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Allgemeine Newsschlagzeilen vom 03.04.2020 (Fußball allgemein)

Phil, Freitag, 03.04.2020, 11:03 (vor 1477 Tagen) @ Redaktion schwatzgelb.de

Ich weiß nicht, ob dieser Artikel hier schon war - habe es jetzt nicht nachgeschaut.

spiegel.de/sport/fussball/fussball-in-der-corona-krise-nimm-dich-nicht-so-wichtig-a-8b4116b0-de50-4718-a620-f79aade4f35a

Natürlich hat der Autor da schon ein großes Stück den richtigen Punkt getroffen. Der Fußball als Branche hat sich hier qua der DFL einen "Plan" ausgedacht, den er jetzt überzogen und ziemlich durchschaubar öffentlich gemacht hat: "Wir, der Fußball, sind systemrelevant, weil wir den Menschen Ablenkung und Beschäftigung geben und damit muss und sollte man uns wieder machen lassen".

Allerdings fehlt der Branche inzwischen, über eher 15-20 Jahre hartnäckig erarbeitet, jede Integrität und jede Glaubwürdigkeit.

Insofern war ja mehr als schnell jedem klar, hier geht es nicht um einen Dienst an den Zuschauern oder darum, dass man als systemrelevanter Unterhaltungsbereich dazu beitragen könne, den Durchhaltewille der Gesellschaft zu erhalten.

Es geht vor allem darum, weiter das Geld fließen zu lassen, welches in dieser Branche einigen Leuten unglaubliche Einkommen beschert hat und - kommt auch dazu dann - noch immer beschert. Nicht wenige Geschäftsführer von Fußball Konzernen der ersten Liga verdienen mehr Geld, als so mancher Vorstandsvorsitzender von großen DAX Konzernen. Von den Profifußballern gar nicht zu reden, die inzwischen qua Gehältern, Prämien und Handgeldern derart enorme Summen kassieren, dass sogar ihre Berater oftmals Millionäre werden dadurch.

Und natürlich hat diese über viele Jahre zunehmend zerstrittenere Branche. Die einen wollen die Super League, andere drängen gen FIFA Klub Weltmeisterschaft, Gelder werden absurd ungerecht verteilt, so dass der Wettbewerb inzwischen ziemlich ausgehöhlt ist, man verschiebt Weltmeisterschaften in den Winter, lässt Zwergstaaten diese ausrichten, wankt von einem Korruptionsskandal zum nächsten und handelt mit Spielern (Inzwischen auch Kindern), als ob es keinen morgen mehr gäbe.

Jetzt ist er aber angebrochen und mit einem Schlag sind die meisten Einnahmequellen und damit die Fluttore (durch die das Geld in dieses System aus allen möglichen Quellen, und seien sie noch zu unappetitlich) geschlossen.

Und da fällt solch einer Branche nicht mehr viel ein. Wirkliche Ideen entwickelt sie nicht, wie man nun mit dieser Situation klar kommen könnte. Die einzige Idee, jedenfalls von der DFL ersonnen (was die Klubs, die unter dem Schirm des DFB / der Landesverbände machen, wird dabei völlig außen vor gelassen), ist: Die Fluttore irgendwie wieder öffnen. Und sei es auch gegen jeden Verstand.
Die Branche ist offenbar der Meinung, wohl auch von einigen politischen Entscheidungsträgern ermutigt, dass man für sie eine Art Sonderweg zulässt. Während man allen anderen untersagt, in irgendeiner Form Mannschaftssport zu treiben, erlaubt man 36 DFL Klubs, dass sie in ihren Stadien unter Ausschluss der Öffentlichkeit spielen. Bei jeweils in etwa 300 anwesenden Menschen im Stadion. Was dann immer noch ca. 5.500 Menschen an einem Liga Spieltag wären. Und damit man irgendwie den Spielbetrieb aufrecht erhalten kann, will man riesige Testkapazitäten für die involvierten Protagonisten aufbauen und die Profis alle paar Tage umfangreich auf „Corona“ testen. Wohlgemerkt, in einer Zeit, wo das gesundheitswesen um Testkapazitäten ringt und jeder, der symptome hat (oder Kontakt zu einem Menschen mit diesen hatte) idealerweise getestet werden sollte. Aber dann haut man mal eben für rund 1.000 Profis 1te und 2te Liga „alle paar Tage Tests“ raus, damit das System wieder anläuft – in erster Linie, damit vielleicht 1.500 Personen in Gänze (inkl Funktionäre, Trainer) weiter ihre üppigen Gehälter beziehen können und damit wohl rund 70-80 % des Personalaufwandes der ganzen Branche verzehren. Die restlichen ca. 60.000 im Fußball Beschäftigten machen dann den verbleibenden Anteil aus. Wobei die Zahlen wohl eher noch „verrutschen“, wenn man auch Provisionen und Handgelder mit einbezieht, die so gezahlt werden. Oder Sponsorengelder, die direkt an Spieler fließen etc.

