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Neu auf schwatzgelb.de: ?Zwischen Helden und Versagern (BVB)

Will Kane, Biosphärenreservat Bliesgau, Mittwoch, 25.04.2018, 17:49 (vor 2797 Tagen) @ Knüppler17


In den langen Jahren meines Lebens als BVB-Anhänger habe auch ich viele, sehr viele Mannschaften und Spielzeiten erlebt. Die einen waren sportlich überragend, mit sensationellen Einzelkönnern und Mannschaftsspielern - von Sammer und Chapuisat über Amoroso und Rosicky bis zu Koller und Aubameyang könnte man da endlos viele Namen aufzählen. Genauso gut kann man aber auch die Zwischenjahre nehmen, mit den Bergdölmos, Warmuz' oder Buckleys, die sich bei uns verdingten. Manche hochkarätig besetzten Mannschaften verkauften sich weit unter Wert (z.B. 2000, 2003), hier war sicher von Peinlichkeit zu sprechen. Die Mannschaften von 2005 bis 2009 konnten es im Zweifel nicht besser, weil ihnen die sportliche Qualität fehlte.

In 4 Tagen steht ein Jubiläum der traurigen Art an:

Am 29.04.1978 fand der 34. und damit letzte Spieltag der Fußballbundesligasaison 1977/78 statt. Die damalige Mannschaft des BVB spielte seinerzeit eine höchst unrühmliche Rolle. Und das hatte sehr, sehr viel mit dem zu tun, was hier und an anderer Stelle als ‚Einstellung‘ diskutiert wird. Sowohl der 1. FC Köln, als auch Borussia Mönchengladbach konnten noch Meister werden. Beide waren vor diesem letzten Spieltag punktgleich, Köln hatte allerdings die um 10 Tore bessere Tordifferenz. Die Meisterschaftschancen der Gladbacher waren demnach sehr gering, zumal die Kölner beim als bereits als Absteiger feststehenden FC St. Pauli antraten, dem Team mit den in dieser Saison meisten Gegentoren. BMG hatte ein Heimspiel gegen den BVB, das wegen des Umbaus des Bökelbergstadions im Düsseldorfer Rheinstadion ausgetragen wurde. Der BVB hatte auch in seiner zweiten Saison nach dem Wiederaufstieg die Klasse gehalten. Sichergestellt wurde der Ligaerhalt witzigerweise am 31. Spieltag ausgerechnet durch einen Derbysieg (0:2 in Gelsenkirchen).

Für den BVB ging es in diesem Spiel also um nichts mehr. Außer darum, in der Entscheidung um die Meisterschaft fair und mit einer professionellen Einstellung(!) zu agieren. Warum ich (und ein paar andere Kumpel) an diesem Tag nach Düsseldorf gefahren bin, um dieses Spiel zu sehen, habe ich mich bis heute immer wieder einmal gefragt. Sicherlich auch, weil im Anschluss ein Zug durch die Düsseldorfer Altstadt angesagt war, wo wir mit einigen Mädels verabredet waren. Daraus wurde der wohl schlimmste ‚Nach-dem-Spiel-Frust‘, den ich mit dem BVB erlebt habe. Daran konnten weder das (viel zu viele) Altbier, noch die Mädels etwas ändern. Ich war einfach nur am Boden, zutiefst enttäuscht. Andere weinten wie die Schlosshunde oder waren wütend. Am schlimmsten waren die Äußerungen anderer, denen man im Grunde nichts entgegenzusetzen hatte. Und schön waren diese Äußerungen bestimmt nicht. Nur ein paar Jahre nach dem verheerenden Bundesligaskandal, bei dem der BVB als einer der wenigen Clubs eine reine Weste behielt, müsste man sich Vorwürfe wie ‚gekauft‘ oder ‚verschoben‘ anhören, und das waren noch die freundlichsten Worte.

Das Spielergebnis dieses Matches ist bekannt: 12:0. Bis heute die höchste Niederlage eines Clubs in der Bundesliga. Von der ersten bis zur letzten Minute keinerlei Gegenwehr unserer Mannschaft. Von ‚Einstellung‘ konnte man nicht sprechen, weil sie schlicht nicht zu erkennen war. Man hat sich einfach ‚abschlachten‘ lassen. Zur Halbzeit stand es 6:0, in Hamburg 0:1. Den Gladbachern fehlten zu diesem Zeitpunkt lediglich noch 3 Tore zur Meisterschaft. Die Kölner müssen vor Wut ausgerastet sein. Am Ende stand es dort 0:5 und es blieb beim 3-Tore-Vorsprung und Köln wurde Meister.

