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Im Westen nichts neues (Corona)

brummbaer, Dienstag, 25.08.2020, 16:23 (vor 1949 Tagen) @ Jurist81

Als Replik wäre Deutsche Gerichte sind nicht überlastet, stattdessen ist der Justizapparat faul und überbezahlt eigentlich schon ausreichend - auf dem Niveau bewegen sich deine Einlassungen nämlich weitgehend, dennoch werde ich mir die Mühe machen und inhaltich darauf eingehen.

Wie ein Vorposter schon schrieb - da hat sich offensichtlich einiges angestaut. Inhaltich scheint es dir ja weniger um den angesprochenen offenen Brief, denn einen Vergleich zwischen Lehrern und Richtern zu gehen.

Vorab: Ja, das Schulministerium im NRW und insbesondere die Ministerin geben ein desaströses Bild ab. Einige der bemängelten Punkte (bspw. Nichtumsetzbarkeit des Erlasses in Folge zugeschweißter Fenster) müssen antizipiert werden und dort müssen Lösungen vorbereitet werden, so dass das Konzept einheitlich vollständig umgesetzt werden kann.

Wieso wird das so abgetan? Das sind doch die realen Probleme. Als Jurist solltest du doch wissen, dass sich in dem (Verwaltungs-)System, in dem sich Schule abspielt, in der Regel eben nicht mal eben zu regeln sind.

Nun aber zum großen, ja übergroßen "Aber": Wir erleben das, was wir seit jahrzehnten in der Schulpolitik in sämtlichen Ländern erleben. Da wird "Schwarzer Peter" gespielt und man versucht sich rechtzeitig in Position zu bringen, damit die Versäumnisse bloß nicht einem selbst, bzw. der eigenen Gruppe zugeschoben werden.

Ja, das ist wohl so. Ist aber doch bei einer Interessenvertretung auch die originäre Aufgabe die Interessen dieser Gruppe zu artikluieren und durchzusetzen. Konkret: Die Schulleiter erhalten momentan (aber eigentlich immer und in den letzten Monaten vermutlich nochmal deutlich verstärkt aufgrund der Corona-Umstände) natürlich auch ständig beschwerden seitens der Schüler, Eltern und auch Lehrer. Gleichzeitig lobt sich die Landesregierung öffentlichkeitswirksam, wie toll sie das alles managt. Dass dies aber eben oftmals nicht der Realität entspricht, ist dem Laien ggf. gar nicht so bekannt. Daher ist es doch selbstverständlich, dass so etwas dann auch mal öffentlich richtig gestellt wird. Dass Beschwerden dann nach oben gehen, ist doch auch ein völlig normaler Vorgang.

Nichts anderes sehen wir hier in dem "Brandbrief": Da werden Einzelumstände (zugeschweißte Fenster) vermengt mit strukturellen Defiziten ("zu wenig Reinigungspersonal") und organisatorischen Überforderungen ("Lehrereinsatz") und das Ganze garniert mit einer öffentlichkeitswirksamen Lancierung dieses Pamphlets in den Medien. Wenn es um die Sache ginge, würde man wohl einen anderen Weg wählen.

Wieso so abschätzig? Mir liegt das Schreiben nicht vor, aber ich vermute, dass "Pamphlet" übers Ziel hinaus geschossen ist.

Aber was können wir von den Lehrern, bzw. in diesem Fall den Schulleitern anderes erwarten? In diesem System sind sie groß geworden und können gar nichts anderes als in ihren gewohnten Muster zu agieren. Selbst wenn individuelle Schulleiter (und davon gibt es Viele, ebenso wie von den motivierten und tüchtigen Lehrern) pragmatisch mit den Widrigkeiten umgehen und die Hindernisse überwinden wollen, gibt es halt immer noch einen Haufen von Agitatoren, die meinen, hier eine Auseinandersetzung führen zu müssen und das Thema aufzuladen.

Letzteren Gruppe verdankt die Lehrerschaft in Deutschland aus meiner Sicht zweierlei: Ein enorm starke Lobby und einhergehend unfassbar gute Arbeitsbedingungen. Volles Lob meinerseits für das Erreichen dieser Umstände. Zugleich erreicht diese Gruppierung diese Singulärinteressen zu Lasten der Allgemeinheit. Die absurd hohe Vergütung für Lehrer im Vergleich zu Richtern, die (in meinem Freundeskreis, wie überall sonst) laut beschrieene Arbeitsbelastung einhergehend mit geringer tatsächlicher zeitlicher Arbeitsbelastung, die sehr einfachen Zugangsmöglichkeiten zu dem Beruf machen Lehrer aus volkswirtschaftlicher Betrachtung zu einer Belastung des Staates, die durch die gebotene Qualität nicht aufgewogen wird. Was will ich sagen? Wer wie ein Topleistungsträger bezahlt werden will, sollte auch entsprechende Leistungen bringen. Und das tun Lehrer im Durchschnitt im internationalen Vergleich nicht. Jetzt kommt wieder das "Schwarze Peter"-Spiel: Das ist alles die Politik schuld. Ja, absolut. Die trägt etwas dazu bei. Aber wenn ein Spiel verloren geht, dann liegt es sehr viel häufiger an den Spielern als am Trainer.


Ab hier geht es dir ja dann nur noch um die Arbeitsbedingungen im Vergleich zu richtern. Dabei werden auch sämtliche Vorurteile in einen Topf geworfen und einmal kräftig umgerührt:
Keine Ahnung, was dein Blick auf die Welt ist, aber von "absurd hoch" kann ich selbst bei einem A13-Gehalt (Sekundarstufe II) nicht viel erkennen. Bei A12 (Primar- und Sekundarstufe) noch viel weniger. Es ist kein Hilfsarbeierjob, sondern einer der durch ein (in der Regelstudienzeit) fünfjähriges Masterstudium (früher Diplom) + Staatsexamen mitsamt nachfolgendem Referendariat + zweiter Staatsprüfung von 18 Monaten (früher 24 Monate) begründet wird. Das unterscheidet sich also erstmal nicht so deutlich von der Gruppe der Richter.
Wenn die Gruppe der Lehrer, die du kennst, tatsächlich häufig schon ab Mittags mit dir auf dem Tennisplatz steht, lass dir gesagt sein, dass die Gruppe, die das schafft sehr klein ist. Die Arbeitszeitstudie des Philologenverbandes spricht da eine andere Sprache.
Die Zugangsmöglichkeiten unterscheiden sich grundsätzlich auch erstmal nicht von denen eines Richters - es braucht eine Hochschulzugangsberechtigung, in der Regel erworben durch das Abitur.

Antwort zu lang, Teil 2 folgt in der nächsten Antwort.


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