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Feindliche Übernahme (Sonstiges)

markus, Sonntag, 04.10.2020, 14:37 (vor 1293 Tagen) @ pactum Trotmundense

Wir hatten das ja schonmal an anderer Stelle: Verfassungsrechtlich sind staatliche Eingriffe in die Lohnpolitik bedenklich.


Darüber streiten sich die Juristen. Es gibt genügend Stimmen, die es sogar für erforderlich halten, dass ein Staat Rahmen setzt und es sogar als seine Aufgabe ansehen Löhne zu steuern.

Naja, die Tarifautonomie soll ja gerade vor staatlichen Eingriffen schützen. Und das ist eigentlich auch richtig so. Denn die jeweiligen örtlichen Gewerkschaften können viel besser beurteilen, wie viel Geld aus dem lokalen Unternehmen rauszuholen ist. Wie soll das der Staat gewährleisten?

Damals hatten wir zudem eine deutlich höhere Tarifbindung als heute.


Das ist so pauschal nicht richtig. Schon damals hatte die Tarifbindung ein Niveau erreicht, das von vielen Volkswirtschaftlern zu Warnungen führte. Man befürchtete ein Ende des Sozialfriedens. Kritisiert wurden in erster Linie die Gewerkschaften, die keine nennenswerten Tariferhöhungen mehr durchsetzten, aber auch die Arbeitgeber, die damals mittels Betriebsverlagerungen in den europäischen Osten und China eine faire Tarifpartnerschaft unterliefen. Zum damaligen gesellschaftlichen Klima der Spät-Kohl-Ära zählte aber auch, dass es ziemlicher Konsens war Lohnzurückhaltung diene der Arbeitsplatzsicherung. Das wollte Schröders SPD damals aufbrechen. Insbesondere die Menschen in den unteren Einkommensschichten sollten an den damals existierenden Rekordrenditen der Wirtschaft partizipieren.

Richtig, aber das partizipieren an den Rekordrenditen funktioniert doch nicht mit einem Mindestlohn, sondern nur mit einer starken Tarifbindung. Wenn immer mehr Menschen aus der Gewerkschaft austreten, sind natürlich auch die Tarifabschlüsse nicht mehr so gut. Und das passiert ja seit Anfang der 90er. Die Arbeitnehmer sind an ihrer Situation quasi selbst schuld.

Der inzwischen allseits bekannte Friedrich Merz "verdiente" sich seine ersten bundespolitischen Sporen damit genau dieses Denken in der Bevölkerung zu verhindern. Die Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft wurde in der Phase ins Leben gerufen und später in der Schröderzeit dann auch konkret gegründet. Ziel dieses Thinktanks war und ist es, salopp formuliert, den Arbeitnehmern zu "erklären", dass sie die Füße still zu halten haben und es ihnen nur dann gut geht, wenn es den Besitzern des Unternehmens gut genug geht.

Damals entstanden auch die Gleichungen:
- Rekordgewinne = Lohnzurückhaltung um die Wirtschaft nicht zu gefährden damit Arbeitsplätze entstehen
- nur mäßige Gewinne = Lohnzurückhaltung um Arbeitsplätze nicht zu gefährden

Ja, das wird den Leuten exakt so eingetrichtert. Da wird dann auch gleich gesagt: „Wenn ihr die Gewerkschaft hier reinholt, müssen wir den Betrieb leider nach Osteuropa verlegen“ (Dietmar Hopp ist da kein Einzelfall) und die Arbeitnehmer glauben das. Die Angstkulisse funktioniert leider ziemlich gut. Dabei haben wir sehr starke Arbeitnehmerrechte, die leider nicht genügend wahrgenommen werden. Statt Betriebsräte zu gründen und die Gewerkschaft ins Boot zu holen, lässt man sich leider nach Strich und Faden verarschen. Und die Führungskräfte, die die ganze Kulisse aufrechterhalten lachen sich mit hohen Boni kaputt.

Der Witz ist, dass es unseren Firmen seit der Wiedervereinigung bis heute blendend ging. Sicher, es gab immer wieder auch schlechte Phasen für die Wirtschaft oder einzelne Branchen. Alles in allem waren die jährlichen Renditen der deutschen Firmen jedoch immer deutlich über den jährlichen Lohnsteigerungen. Ich habe vor einiger Zeit mal einen netten Artikel gelesen. Weiß nicht mehr wo. Aber wenn ich die Quintessenz des Artikels richtig behalten habe, könnten der Medianlohn, aber auch der Durchschnittslohn heutzutage drei Mal so hoch sein und die Gewinne der Unternehmen wären immer noch vier Mal so stark gestiegen als die Löhne. Ich hoffe ich habe das richtig behalten. Aber man müsste sich auch einfach nur die Renditen der deutschen Unternehmen mit den Lohnsteigerung gegenüber stellen um das zu prüfen. Daten findet man im Netz bestimmt dazu.

Falls du den Artikel wiederfinden solltest, immer her damit. Klingt interessant.


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