Für den BVB war dies ein Tag der Schande. Die Hauptschuldigen waren vom Vorstand schnell ausgemacht: (Ersatz-)Torhüter Peter Endrulat und Trainer Otto Rehhagel. Rehhagel wurde bereits am darauffolgenden Tag entlassen, für Endrulat war dies das Ende seiner Karriere im Profifußball. Dabei hatte Rehhagel zwei Jahre lang ordentliche Arbeit geleistet und Endrulat war beileibe nicht an der Vielzahl der Gegentore (allein) schuld. Rehhagel hatte ihm in der Halbzeitpause angeboten, ihn auszuwechseln. Was Endrulat aber ablehnte, weil er sich nicht der Verantwortung entziehen wollte. Das wollten aber ganz offensichtlich die Feldspieler, die Rehhagel einwechseln wollte. Die lehnten nämlich durchweg eine Einwechslung ab und ließen den Trainer somit genauso im Stich wie die Spieler auf dem Platz. Die Spieler kamen mit einer Geldstrafe von DM 2.000 davon, die der Verein ihnen auferlegte.

Ein Vergleich mit heute ist sicherlich aus vielerlei Gründen schwierig, weil viele Umstände anders waren bzw. sind. Dennoch ist dieses Spiel für mich ‚bench mark‘ geblieben, wenn es um das Thema ‚fehlende Einstellung‘ geht. Und so etwas sehe ich in dieser Saison, die ja auch spezielle ist, eben nicht.


Und in dieser Saison ist die Einstellung der Spieler selbstverständlich in Frage zu stellen, wie z.B. Roman Weidenfeller in einem Interview recht klar machte. Viel zu viele Einzelinteressen, statt sich in den Dienst der Mannschaft zu stellen. Keiner durchgehend auf dem höchsten Leistungsniveau, das mit den höchsten Gehältern aller Zeiten zu erwarten gewesen wäre. Aber auch viel zu viele Ablenkungen und Nebenkriegsschauplätze, die eine konsequente Arbeit verhinderten.

Meine Sicht der Dinge habe ich als persönliche Einschätzung/Meinung kenntlich gemacht. Ich stehe dazu, schließe aber damit nicht aus, dass ich irren kann. Einen solchen Absolutheitsanspruch erhebe ich nicht, den ich bei Dir zu erkennen glaube.

Ob das ‚höchste Gehaltsniveau aller Zeiten‘ ein ‚durchgehend höchstes Leistungsniveau‘ unbedingt erwarten lässt, weiß ich nicht. Es gibt Faktoren, die Einfluss haben und die mit dem Gehaltsniveau nichts zu tun haben. Dass es viele, wahrscheinlich zuviele „Ablenkungen und Nebenkriegsschauplätze“ gegeben hat und gibt, wird wahrscheinlich so sein. Auch dass die „Einzelinteressen“ eine ungute Rolle gespielt haben.


Und das waren eben viel mehr Dinge, als "nur" die Nachwirkungen des Anschlags: Wir hatten diese Saison zwei Top-Spieler, die sich aus ihren Verträgen herausekelten.

Dass es sich um ein Konglomerat vieler Faktoren handelt, habe ich ja als Meinung so vertreten. Diese 2 Topspieler waren allerdings beim Derby nicht auf dem Platz, da sie nicht mehr zur Mannschaft gehören. Dass ihr Negativbeispiel einer dieser Faktoren ist, schließe ich ebenfalls nicht aus.

Dass der Anschlag allerdings als Faktor erheblich unterschätzt wird, glaube ich nach wie vor. Ebenso, dass die Naxhwirkungen einer der Haupt-, wenn nicht der Hauptfaktor ist. Ich kann dies nicht beweisen, aber die Aussagen der Spieler, auch heute wieder, machen mich da immer wieder nachdenklich. Und so lange ich nicht ausschließen kann, dass die Auswirkungen des Anschlags die Leistungen in dieser Saison maßgeblich beeinflusst haben und immer noch beeinflussen, halte ich die Kritik an ‚mangelnder Einstellung‘ zumindest für fragwürdig. Diese Meinung muss niemand teilen, nachdenkenswert finde ich sie schon.


