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Fußball: Wir Deutschen haben einfach keine Ahnung von Fußball (Fußball allgemein)

Will Kane, Saarbrücken, Donnerstag, 19.07.2018, 12:17 (vor 2108 Tagen) @ DerJungeMitDemBall

‚Die Zeit‘ gehört normalerweise nicht unbedingt zu meiner präferierten Lektüre. Den verlinkten Artikel habe ich dennoch mit Interesse gelesen; Danke für das Einstellen.

Was die Aussage(n) dieses Artikels anbelangt, so bin ich hin- und hergerissen. Einerseits agiert der Autor mMn mit Vereinfachungen, die er andererseits als Manko bei anderen ausmacht. Die Rolle des Deppen ist mir dann doch ein wenig zu plakativ geraten. Auf der anderen Seite wird mir die Herangehensweise in der Diskussion in anderen Fußballländern zu sehr verklärt. Allerdings benennt er auch durchaus differenziert diverse Aspekte, die mir wichtig erscheinen und die ich ähnlich sehe. Positiv empfinde ich den Schluss, den der Autor am Ende zieht. Erkenntnisse von ‚Theoretikern‘, die den Fußball intellektuell zu durchdringen versuchen, und ‚Praktikern‘, die über langjährige eigene Erfahrung in der Umsetzung von Vorgaben auf dem Rasen haben, sollten zusammengeführt und zu einer balancierten Betrachtungsweise führen.

Ich könnte viele Punkte aufgreifen, denen ich unbedingt zustimme oder die ich gänzlich anders sehe. Aber allein die Tatsache, dass ich (und mit mir sehr viele andere) dies tue zeigt, dass der Artikel als Gedankenanstoß mit leicht provokativer Note sehr wohl funktioniert.

In Brasilien wird übrigens in noch ganz anderem Stil über Fußball diskutiert. Da hagelt es selbst Kritik, wenn man Weltmeister wird und vermeintlich ‚unbrasilianisch‘ spielt. In dem Zusammenhang kommt mir immer das Spiel Italien - Brasilien bei der WM 1982 in den Sinn. Manche werden sich daran erinnern, für den Fußball war dieses Spiel richtungsweisend. Zico bezeichnete diese Begegnung als den „Tag, an dem der Fußball starb“. In Europa wurde der Ausgang des Spiels dagegen eher als Sieg des ‚Systems‘ über die Spielfreude interpretiert. Es hat lange gedauert, bis brasilianische Trainer einen Mix aus brasilianischer Spielkultur und europäischer Systematik implementieren konnten. Als dieser dann zu einem so lange schmerzlich vermissten WM-Titel führte, wurde der praktizierte ‚Dunga-Fußball‘, wie er später genannt wurde, verächtlich gemacht. Dabei waren die großen Siege der Brasilianer 58 und 70 nicht zuletzt auf disziplinierte Umsetzung innovativer Systeme und Taktiken zurückzuführen. Was in Brasilien selbst kaum einer bemerkt hat (in Europa aber auch nicht so sehr viele). Im Mittelpunkt stand immer die individuelle Klasse und Brillanz einzelner Spieler.

Die deutschen WM-Siege waren ebenfalls sehr stark von der jeweils gewählten Taktik geprägt. Das spielte in der Betrachtung der Medien allerdings so gut wie keine Rolle. Hervorgehoben wurden immer die physischen und mentalen Vorzüge, die zu den Erfolgen geführt hätten. Interessanterweise wird man feststellen, wenn man sich in die jeweilige Historie begibt, dass dieses Phänomen 54 und 74 gar nicht so stark ausgeprägt war. Es tauchte verstärkt in den 80er Jahren auf. Ausgerechnet zu einer Zeit, als der wohl eleganteste und beste deutsche Fußballer überhaupt den Posten des Teamchefs übernahm. Wenn es je eine tatsächliche Innovation im Fußball gegeben hat, die aus Deutschland kam, dann war es Beckenbauers Interpretation des ‚freien Mannes‘ zentral hinter der Abwehr. Von ‚Ramba-Zamba‘ zum ‚Rumpelfußball‘ 86.


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