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Vergleiche sind schwierig und Monokausalitäten rar (BVB)

Will Kane, Saarbrücken, Montag, 13.05.2019, 13:00 (vor 1829 Tagen) @ Sascha

Trotzdem ist das doch alles mehr als nur die Addition von Stärken und dann die Subtraktion von Schwächen. Der Kader von Eintracht Frankfurt hatte nämlich auch eher nicht die Möglichkeiten, nur einen Elfmeter vom Europapokalfinale entfernt zu enden. Auch unser 2011/12er Kader war nominell keiner, der 81 Punkte holt.

Da stimme ich zu. Wobei Vergleiche immer problematisch sind. Eingangsvoraussetzungen und Umstände sind immer unterschiedlich. Das macht Vergleiche kompliziert, eigentlich fast nicht darstellbar. Auch wenn der Fokus des Vergleichs auf einen ganz spezifischen Punkt gerichtet ist.

In der Saison 11/12 hatten wir einen Kader, der parallel zur Implementierung und Entwicklung einer neuen Spielweise über drei Spielzeiten angepasst wurde. Es war ein organisch gewachsener Kader, der in der Vorsaison Meister geworden war und nur einen wesentlichen Verlust zu verkraften hatte (Nuris Wechsel zu Real). Gündogan als anders veranlagter Spieler brauchte zwei Drittel der Saison, um zu der erhofften Verstärkung zu werden. Hinzu kam der Quasi-Ausfall Shinjis in der Hinrunde. Es kamen mehrere Gründe zusammen, warum das erste Saisondrittel mäßig verlief und es gab mehrere Gründe, warum wir ab dem zweiten Saisondrittel gnadenlos gepunktet haben. Einer davon war die Optimierung unseres Ballbesitzfußballes, ein anderer die Übernahme der Rolle des tiefen Spielmachers durch Hummels. Interessant im übrigen, dass Hummels und andere rückblickend darauf hingewiesen haben, dass man sich nicht zuletzt auf Initiative der Spieler hin nach dem verlorenen Spiel in Hannover mit dem Trainerteam zusammengesetzt und gründlich und ernsthaft über notwendige Veränderungen diskutiert habe. Und ganz offensichtlich zu den richtigen Schlüssen gekommen ist.

Wenn ich nun jeweils den heutigen und damaligen Kader inkl. seiner Struktur und individuellen Bestückung, die aktuelle Situation und die Entwicklung über die drei vorhergehenden drei Spielzeiten hinweg vergleiche (bei aller diesbezüglichen Schwierigkeit), dann komme ich persönlich zu dem Schluss, dass die Unterschiede in jeglicher Hinsicht so groß sind, dass die damalige Saison keine Referenz für die aktuelle Saison sein kann.

Wir haben keinen organisch gewachsenen Kader, sondern einen in Teilen vor allem auf Schlüsselpositionen neu zusammengestellten. Dieser Kaderumbruch ist noch nicht abgeschlossen, es sind nach wie vor Defizite auf bestimmten Positionen vorhanden, es fehlen auf diversen Positionen zudem geeignete backups und einige ‚Altlasten‘ erleichtern die Situation auch nicht unbedingt. In den letzten drei Jahren haben wir nicht einen, sondern drei Trainer gehabt. Tuchel hatte in seiner ersten Saison aufbauend auf der jahrelangen Arbeit Klopps die besten Voraussetzungen, seine Vorstellungen von Fußball schrittweise umzusetzen. Was ihm auch gelungen ist. Unabhängig von den internen Querelen zwischen ihm und anderen Verantwortlichen im Club wurde ihm der nächste Entwicklungsschritt fast schon verweigert, weil gleich drei Schlüsselspieler der Mannschaft den Club verließen und der neuverpflichtete Ersatz diese Spieler eben nicht ersetzen konnte. Es ging dann auch nicht mehr um die weitere Entwicklung des Teams, sondern nur noch darum, sich am Ende für die CL zu qualifizieren. Der Pokalsieg sollte nicht darüber hinweg täuschen, dass wir das Ziel der Qualifikation für die CL nur mit einigem Glück erreicht haben. Und was die letzte Saison anbelangt, so schweigt da eher des Sängers Höflichkeit. Die Mannschaft hatte nicht nur die Folgen eines Mordanschlages zu verkraften, es zeigte sich auch deutlich, dass der Kader nicht nur für den Fußball à la Bosz unpassend zusammengesetzt war, sondern dass auch generell vieles nicht stimmte. Der Absturz nach anfänglichem Höhenflug lag mMn nicht allein an der Sturheit von Bosz, keine Anpassungen seiner präferierten Spielweise zuzulassen (die es sogar gab), sondern auch an einem zerstrittenen und in Teilen eher unwilligen Kader. Die Mannschaft befand sich im freien Fall und ich persönlich schätze die Arbeit von Peter Stöger als ‚Nothelfer‘ nach wie vor sehr, dieses Gebilde einigermaßen zu stabilisieren und mit Ach und Krach und sehr viel Glück noch zum Saisonminimalziel der CL-Qualifikation geführt zu haben.