Dass die Klubs der Ligen unterhalb der spätestens dritten Liga eher auf einen Abbruch der Saison aus sind, weil für sie Fußball ohne Zuschauer überhaupt nicht finanziell machbar ist, wird dabei von jenen, die zuvorderst von TV Geldern profitieren, einfach mal unter den Tisch fallen gelassen. Zur Not spielt man seine Ligen ohne Zuschauer durch und macht einfach einen Schnitt ab der Stelle, wo die DFL nicht mehr zuständig ist.

Bei allem Verständnis dafür, dass jede Branche versuchen darf und soll, irgendwie ihre Existenz zu sichern, ist der Fußball dabei schon ein besonderer Fall. Denn, wie gesagt, hier geht es am Ende um eine sehr kleine Gruppe von Menschen, die überproportional von diesem System profitieren.
Wenn dann jetzt der Plan ist, dass ab 2. Mai alle Städte und Kommunen (und deren Gesundheitsämter) dem Profifußball erlauben, wieder Fußball in Stadien zu spielen, aber gleichzeitig jeder andere Verein dies weiterhin nicht tun darf, wäre das schon ein seltsames politisches Signal. Während der kleine Bezirksligist dann an den Rande der Existenz geführt wird, weil man weiterhin nicht dulden wird, dass hundertausende Menschen gemeinsam trainieren und am Wochenende Spiele bestreiten, würde man für den Profifußball eine Ausnahme machen? Warum sollte das passieren?
Das Signal wäre auch komisch. Während man die Gesellschaft einig sehen will und „alle gemeinsam“ diese Situation aushalten sollen, würden man dann jeden Tag via TV zeigen „Seht her, der Gastwirt darf zwar nicht mehr Gäste bewirten, aber diese Profis dürfen spielen“ – wer sollte das noch nachvollziehen können?
Zumal die Stimmungslage im Land Recht eindeutig zu sein scheint .Laut einer Umfrage im Auftrag des ZDF sind 58 % der Menschen im Lande der Meinung, dass die Maßnahmen derzeit genau richtig sind und 28 % sind der Meinung, sie müssten noch härter ausfallen. Womit 86 % wohl eher ein Problem darin sehen würden, wenn man dann Anfang Mai ausgerechnet einen kleinen Teilbereich wie den Profifußball wieder „aufeinander los lassen“ würde.
Klar, die Lage kann sich auch komplett drehen. Weiß ja keiner abschließend. Vielleicht ist die Lage Anfang Mai auch so, dass das alles überhaupt nicht mehr wirklich Thema ist und überall eher Normalität Einzug hält. Dann würde auch der Fußball davon profitieren – und er könnte spielen. Wenngleich wohl definitiv ohne Zuschauer. Nicht ohne Grunde sagen ja reihenweise Veranstalter eben Veranstaltungen auch im Sommer ab.
Ob es sinnvoll ist, Fußball der Liga ohne Zuschauer zu spielen, ist dabei ja noch eher eine Geschmacksfrage. Wirklich toll ist es nicht, aber wenn man vor der Wahl steht, dass das ganze System kollabieren würde, wenn man es nicht tut, ist ja klar, dass man es macht. Jene Vereine, die vor allem auf Zuschauereinnahmen angewiesen sind, sehen das verständlicherweise anders.
Gleichzeitig gaukelt der „DFL Fußball“ den Menschen dann vor, seinen Fans vor allem, dass ihr Verhalten nun auch an der Existenzsicherung von vielen Arbeitsplätzen beteiligt sei. Das ist dann fast noch die Krönung. Würde mich nicht wundern, wenn man im Sommer einfach Dauerkarten verkauft, als ob nicht sei. Weil man ja (im Falle des BVB würde es da um rund 17 Mio. EUR gehen gemäß Geschäftsunterlagen) die Liquidität brauch. Was natürlich erst einmal nur zeigt, dass, sollte man gar nicht mehr spielen dürfen, dies die einzige verbliebene Quelle wäre, die man anzapfen kann. Menschen, die nicht selten gerade selbst Betroffene sind und ihre eigene Liquidität auch im Blick behalten müssen.
Der Fußball hat sich da in meinen Augen völlig verrannt gerade. Dabei teile ich sogar die Ansicht, mal ganz persönlich, dass es recht schön wäre, wenn man in diesen Tagen mal ein wenig live Fußball im TV sehen könnte. Ich würde sogar damit leben können, wenn es ohne Zuschauer ist. Dafür gucke ich zu gerne Fußball.
Aber dieses totale Überhöhung, dieses weltfremde „wir machen weiter“ noch garniert mit „um auch mitzuhelfen“, ist einfach bizarr. Von einer Branche, die seit vielen Jahren immer wieder massiv bewiesen hat: Sie schielt eigentlich jdf überwiegend nur aufs Geld ( da helfen auch die vielen tollen Projekte, die man durchaus auch unterstützt und zum Teil selbst betreibt nicht so sehr viel, um dieses Bild zu korrigieren).
Wenn Profis kaum auf Gehälter verzichten, wenn Vereine Kurzarbeit für ihre Beschäftigten einführen, vom Staat somit Geld wollen, aber gleichzeitig weiter Millionengehälter an Profis oder Funktionäre überweisen, ist das schon mehr als bigott. Und gleichzeitig will man dann noch Fans weiter anzapfen irgendwie, redet ihnen ein, sie müssten beim Retten der Klubs mithelfen und es würden jede Menge Arbeitsplätze davon abhängen.
Das ist schon sehr weg von allem, was ich noch nachvollziehen kann. Aber wie gesagt, diese Branche war ohne schon vor Corona kurz vorm Kollaps. Sie haben es nur vor lauter Geld, welches weiter in die Branche strömte (und sei es von irgendwelchen totalitären Staaten, von seltsamsten Geldquellen oder einfach auch nur zu Lasten der Zuschauer und Fans qua Splittung von TV-Rechten etc. etc), einfach gar nicht mehr wirklich bemerkt. Zuletzt im Falle Hopp hat man schon bemerkt, wie völlig unglaubwürdig die Verbände noch rüberkommen. Wie wenig die Fans und Zuschauer überhaupt noch dahinter stehen. Und natürlich sind das nicht nur die Verbände. Sondern auch die Klubs selbst, die seit vielen Jahren immer weiter da an einer Schraube gedreht haben.

