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Ex NATO-Strategin Stefanie Babst hält den Umgang von NATO und Europäischer Union mit Russland für hochgefährlich. (Politik)

FourrierTrans, Dortmund, Donnerstag, 25.04.2024, 20:15 (vor 13 Tagen) @ istar
bearbeitet von FourrierTrans, Donnerstag, 25.04.2024, 20:21

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Die allerwenigsten haben schon mal auf dem "Feld der Ehre" gedient, mit Mutmaßungen, wer wann wie reagiert und von wo aus sollte man also vorsichtig sein.

Viele Dinge in diesem Interview sind wohl richtig, einige davon aber fachlich völlig unzureichend oder sogar fehlerhaft. Um mal die vier eklatantesten Fehler rauszupicken.

1. Sicherheitspolitik oder Verteidigungspolitik sind keine losgelösten oder autonomen Faktoren. Sie gehen einher mit einer ganzheitlich zu betrachtenden Geopolitik. Und da muss man in aller Deutlichkeit festhalten, dass Europa und insbesondere Berlin, nach dem Tode von de Gaulle und Adenauer ein zu 100% auf US-amerikanische Interessen ausgerichtetes Europa geworden ist. In jeder elementaren Frage bedarf es eines "alignments" mit Washington. Das ist auch heute noch so und es ist vermutlich sogar teilweise noch stärker, als vor 30 Jahren. Es gibt ganz klare Indizien dafür, dass Washington die Russen
a) in einem langfristigen Abnutzungskrieg gebunden sehen will
b) gelegentlich größte Sorgen vor dem Einsatz taktischer Nuklearwaffen Russlands hatte, z.B.

im Oktober 2022 und dem sogenannten "russischen Dünkirchen" (geklaut von Oberst Reisner). Hier standen 30.000 russische Soldaten mit dem Rücken zum Dnepr, vor ihnen eine sich in der Offensive befindende ukrainische Armee. Die Lage der russischen Verbände war völlig aussichtslos, die verbliebenen drei "rettenden" Brücken über den Fluss standen unter Dauerbeschuss von HIMARs und dementsprechend kurz vor ihrer Zerstörung. Von jetzt auf gleich kommt es dann zu einer Situation, in der das Feuer der HIMARs von ukrainischer Seite eingestellt wird, die Bodentruppen ihr Tempo verringern, und 30.000 russische Soldaten incl. 2.500 Fahrzeugen seelenruhig in der denkbar exponiersteten aller Lagen über den Fluss zurückweichen. In genau dieser Lage war die große Sorge im Weißen Haus, was passieren würde, wenn man die Russen hier vernichtend schlagen würde, Putin den Brückenkopf Cherson verliert und somit ein ganz eindeutiges Momentum schaffen könnte, dass dann nicht nur das Hinterland von Cherson, sondern auch die Krim fiele (stattdessen versucht man lieber weiter die Strategie "boiling the frog", also den Russen langsam im Kochtopf verbrennen lassen). Eindeutig gab es hier Absprachen zwischen der US-Regierung und Kiew, um diese Situation nicht entstehen zu lassen. Putin hatte hier den Finger schon auf dem Knopf, laut NYT, und gebremst hat das Weiße Haus, nicht die NATO oder Europa.


Laut eigener Erzählung hat Putin ständig den Finger auf dem Knopf. Das würde China aber gar nicht gut finden und ohne das zumindest inoffizielle okay aus Peking würde Putin das nicht machen. Sollte der Plan tatsächlich gewesen sein, die russische Armee langsam ausbluten zu lassen, dann ist das jedenfalls gründlich schief gegangen, dank weiterhin guter Ölgeschäfte und der Umstellung auf Kriegswirtschaft,zumindest, was Masse angeht.

Wovon ich sprach, ist die Erzählung der NYT, es gibt auch relevante Aussagen von US-Sicherheitsberatern dazu.

2. Die Aufgaben der NATO und der Zweck scheinen ihr nicht klar zu sein. Sie sagt, "Die NATO will nicht Kriegspartei werden, sie ist zu ängstlich, um mit der Ukraine Beitrittsgespräche zu beginnen, und sie kann nicht sagen, wie sie Sicherheit jenseits des NATO-Territoriums in Europa wieder herstellen will."
Es liegt überhaupt nicht im Scope der NATO, Sicherheit jenseits des NATO-Territoriums zu gewährleisten oder wiederherzustellen, sondern als Verteidigungsbündnis geschlossen und unverzüglich zu reagieren, sollte ein ausländischer Aggressor das Staatsgebiet eines Bündnismitglieds attackieren. Dass die Ukraine nicht dazuzählt, ist äußerst bitter für die Ukraine. Man kann sich auch die Frage stellen, ob es ein strategischer Fehler war, sie nicht vor Jahren schon aufgenommen zu haben. Seriös beantworten kann das im Nachgang niemand mehr, denn für jeden russischen Präsidenten ist eine Ukraine außerhalb des eigenen Einflussbereichs der Super-GAU und eine Eskalation wäre da auch vor Jahren im Zuge dessen durchaus denkbar gewesen.