Das Kloppsche Mantra "Nicht der ballverlierende Spieler ist Schuld, sondern der Mitspieler, der den Zweikampf nicht absichert" ist völlig in Vergessenheit geraten. Hätte Klopp Schmelzer nach dem Derby öffentlich aus der Schusslinie genommen und Sokratis auf seinen eigenen (mindestens ebenso schwerwiegenden) Bock vor dem 0:1 hingewiesen, sah Sokratis diese Woche kalt lächelnd dabei zu, wie der Kapitän in einem Schauprozess rasiert und auf die Tribüne verbannt wurde.

Es waren auch Spieler, die Schmelzers Stockfehler hätten ausbügeln können, sich aber eher passiv verhalten habe. Z.B. Sahin, für den sich Schmelzer sich so sehr ins Zeug gelegt hatte. Das mag jetzt etwas polemisch sein. Deine Worte von ‚‚kalt lächelnd‘ sind in meinen Augen aber eine Behauptung die sich schwerlich untermauern lässt. Was wie i gern in dieser causa genau abgelaufen ist, weiß außer den Beteiligten niemand.


Wohlgemerkt in der gleichen Woche, in der Sokratis einen Poker um eine Vertragsverlängerung eröffnete. Als Spieler, der seit Jahren immer mehr Einfluss in der Mannschaft haben und im Mannschaftsrat als Stabilitätsanker gerade auch in Einstellungsfragen dienen sollte. All das hat nichts mit dem Anschlag zu tun.

Du vermutest bei Sokratis hier etwas, das aus meiner Sicht nicht zu belegen ist.


Wenn überhaupt wäre hier zu hinterfragen, ob man einen Spieler wie Schmelzer, der damals tatsächlich im Bus saß, schwere Entscheidungen zu treffen hatte und bis heute sichtlich unter den Folgen leidet, so übel hätte rasieren und mit entsprechenden Kommentaren z.B. seitens der sportlichen Leitung hätte prügeln dürfen. Diese Frage wird hier aber so ziemlich gar nicht gestellt, was mich durchaus daran zweifeln lässt, wie hoch die Moral tatsächlich hängt, die manch einer hier so vor sich herträgt.

Was den Umgang mir Schmelzer anbelangt, so gebe ich Dir recht.

Ich weiß nicht, wen Du damit meinst, wenn Du von ‚manch einem‘ sprichst, der „die Moral“ vor sich her trage. Solltest Du mich meinen, dann solltest Du mir auch nur einen einzigen Satz zeigen, in dem ich mich unfair oder undifferenziert zu Schmelzer geäußert hätte. Das schließt durchaus Kritik mit ein, die auch ich an ihm übe. Die bezieht sich in erster Linie auf sein TV-Statement nach dem Pokalfinale. Seine sportlichen Leistungen habe ich hier immer differenziert betrachtet. Dass ich den Eindruck habe, dass er über seinen sportlichen Zenit hinaus sei und zudem verletzungsanfälliger geworden ist, ist aus meiner Sicht keine reine Behauptung. Und ich habe hier auch die Vermutung geäußert, er könne mir dem Amt des Spielführers eventuell überfordert sein. Damit mag ich nicht richtig liegen. Ein Vorwurf an Schmelzer ist es keinesfalls.


Das 4:4 im Hinspiel-Derby entstand nicht aus Versagensangst, sondern aus einer Larifari-Einstellung. Jeder wusste, dass man das Spiel haushoch gewinnen würde, das 5:0, 6:0 oder 7:0 würde ja irgendwann schon fallen. Aubameyang nahm es ja auch sehr locker, das sichere 5:0 verpasst zu haben. Der Umgang mit den eigenen Chancen war verschwenderisch und ein paar Gänge wurde runtergeschaltet. Die Versagensangst entstand erst in den letzten 10 Minuten, als der Schalter eben nicht mehr umzulegen war und die Spieler realisierten, dass bei 2 weiteren Minuten auch das 4:5 noch fallen würde. Erst hier waren wir in der self-fulfilling prophecy.

Meine Aussage hinsichtlich der Versagensangst ist eine Einschätzung, die sich bei mir mit dem ersten Tor der Gelsenkirchener ergeben hat. Tedesco hatte schon vor der Pause umgestellt und es war mMn trotz der Chance von Aubameyang zu erkennen, dass unsere Mannschaft zunehmend Probleme mit diesen Umstellungen bekam. Und mit dem ersten Gegentor schienen unsere Spieler aus meiner Sicht wie paralysiert, so wie dass Kaninchen vor der Schlange. Eine Persönliche Einschätzung, die ich als solche hätte besser Kennzeichen sollen. Deine Einsvhätzumg ist allerdings mMn auch nicht mehr als eine Vermutung.