Und jetzt auf einmal auf „wir sind aber wichtig, damit den Menschen es gut geht“ machen…
Am Ende sinds aber natürlich auch ein stückweit Luftschlösser. Wie gesagt, dass da nur 36 Städte/Kommunen ihr „Go“ geben werden am 2.5 (oder schon vorher, im Hinblick auf das Training im Vorfeld für diesen Start) ist jedenfalls nicht überwiegend wahrscheinlich. Da können sich „Landesfürsten“ in den Staatskanzleien der Bundesländer das vielleicht noch so sehr wünschen, weil sie in engen Gesprächen mit den Funktionären des Fußballs sind.
Am 2. Mai wird es eher „Höhepunkte“ der Infektionszahlen geben, deutlich überlastetere Krankenhäuser und alles in allem eine immer noch eher unklare Lage. Mag sein, dass man Schüler in irgendeiner Form wieder in Schulen lässt oder Frisöre wieder Haare schneiden dürfen.

Aber dass man wieder erlaubt, dass viele Menschen Fußball spielen? Oder gar eine Ausnahme für den Profi Fußball zulassen würde? Es wäre auch in meinen Augen schon eine dann seltsame Entscheidung und würde wohl nicht helfen, diese Situation weiter stabilisieren zu können. Auch wenn der professionellere Fußball das gerne so verkaufen will.

Und ja. Ich bin ja Fan durch und durch. Und ja, ich würde mir nichts mehr wünschen, als endlich wieder in ein Stadion gehen zu können. Meine Freunde dort zu treffen und einfach auch - selbst den ziemlich entlarvten - Fußball zu verfolgen. Als Sport.

MFG
Phil


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