Favre hat also alles andere als einen organisch gewachsenen Kader übernommen, musste bei der Implementierung seiner Vorstellungen von Fußball auf diversen Schlüsselpositionen neue Spieler integrieren. Die Mannschaft hatte nicht das Selbstbewusstsein eines Teams, das in der Vorsaison Meister geworden war und es fehlt auch an einem ganz bestimmten Spielertyp. Reus ist sichtlich in seiner Persönlichkeit gereift, auch in seiner Rolle als Spielführer. Wie Witsel besitzt er eine hohe Spielintelligenz und ist wie dieser in dieser Mannschaft nicht zu ersetzen. Beide sind nach meinem Eindruck aber keine Spieler, die ‚wie ein Trainer denken’ können. Hummels konnte dies und nicht zuletzt ihm war es zu verdanken, dass es in der Saison 11/12 zu der entscheidenden spielerischen Wende kam. Hummels hat nach seinem Wechsel zu Bayern aufgrund diverser Umstände zurecht oder zu unrecht Zorn, Häme und Spott vieler BVB-Fans auf sich gezogen. Aber man sollte nicht den Fehler machen, seine Bedeutung für unsere damalige Mannschaft und ihre Erfolge zu unterschätzen. So ein Spielertyp fehlt im aktuellen Kader.

Im übrigen ist es bei der SGE so, dass Hütter bei seiner Amtsübernahme auf die überaus erfolgreiche Arbeit seines Vorgängers aufbauen konnte. Kovac hat die Mannschaft nach der Rettung vor dem Abstieg über zwei Spielzeiten hinweg kontinuierlich weiterentwickelt. Zwar mit einem eher defensiven Spielansatz, aber mit einem klaren Plan und einer klaren Struktur. Trotz diverser personeller Wechsel ist die Mannschaft insgesamt unter ihm gereift und deutlich stabiler geworden. Gab es in seiner ersten vollständigen Saison noch eine große Diskrepanz zwischen den Leistungen und Ergebnissen in Hin- und Rückrunde, so war dies in seiner zweiten Saison bereits wesentlich ausgeglichener. Und der Pokalsieg wird auch einiges an Selbstbewusstsein gebracht haben. Ob Hütter zum jetzigen Zeitpunkt noch Trainer der SGE wäre, wenn er nach einer wenig erbaulichen Vorbereitungsphase und einem eher misslungenen Saisonstart nicht auf mehr als nur sanften Druck aus der Mannschaft und seitens der Clubverantwortlichen wieder zumindest in Teilen zu den unter Kovac implementierten Defensivabläufen zurückgekehrt wäre, bezweifle ich. Hütters Vorstellungen von Fußball sind nicht der Schlüssel für den Erfolg der SGE in dieser Saison. Sondern dass er diese Vorstellungen zurücknehmen und anpassen musste. Der Mix macht‘s halt auch hier. Oder: Ohne Kovac kein Erfolg von Hütter. Ob es auch heißen kann ‚Ohne Tuchel/Bosz/Stöger kein Erfolg von Favre‘ wage ich allerdings sehr stark zu bezweifeln. Daraus wird doch mMn eher ein Schuh, wenn man ‚ohne‘ durch ‚trotz‘ ersetzt.

Es spielt doch beides zusammen. Eine qualitative Ausstattung, die die 42 Punkte aus der Hinrunde tendenziell als mehr als normal möglich ausweisen, aber auch eine mentale Schwäche im letzten Saisondrittel, in dem man in einigen Spielen sehr, sehr wackelige Knie gezeigt hat.

Ich persönlich gehe nicht davon aus, dass es die ‚mentale Schwäche‘ allein war/ist, die zu den Unsicherheiten im letzten Saisondrittel geführt haben. Nur sehr selten hat man es mit Monokausalität zu tun, wenn es um die Frage geht, warum etwas passiert ist. Unsere Mannschaft ist mMn ein sehr instabiles Gebilde, bei dem Ausschläge nach oben und unten zu erwarten waren/sind.


Dass Favre auf diesem Gebiet jetzt vorsichtig gesagt nicht gerade große Stärken hat, ist ja nun auch keine ehrenrührige Aussage, sondern eine ziemlich realistische.

Das wird so sein aus meiner Sicht. Allerdings sollten wir nicht den Fehler begehen, uns auf diesen Faktor als den einzigen bzw. den Hauptgrund für die schwächere Rückrunde zu fokussieren. Wobei ich mich da selbst durchaus mit einbeziehe.


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