Ansonsten finde ich es spannend, wie oft hier Verweise auf die letzte Saison unter Klopp zu lesen waren, mit der Niederlage in Bremen und dem 17. Platz zur Winterpause oder dem 19. Spieltag auf Platz 18 der Tabelle. Denn hier nahm die ganze Larifari-Einstellung, die in dieser Saison zu sehen ist und auch unter Tuchel schon zu sehen war, ihren Ursprung. In dieser Saison 2014/15 erkannte unsere Mannschaft, dass sie Anfang Februar noch auf dem letzten Tabellenplatz stehen kann, mit einem halbwegs passablen Schlussspurt aber noch in den Europapokal kommen würde. Am Saisonende fehlten tatsächlich nur 3 Punkte bis Platz 5, das Torverhältnis war ja ohnehin besser als das der Leverkusener. Seither ist tief in den Köpfen unserer Spieler verankert: Wir können spielen, wie wir wollen - am Ende wird es schon irgendwie reichen.

Ich habe hier meiner Erinnerung nach nicht auf besagte Saison verwiesen und ich würde einen solchen Vergleich auch nicht ziehen. Auch, aber nicht nur wegen der Anschlagsfolgen. Ob das so ist, wie Du es schilderst, weiß ich nicht. Darüber könnte man lange diskutieren; letztlich bewegen wir uns auch hier auf der Basis von Spekulationen.


Genau diese Einstellung kritisiere ich schon seit langem. Und genau diese Einstellung sehen auch die Fans, die am Samstag so wütend waren. Dass es eben nicht Unvermögen oder die Nachwirkungen eines Anschlags sind, die zu miesen Leistungen führten, sondern der gleiche Schlendrian, der 2014/15 und 2016/17 vorherrschte. Mit zu vielen Spielern, für die die Saison ernsthaft erst im Januar oder Februar beginnt oder die sich im Geiste schon bei der WM oder einem neuen Verein befinden.

Ob das so ist, weiß ich nicht. Es ist ist Deine Sicht der Dinge. Es waren aus meiner Sicht durchaus viele Faktoren, das habe ich auch erwähnt. Aber solange ich nicht ausschließen kann, dass die Auswirkungen des Anschlags eine gravierende Rolle dabei spielen, halte ich eine gewisse Zurückhaltung bei der Ausübung von Kritik angemessen.


Es gab keinen, der am Samstag "Scheiß Millionäre" rief. Von den Spielern auf dem Platz, die den Anschlag tatsächlich miterlebt hatten, wurde Sven Bender nach Spielende mit Unterstützung geradezu überschüttet. Genauso wie Marc Bartra wenige Wochen zuvor. Weil die Fans sehr wohl ein Gespür dafür hatten, wie stark dieser Anschlag als Zäsur wirkte und wie wichtig Unterstützung an dieser Stelle war. Wohingegen Trainer, sportliche Leitung und viele, viele Fans in diesem Forum, bei Facebook oder Twitter gar nicht genug davon bekommen konnten, auf Schmelzer einzuhacken und nachzutreten. Jegliche Kritik am Samstag, auch die über die Grenzen der Geschmacklosigkeit hinausgehende, bezog sich auf die Einstellung der Mannschaft.

Das „Scheiß Millionäre“ gerufen wurde, habe ich auch nicht behauptet. Es ging mir darum, dass mit einen hohen Verdienst auch die Erwartung an die Leistung. Was Du ja weiter oben in Deinem post ja durchaus selbst tust.

Die Gesten an Sven Bender und früher schon an Marc Bertra fand ich auch sehr bemerkenswert. Ich habe hier und auch woanders nicht auf Schmelzer ‚eingehackt‘ oder ‚nachgetreten‘. Dazu habe ich weiter oben bereits etwas gesagt.

Und was die Kritik nach dem Spiel an der ‚Einstellung‘ der Mannschaft anbelangt, bleibe ich dabei: Solange ich nicht weiß, wie stark die Auswirkungen des Anschlags die Leistungen des Teams beeinflussen, halte ich es für besser, sich mit Kritik zurückzuhalten.


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