?

Die Ersparnis der Italiener und co. beträgt allenfalls die Refinanzierungskosten. Am leichtesten und beherrschbarsten ist daher aus meiner Sicht ein Fonds (wie ihn die Niederländer gerade vorgeschlagen haben), in den alle Eurostaaten einzahlen und der so verteilt wird (jährliche Umschichtung erforderlich), dass die Kapitalmarktkosten der Finanzierung der Krisenbewältigung aus diesem Topf gedeckt werden. Annexproblem: Sobald der Markt sieht, dass Mittel zur Finanzierung zur Verfügung stehen, wird er diese auch abgreifen wollen. Hier müsste eine Lösung gefunden werden.

Was meint ihr? Gerne auch Kritik, wenn meine Annahmen oder Schlussfolgerungen falsch sind. Ich bin auch nur ein doofer Jurist und kein Volkswirtschaftsgelehrter.


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