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Inzidenz nur noch ein Faktor / Länder schlagen bundesweite Corona-Ampel vor (Corona)

Lutz09, Tor zum Sauerland, Freitag, 13.08.2021, 12:12 (vor 1590 Tagen) @ Scherben
bearbeitet von Lutz09, Freitag, 13.08.2021, 12:25

Ich bin schon qua Beruf der Meinung, dass man alle verfügbaren Informationen einbeziehen sollte, um Entscheidungen zu treffen. Insofern habe ich schon vor langer Zeit kritisiert, dass man die Maßnahmen ausschließlich an der Inzidenz ausrichtet, wo weitere Zahlen verfügbar sind und helfen können, ein realistischeres Bild zu zeichnen.

Nichtsdestotrotz würde ich zwei Dinge anmerken:

a) Man hat m.E. nie Entscheidungen anhand der Inzidenz allein getroffen. Es spielten immer auch Trends ("flatten the curve") oder die Situation auf den Intensivstationen eine Rolle. Was aber stimmt: Die allermeisten Maßnahmen wurden so konzipiert, dass sie direkt und nur von der Inzidenz abhingen.

b) Trotz aller Kritik bin ich weiterhin der Meinung, dass die Inzidenz der beste Frühindikator für die Ausformulierung der Maßnahmen ist, wenn man sich nur auf einen Parameter stützen will. Die Korrelation zu den Belegungszahlen auf den Intensivstationen ist einfach gut. Und man könnte selbst aktuell m.E. gut vertretbar Maßnahmen von der Inzidenz abhängig formulieren, wenn man die anderen Indikatoren (altersspezifische Impfquoten und Inzidenz, Trends/R-Wert, etc.) einbezieht, um Schwellenwerte für die Inzidenz festzulegen. Wenn man dann bei "200 ist das neue 50" oder so herauskommt, why not?

Nun ja, die Inzidenz ist ja eigentlich eine Melderate, die noch dazu recht ungenau ist.
Habe dazu folgendes gelesen: die 7 Tages Inzidenz keine konstante Messgrundlage. Darauf wurde zum Beispiel durch den Epidemiologen Gérard Krause hingewiesen. Hier ein Artikel aus der Berliner Zeitung
Denn die reine Anzahl an PCR-Tests unterliegt Schwankungen, so finden an Feiertagen weniger Tests statt: Weihnachts- oder Oster-„Knick“ bei den Inzidenzwerten.
Zudem haben sich die Kriterien dafür, überhaupt einen PCR-Test zu machen, mehrfach geändert. Das RKI weist darauf hin, dass Testzahlen von heute nicht direkt mit früheren vergleichbar sind (Quelle Grafik: Epid.Bull 6/2021, Seite 14
Auch die Anteile der Altersgruppen an den Tests sind nicht konstant. Siehe z.B. Wochenberichte der Laborbasierten Surveillance von SARS-CoV-2. Aktuelle Darstellung Getestete nach Altersgruppen.
Ein weiterer Aspekt ist, dass er die Dunkelziffer der Infizierten nicht erfasst. In früheren RKI-Antikörperstudien zu einzelnen Corona-Hotspots wurden z.T. Dunkelziffern von Faktor 4 und mehr gefunden (Überblick hier).
Ein anderer Punkt: die 7T-Inzidenz hat einen gehörigen Meldeverzug. So liegen zwischen Infektion und Aufscheinen der infizierten Person in der Meldeinzidenz a) die Inkubationszeit von durchschnittlich 5-6 Tagen RKI und b) die Zeit zwischen Symptombeginn und Meldung des Falls ans Gesundheitsamt d.h. der Meldeverzug. Ausgehend von den RKI-Rohdaten liegen 95% der Werte des Meldeverzugs zwischen 0 und 15 Tagen. Diese Werte waren anfangs höher und sie variieren nach Falltyp + regional – und das stark. Dazu kommt, dass die Fallmeldung noch vom lokalen Gesundheitsamt ans jeweilige Landesgesundheitsamt gemeldet werden muss und von dort aus ans RKI. Selbst wenn das extrem fix klappt, müsste noch 1 Tag aufgerechnet werden.
Im Mittel dauert es also mindestens 10-12 Tage, mitunter deutlich länger, von einer Infektion bis zum Auftauchen der betroffenen Person in der Meldeinzidenz. Das ist sogar ein geringerer Zeitraum als der zwischen Infektion und Hospitalisierung bei einer Person mit einem schwerem Verlauf
Die Hospitalisierung läuft der Meldeinzidenz also nicht nach. Wer sich infiziert und auf der Intensivstation behandelt werden muss, wird etwa zur gleichen Zeit in der DIVI-Statistik auftauchen wie in der Meldeinzidenz. Ein Argument dafür, tatsächliche Krankheits-/Hospitalisierungs-/ITS-Fälle als Indikator zu benutzen.
Weiterhin weisen epidemiologische Modellierer wie Brinks und Hoyer darauf hin, dass auch die effektive Reproduktionszahl ein sinnvoller Indikator sei, da er wesentlich robuster gegenüber Veränderungen des Testvolumens sein kann, siehe auch Epidemiological measures for informing the general public during the SARS-CoV-2-outbreak: simulation study about bias by incomplete case-detection


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