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Neu auf schwatzgelb.de: Ein taktischer Blick auf den BVB: Stillstand (BVB)

koom, Mittwoch, 27.08.2025, 15:59 (vor 112 Tagen) @ Balin

Ich persönlich glaube, dass man, wenn man an Sahin festgehalten hätte, hier mit den notwendigen Kaderumbauten durchaus was vernünftiges hätte aufbauen können. (Und ja, Sahin hat einige Fehler gemacht, er hätte zB seinen Spielstil pragmatischer an das vorhandene Personal anpassen müssen). Aber die Zeit, etwas in Ruhe aufzubauen, gibt es beim BVB nicht. Sobald das Verpassen der CL droht, greifen die "branchenüblichen Mechanismen" ;-).

Das schreibt sich halt leicht, wenn man nicht der Verantwortliche ist für nen Halbmilliarden-Etat und Fans im 8stelligen Bereich einen bewerten. Hätte Sahin 2 Räder gehabt, wäre er vielleicht auch ein passables Fahrrad gewesen. Das, was unterm Strich nach etwas mehr als einer halben Saison raus kam, war wirklich nicht gut. Es fiel alles auseinander schlichtweg. Wohin der Weg geführt hätte, wenn man ihn hätte weitermachen lassen, ist unklar.

Zudem ereilt den BVB das gleiche Schicksal wie jeden größeren Traditionsklub, durch seine Größe ist er aufmerksamkeitsmäßig getrieben. Ein kontinuierliches Arbeiten wie in Freiburg ist halt nicht möglich, weil jeder Furz medial und fanmäßig aufgeblasen wird. (Fairerweise muss man sagen, dass man durch die große mediale Relevanz mehr Vor- als Nachteile hat.)

Freiburgs Fallhöhe ist sehr viel niedriger. Springt da am Saisonende Platz 14 raus, ist man zufrieden, weil es kein Crash war. Alles andere ist massiver Bonus. Der BVB hat zu viel Umsatz, zu viel Gehaltskosten, das alles unter CL-Teilnahme ein Defizitgeschäft wäre. Das ist die Stelle, wo man auch kritisieren kann und darf, ob da alles vernünftig aufgebaut wurde.

Aber zurück zum Kernsatz:

Kurzform: Der BVB ist gefangen in der Erwartungsklemme zwischen "CL ist Pflicht" und "Wir suchen seit 2015 nach unserer spielerischen und vereinsinternen Philosophie".

Das ist richtig und durchaus ein Kernproblem.

Aber mal anders: "spielerische Philosophie" ist halt immer so ne Sache. Am Ende geht es um Qualität und Erfolg. Die "Herangehensweise", wie man Erfolg haben will, muss belastbar sein. Wenn diese Herangehensweise heißt, dass ich Haaland oder Peak-Sancho den Ball gebe und das wars, dann ist das nicht belastbar. Das war aber relativ lange die "Philosophie" (also eigentlich keine).

Ob man jetzt über Ballbesitz, Gegenpressing, Catenaccio zum Erfolg kommt: Wir kriegen quasi jede Saison einen Beweis, das alles gehen kann, wenn es passt. Union Berlin kommt mit Catenaccio quasi in die CL, Bayern gewinnt sie mit wildem Gegenpressing beinahe usw. Am Ende zählt einfach, dass man sein Ding konsequent und gut macht.

Ich bin ja auch kein Fan von "Kovacball", aber im Zweifel schätze ich eine gut gemachte, trainierte, und stabil abgerufene Spielweise, die ich nicht mag, gegenüber einer Hätte-wenn-und-Aber-Spielweise von einem Trainer, der mir das nur im Interview vermittelt, aber nicht seinen Spielern und auf dem Platz.

Das Problem beim BVB war recht lange - vielleicht ist es auch noch so - das die sportliche Kompetenz beim Bewerten einer Trainer- und Mannschaftsleistung nicht so ausgeprägt ist. Ich will da keine Namensdiskussion führen und wer letztlich warum was entscheidet - das Ergebnis spricht da durchaus Bände.

Aber auch jenes Ergebnis: Eben jene sportliche "Kompetenz" bewerten rein nach Ergebnis. Sieg, Qualifikation, Erreichen von Punkt X. Wird der erreicht (CL-Finale! Beinahe-Meister! 2. Platz seit X Jahren immer!), dann wird der Vorgang nicht hinterfragt und bewertet. Klassischer Spruch dazu: Im Erfolg, selbst bei einem vermeintlichen, macht man die meisten Fehler.

Mit Kovac hat man einen handwerklich guten Trainer. Den Unterschied mussten selbst eingefleischte Kovac-Hasser anerkennen, auch wenn sie immer noch dastehen und wie der Artikelverfasser auf nen schwachen Moment lauern, wo sie es dann ja immer gewusst haben. Und Kovac lässt man jetzt auch nicht einfach machen, sondern baut Krisen, Skandale, Riesenkrach schon mal auf, um einen Abgang zu provozieren, damit dann der neue Heilsbringer (wer eigentlich) dann Milch und Honig wieder fließen lässt. So wie die anderen seit Jürgen Klopp.

Ich habe auch das Gefühl, dass die Fanbasis des BVB deutlich ungeduldiger als bspw. bei den Blauen ist. Im letzten Saisonspiel gegen Kiel gab es vor der Halbzeit deutlich wahrnehmbare Pfiffe. Man legt eine Wahnsinnsaufholjagd hin, führt 1:0 gegen 10 Kieler, hat noch eine ganze Halbzeit, um den Sack zuzumachen und einige im Stadion pfeifen, weil seit der 30. der Spielfluss etwas stockt. Das ist schon abenteuerlich.

Von aussen bewertet es sich immer schwer, kann mir vorstellen, dass es auch bei den Blauen nicht zimperlich zugeht. Aber da wandelt man auch nicht tief im Forum rum. Aber: Schalke ist auch mittlerweile etwas bescheidener geworden. Die Gefahr des Abstiegs war präsent, das ernüchtert durchaus. Und dann zerfällt auch so ein Traditionsklub. Wäre nicht der erste, wäre auch nicht der letzte.

Dem BVB fehlt das quasi. Der große ernüchternde Moment einst mit der unheilvollen Abstimmung war dann irgendwie doch zu wenig nah, zu wenig real. Der letzte beinahe-Abstieg in Klopps letztem Jahr wurde mit einem Husarenritt repariert. Der BVB ist too big to fail - was aber nicht stimmt. Er hat mehr Chancen als ein kleiner Klub, aber die Substanz für viele große Fehler ist jetzt auch nicht mehr da. Nur ist das dem Durchschnittsfan nicht bewusst, der immer noch Haalands und Sanchos in ihrem Peak als Neuverpflichtungen erwartet und als Messlatte sieht.


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