Wenn es nicht im Scope der Nato liegt, warum wird die Ukraine dann überhaupt unterstützt? Weil man den Angriff Russlands als Bedrohung betrachtet, besonders in Teilen Osteuropas,weil man schon davon sprechen kann, in einem hybriden Krieg zu sein, mit dem Ziel Russlands, die europäischen Demokratien zu destabilisieren.

Weil es primär amerikanischen Interessen dient. Die NATO als solche hat damit gar nichts zu tun, zumindest nicht unmittelbar, weil sie ein Verteidigungsbündnis ist und kein NATO-Land angegriffen wird. Man kann das höchstens als "frontloading"-Maßnahme betrachten.

3. Mehrfach spricht sie von einer mangelnden Abschreckung für Putin, aufgrund des aus ihrer Sicht zu geringen Engagements in der Ukraine. Das eine hat mit dem anderen rein gar nichts zu tun. Selbstverständlich weiß Putin, dass die Hölle losbricht, sollte er auch nur einen Fuß nach Polen setzen oder sollte auch nur ein Schuss in Litauen fallen. Alles, was hier passiert, dass die Ukraine seit zwei Jahren in der Lage ist, den Russen in Schach zu halten, passiert außerhalb des NATO-Gebiets und ist für sich alleine genommen schon ein außerordentlich fettes Ausrufezeichen, zu was die NATO mit angezogener Handbremse in der Lage ist. Führungskräfte der chinesischen Volkspartei, die offenbar eine solidere Ausbildung in Sicherheitspolitik genossen haben als die Autorin, lachen sich zunehmend schlapp über Putins jämmerliche Versuche, die Ukraine zu erorbern, ohne dass ihm auch nur ein NATO(US)-Soldat gegenübersteht.


Mangelnde Abschreckung und zu geringes Engagement haben nichts miteinander zu tun?
Zuerst mal sagt sie, die ständig selbstauferlegten roten Linien verringern die Abschreckung, zurecht natürlich, und dann würde ein konsequentes Engagement aller Europäer auch eine deutliche Wirkung nicht nur militärisch haben,sondern auch moralisch.
Andersrum wäre es moralisch ein Desaster,würde Russland den Krieg gewinnen.

Ja, weil die NATO nicht angegriffen wird, deswegen läuft alles mit angezogener Handbremse. So doof ist Putin ja jetzt nicht, dass er das nicht weiß. Wenn wir über Moral sprechen ist das ein anderer Aspekt. Aber dann müsste man sich aus der Sicht dieses Aspekets auch mal den Krieg um Bergkarabach genauer anschauen.

4. Scheint sie offenbar keinerlei Verständnis davon zu haben, was Europa militärisch in der Lage ist, zu leisten. Sie sagt, nachdem die Rede von deutschen Ministern ist, "Wenn wir wollten, könnten wir die Ukrainer morgen in die Lage versetzen, Russland massiv militärisch unter Druck zu setzen. Aber unsere politischen Entscheider tun es nicht." In welchem Command&Conquer-Spiel hat die Frau Sicherheitspolitik gelernt? Europa alleine ist, Stand heute und bis in mindestens 5 Jahren, eigenständig und ohne die USA nicht nur nicht in der Lage, Russland "massiv militärisch unter Druck zu setzen", wir wären ohne die USA nicht mal in der Lage, den Ukrainern zu helfen, die Front zu halten und Kiew zu schützen. Was auf den o.g. ersten Punkt zurückgeht. Insbesondere die Bundesrepublik Deutschland ist nach dem Kalten Krieg zur wohl demilitarisiertesten Region der Erde geworden (zieht man die Truppen und das Gerät der US-Army ab).


Ich gehe davon aus, bei "wir" sind die USA bzw. die Nato mitgemeint, und du musst dich dann entscheiden, entweder bricht die Hölle los bei einem Angriff oder wir können sowieso nichts. Beides zusammen ist ein Widerspruch.

So wie ich es dort lese, konkret auch in der o.g. Textpassage, spricht sie insbesondere von deutschen Politikern und Europäern. Das klingt auch mehrfach raus, dass sie da auf deutsche Politiker zielt.


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