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Frankreich und Saarland - Parallelen (Corona)

Will Kane, Saarbrücken, Sonntag, 10.05.2020, 11:48 (vor 1440 Tagen) @ Kris

Das Beispiel aus Lyon ist sicherlich ein Extrembeispiel, wie man die Bewohner eines Heimes auch ohne Schutzmaterialien wie Masken und Handschuh schützen kann und erfordert ein Maß von Selbstaufopferung der Mitarbeiter, wie das von niemandem erwartet werden kann. Aber es zeigt, was möglich ist und vor allem möglich gewesen wäre.

Es erstaunt mich schon ein wenig und wundert mich andererseits auch wieder nicht, dass es niemanden so recht wirklich zu interessieren scheint, was da eigentlich geschehen ist. Weil die Heimbewohner nicht ‚systemrelevant‘ sind, ohnehin nicht die Aussicht auf ein langes restliches Leben hatten, ein großer Kostenfaktor sind oder man vor dem Elend am liebsten den Blick abwendet?

Immerhin hat man im Saarland insofern die Konsequenzen gezogen, dass die Heime (Bewohner und Personal) nun durchgetestet und keine weiteren Infektionen festgestellt wurden. Wie es nach den Lockerungen in der Besuchsregelung weiter geht, wird man sehen.

Wenn ich mich recht erinnere, war die Ansteckungsgefahr und -dichte in Alten- und Pflegeheimen von Anfang an (also seit ca. Mitte März) kein Thema in der Öffentlichkeit. Evtl. hatte man dies von offizieller Seite nicht auf dem Schirm, war überfordert oder man hat es ignoriert.
Die Infektionszahlen und in der Folge Todesfälle sind ja nicht gerade gering.
Obwohl das Gesundheitsmanagement hinsichtlich der Vermeidung von Neuinfektionen und Versorgung der Erkrankten meiner Meinung nach bis letzte Woche sehr gut war, darf man das Nicht-Verhalten der Verantwortlichen in dieser Angelegenheit durchaus hinterfragen. Bei einer besseren Vorsorge und Vermeidung einer COVID-Infektion wären wahrscheinlich viele der älteren Bewohner noch am Leben.

"Systemrelevanz" würde ich durch "Produktivität" oder "wirtschaftlichen Faktor" ersetzen. Der mangelnde Respekt vor der Lebensleistung der alten Menschen oder zumindest die Erkenntnis der Schutzbedürftigkeit der klapprigen Alten kommt mir hierzulande auch ohne Corona zu kurz.

Heime sind wie Massen- und Großunterkünfte grundsätzlich bezüglich Infektionen äußerst kritisch, das ist seit über 100 Jahren bekannt. Nur kann man in Gefängnissen z.B. einen Teil der Insassen vorzeitig entlassen, um die Situation von vorneherein etwas zu entschärfen. Oder in Flüchtlingsheimen Ältere und Jüngere räumlich trennen, in dem man eine Gruppe in ein anderes Gebäude verlegt. Dies ist hier im Saarland so geschehen, und in Frankreich im Übrigen ebenfalls. Bei Behindertenheimen sieht die Situation schon etwas anders aus. Allerdings war es hier so, dass zumindest ein Teil der Bewohner bei Angehörigen untergekommen sind. Bewohner von Alten-/Pflegeheimen sind jedoch sämtlich in ihrer Mobilität eingeschränkt und sehr viele sind bettlägerig. Selbst diejenigen, die noch einigermaßen mobil sind, sind auf Hilfe angewiesen und es besteht auch meistens gar keine Möglichkeit, dass sie bei Angehörigen unterkommen können.

Die Problematik war jedem von Anfang an bewusst. Nur hatte man noch nicht einmal ausreichend Schutzmaterialien für die Mitarbeiter in den Krankenhäusern, geschweige denn für die Mitarbeiter in den Alten-/Pflegeheimen. Und hier geht es um Atemschutzmasken, Einmalhandschuhe oder Desinfektionsmittel in ausreichender Menge, noch nicht einmal um Tests. Die wären allerdings dringend notwendig gewesen, denn die Mitarbeiter waren der neuralgische Punkt in der Infektionskette. Sicherlich auch Besucher, Lieferanten, Handwerker, etc. Nur konnten diese Gruppen recht einfach durch entsprechende Besuchs- und Betretungsverbote und einige simple Hygienemaßnahmen außen vorgehalten werden (auch wenn diese Maßnahmen durchweg zu spät erfolgten). Mitarbeiter müssen allerdings jeden Tag ein- und ausgehen. Und da hat man die knappen Testressourcen eher gestreut als konzentriert eingesetzt.

Vom Himmel gefallen ist die Situation in den Heimen nicht. Und es gibt hier auch keine Unterschiede zwischen privat oder öffentlich oder von gemeinnützigen Organisationen geführten Heimen. Und es ist auch keine Frage allein des Geldes bzw. der Geldzuweisungen. Es ist auch eine Frage des Mitteleinsatzes.

Alten-/Pflegeheime sind keine Krankenhäuser, für die Schutzmechanismen vorgesehen und selbstverständlich sind (auch wenn die Coronakrise diesbezüglich z.T. gravierende Defizite aufgezeigt hat). Aber in Heimen befinden sind fast durchweg kranke und gebrechliche Menschen, die weitgehend immobil, anfällig und ohne Hilfe schutzlos sind. Das war niemandem unbekannt.


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