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Gegenrede (Sonstiges)

Liberogrande, Mittwoch, 22.07.2020, 14:44 (vor 1385 Tagen) @ Kalkzilla

Sehe ich alles ziemlich anders. Für mich ist das Spiel wirklich packend erzählt.

Zu Joels Verhalten: sowas wird bei Geschichten ja häufiger kritisiert, dass Charaktere sich unrealistisch, weil "dumm" entscheiden. Unrealistisch wäre es aber eher, wenn Charaktere immer die aus rationaler Außenperspektive beste Entscheidung treffen, selbst in Extremsituationen.

Abbys Motive sind genauso nachvollziehbar oder nicht nachvollziehbar wie Ellies. Moralische Ambivalenz der Hauptfiguren war schon im ersten Teil ein Hauptmotiv und setzt sich hier fort. Und natürlich musste auch Abby mit den Konsequenzen ihrer Rachemission auseinandersetzen. Das zeigt schon ihr Konflikt mit Owens schwangerer Freundin. Letztlich ist sie einen Schritt weiter als Ellie und des Kampfes müde. Sich um Lev zu kümmern, gibt ihr einen neuen Sinn im Leben und so löst sie sich anders als Ellie von der Vergangenheit. Und natürlich stellt sie sich gegen ihre "Freunde" (die sie längst verstoßen haben), während diese ein Massaker, fast schon einen Genozid, anrichten. Der erste Kampf mit Ellie ist aus meiner Sicht großartig und mutig, gerade weil man als Spieler nicht gewinnen will und zu diesem Zeitpunkt eigentlich überhaupt keinen Kampf zwischen den beiden Hauptfiguren mehr möchte. Solche widersprüchlichen Gefühle rufen Spiele äußert selten hervor.

Auch das Ende ist stark. Zwei völlig abgekämpfte und gebrochene Charaktere führen einen Kampf, dessen Sinnlosigkeit jeder außer Ellie erkennt, die immer noch verzweifelt versucht, ihren Verlust und ihre Schuldgefühle durch ihre Rachemission zu bewältigen. Am Ende erkennt sie auch die Sinnlosigkeit ihres Rachewahns und tötet ihre besiegte und wehrlose Feindin nicht, sondern lässt Abby und Lev (deren Beziehung Joels und Ellies im ersten Teil spiegeln soll) ziehen. Dass am Ende ihre menschliche Seite sieht, finde ich durchaus nachvollziehbar und dem Charakter entsprechend.

Ich glaube die Kritik entspringt zwei Quellen. Viele Gamer sind reaktionär und haben ein Problem mit der Repräsentation von queeren Hauptfiguren und den politischen Untertönen (was ich dir explizit nicht unterstelle). Andere haben ein Problem damit, dass mit Joel die Hauptfigur aus dem ersten Teil stirbt und die im ersten Teil unschuldige Ellie sich moralisch teilweise äußerst Zweifelhaft verhält. Das kann ich zwar irgendwo verstehen, aber ergibt für mich in der gnadenlosen Welt des Spiels Sinn. Und es ist die richtige Entscheidung, sich vom ersten Teil zu lösen und eine eigene Geschichte zu erzählen. Das Ganze nimmt dann eine gewisse Eigendynamik an, sodass die Leute ganz genau nach vermeintlichen Schwachpunkten in der Story suchen und einen extrem strengen Maßstab ansetzen. Das Problem mit dem hohen Bodycount etwa hast du in fast jedem Actionspiel. Was ist Nathan Drake nach dem Maßstab etwa bitte für ein kranker Massenmörder? Seltsamerweise werden bei anderen Spielen aber selten so strenge Maßstäbe angesetzt. Am Ende ist das Spiel natürlich schwer verdaulich und teilweise musste ich auch pausieren, weil ich bestimmte Szenen sehr krass fand oder scheinbar unvermeidbare Konsequenzen nicht herbeiführen wollte. Aber gerade durch diese Emotionen sticht das Spiel erzählerisch weit aus der Masse von Spielen heraus, die immer dieselben Gut/Böse Storys mit flachen Charakteren erzählen.


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