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Darum Funktioniert Links nicht? (Sonstiges)

November82, Stadt mit K, Freitag, 11.11.2016, 11:32 (vor 3312 Tagen) @ pactum Trotmundense

Dieses Links-Rechts-Schema kann man vergessen. Dafür sind die Ideologien zu stark verwoben.

Um auf deine These mit dem Verzicht einzugehen. Wohlstand durch Fortschritt beibehalten ist die Devise. Man muss nicht verzichten um Wohlstand auf der Welt zu mehren und dennoch mit dieser einen Erde auszukommen. Bestes Beispiel aus der Entwicklung der Menschheit: Ackerbau und Viehzucht. Wären wir Jäger und Sammler geblieben, gäbe es nichts essbares mehr. Der Mensch wurde jedoch zum Bauern und hat angefangen nachhaltig zu produzieren.

Das geht in allen Lebensbereichen. Momentan vernimmt man sehr viel über Forschung und Entwicklung im Bereich der Mobilisierung und Automatisierung. Es wird noch dauern, aber ein Auto nach heutigen Standards, das regenerativ arbeitet, wird es irgendwann geben. Die Technik ist noch nicht erfunden, aber sie wird es irgendwann sein.

Seit dem zweiten Weltkrieg hat sich der weltweite Wohlstand stark vermehrt. Man will es nur nicht wahrhaben. Die Sterblichkeitsrate bei Kindern ist gesunken, die Analphabetenrate ebenso. Die Anzahl der Demokratien ist geradezu explodiert, ebenso die weltweite Lebenserwartung.

Wir sollten aufhören alles immer nur negativ sehen zu wollen.

Vollkommen richtig. Nicht konsequenter Verzicht ist die Lösung, sondern die richtigen Mischung aus Fortschritt und weniger Verschwendung. Die Gesamtsituation auf der Welt (Lebens- und Arbeitsbedingungen) hat sich in den letzten 200 Jahren dramatisch verbessert. Die Rahmenbedingungen für weiteren Fortschritt sind einzigartig gut. Wenn man bedenkt, dass einzelne Genies wie Einstein unfassbar komplexe Erkenntnisse im Alleingang bewerkstelligt haben, wie produktiv muss dann ein durch die globale Vernetzung nun gängiges Zusammenwirken von 100 oder 1000 Einsteins sein.

Die Wahrnehmung ist im Westen aber eine andere. Die relative Situation der Mittelschicht in D/F/GB/USA hat sich in den letzten 30 Jahren verschlechtert. Absolut ist der Wohlstand zwar weiter gewachsen (z.B. deutlich weniger Arbeitszeit für Erwerb von Lebensmitteln erforderlich), aber die Sicherheit der Lebens- und Arbeitsumstände ist aufgrund der Globalisierung gesunken. Zudem besteht im Gegensatz zu den 60er/70er-Jahren keine Aussicht mehr auf ein stetiges signifikantes Wachstum.

Diese vornehmlich durch die Globalisierung verursachte Unsicherheit wird auf der anderen Seite allerdings durch eine deutliche Verbesserung der Lebensumstände von Milliarden Menschen in den Schwellen- und Entwicklungsländern kompensiert. Da für die Stimmung und Meinungsbildung der Menschen aber nachvollziehbarer Weise die eigene Situation und die des eigenen Umfelds deutlich wichtiger ist, als das Geschehen auf dem Rest des Planeten, kommt zunehmend Unmut auf.

Dies umso mehr, wenn der Blick immer wieder auf Exzesse der Oberschicht fällt, die wohl zwangsläufige Folge einer "zu" freien Marktwirtschaft sind. Eine Lösung hiergegen wären bessere Umverteilungsmechanismen innerhalb des Rahmens der sozialen Marktwirtschaft. Diese dürfen jedoch nicht dazu führen, dass Wirtschaft und Fortschritt abgewürgt werden und müssen zudem gegen den Widerstand der finanziell Stärksten durchgesetzt werden, die ihre finanziellen Mittel mittelbar auch für politische Zwecke nutzen.

Die unbeantwortete Frage der Verteilungsgerechtigkeit ist das Kernproblem, weshalb die Politik keine plausiblen Lösungsansätze für die aktuelle emotionale Krise der westlichen Gesellschaften präsentieren kann. Es gibt wohl keine einfachen Lösungen für dieses komplexe Problem. Eine moderate Modifikation der aktuellen Rahmenbedingungen und die begründete Hoffnung auf die durchschlagende Produktivität der globalen Vernetzung ist unter diesen Voraussetzungen meines Erachtens die vernünftigste Politik. Sie hat jedoch eine große Schwäche. Es fehlt die Vision. Die Problematik ist zu komplex, um sie der Mehrheit der Bevölkerung zu vermitteln. Auch Politik ist wie viele Bereiche der Wirtschaft und Gesellschaft ein hoch komplexes Geschäft geworden.

Diese Schwäche "vernünftiger" Politik versuchen die Populisten auszunutzen. Sie bedienen die Sehnsucht nach schlichten Antworten auf äußerst komplexe Fragen. Sie verzichten ganz auf Lösungsansätze und konzentrieren sich darauf, Sündenböcke zu identifizieren. Ein rein destruktiver Ansatz. Wenn es schief geht, werden neue Sündenböcke gesucht und mehr Aggressionen geschürt. Lieber soll es allen richtig schlecht gehen, als manchen relativ schlecht und manchen sehr gut. Dagegen muss sich die "Mitte der Gesellschaft" wehren. Zurück ins Mittelalter oder in die Steinzeit kann nicht das Ziel sein.

Der unfassbare technologisch Fortschritt der letzten 200-300 Jahre hat ein derartiges Tempo aufgenommen, dass die Entwicklung der demokratischen Gesellschaften größte Mühe hat, sich den sich ständig ändernden Rahmenbedingungen anzupassen. Es ist die Aufgabe der Politik, diesen Prozess möglichst geschickt zu moderieren. Ob es gelingt: keine Ahnung.

Am Ende der Entwicklung stehen hoffentlich die Vereinigten Staaten der Welt, die eine nachhaltige Bewirtschaftung der Erde organisieren. Natürlich ein langer Weg, auf dem es immer wieder Rückschritte geben wird (wie derzeit). Unabdingbare Voraussetzung: Ein Rückgang des Bevölkerungswachstums. Dies dürfte machbar sein. Sobald Gesellschaften ein gewisses Wohlstands- und Bildungsniveau erreichen, sinkt das Bevölkerungswachstum. Das Märchen von der unendlichen Bevölkerungsexplosion ist längst widerlegt.

Wir solltenunsere Energien und wirtschaftlichen Anstrengungen zur Verbesserung der Rahmenbedingungen in den Entwicklungsländern deutlich verstärken. Dies sowie technologischer Fortschritt zur effizienteren Nutzung der Ressourcen sind die wichtigen Schlüssel zu einer nachhaltigen "Bewirtschaftung" der Welt. Spannende Zeiten...


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