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"Wer ist der wahre Rassist?" (Spieltage)

Nolte, Sonntag, 14.01.2018, 08:27 (vor 2265 Tagen) @ Raducanu

Ich habe vereinzelt in diesem Thread, wie auch in der Vergangenheit, schon zu dieser Frage geschrieben, aber habe das Gefühl, es noch einmal allgemeiner tun zu müssen: Die Frage, wer in solchen Debatten der eigentliche Rassist sei. Sie wird immer wieder mal gestellt, beispielsweise hier, da und dort, und folgt immer ungefähr dieser Argumentation:

Wenn jemand einen Unterschied darin sieht, ob man eine bestimmte Sache zu einem Weißen oder zu einem Schwarzen sagt, ist derjenige dann nicht der eigentliche Rassist? Für mich persönlich sind Schwarze und Weiße genau gleich.

Die Logik dieser Argumentation beruht auf der Ansicht, dass man, um nicht rassistisch zu sein, keinerlei Unterschied zwischen Schwarzen und Weißen wahrnehmen dürfe oder sogar könne. Nun liegt darin ein Stückchen Wahrheit: Keine Unterschiede darf es geben in Hinsicht darauf, mit wie viel Respekt man jemandem begegnet, welche Rechte ein Mensch besitzt, welche Entfaltungsmöglichkeiten ein Mensch haben darf etc. Gleich sind Schwarze und Weiße (und alle anderen) in der Hinsicht, dass wir alle zusammen Menschen und damit völlig gleichwertig sind.

Diese Argumentation verkennt allerdings bewusst eine relevante Größe: Auch wenn du sagst, dass Schwarze und Weiße für dich auf der Welt gleich sind (und damit auch gleiche Rechte und Behandlung erfahren sollten): Die Welt ist für Schwarze und Weiße nicht gleich. Dies ist eine Tatsache. Schwarze wurden historisch und werden auch heute noch bedeutend häufiger aufgrund ihrer Hautfarbe diskriminiert als Weiße. Die Geschichte der Menschheit, insbesondere die letzten Jahrhunderte des sogenannten "Westens" (Nordamerika, Europa), sind geprägt durch die Ausbeutung Schwarzer und an ihnen verübten Völkermord. Man besetzte ihr Land, man verschleppte sie als Sklaven, man steckte sie zum Vergnügen der Weißen in Zoos und Zirkusse; alles nicht zuletzt mit dem Argument, Schwarze seien affenähnlich, dem Schimpansen ebenso nah wie dem Weißen Mann, der "Krone der Schöpfung" (oder Evolution, je nach Zeitpunkt und Weltbild). Diese Denkweise ist auch heute noch nicht aus den Köpfen der Menschen verschwunden, sondern wird immer und immer wieder zum Anlass für Beleidigung von Schwarzen oder für schlechte Witze auf deren Kosten genommen. Googelt man beispielsweise die Kombination "Affenlaute" und "Fußballstadion", erhält man Resultate für rassistische Angriffe auf schwarze Spieler aus den Ligen in Deutschland, England, Spanien, Italien usw. Man erhält für diese Suche keine Treffer für mit Affenlauten bedachte weiße Spieler; Fälle wie Oliver Kahn bleiben die absolute Ausnahme, auch wenn manche Leute es schaffen, das argumentationslos zu leugnen (z.B. hier und da). Es ist schwierig, die eigenen rassistischen Überzeugungen einzugestehen, das kann ich gut verstehen.

Der gesamte letzte Absatz ist eine dermaßen bekannte Gewissheit, dass ich davon ausgehe, jeder Mensch über 15 hat zumindest mal davon gehört. Schwarze wurden und werden rassistisch diskriminiert. Nicht jeder einzelne jeden Tag persönlich; aber definitiv als Gruppe. Das ist eine allseits bekannte Tatsache.

Ist es angesichts dessen nicht vollkommen logisch, dass manche Dinge auf den einen Menschen anders wirken als auf den anderen? Wenn Schwarze permanent aufgrund ihrer Hautfarbe beleidigt und unterdrückt werden, indem man sie mit Affen gleichsetzt, Weiße aber nicht, ist es da nicht verständlich, dass auch Affenvergleiche auf sie anders wirken, wenn sie vom Sender nicht ausdrücklich abwertend gemeint oder auf die Hautfarbe bezogen sind?

Es ist im Grunde ziemlich einfach:
- Sind alle Menschen unabhängig von Hautfarbe, Geschlecht, Intelligenz, körperlichen Fähigkeiten usw gleichwertig und verdienen gleiche Rechte und gleichen Respekt? Eindeutig ja!
- Leben alle Menschen unabhängig von Hautfarbe, Geschlecht, Intelligenz, körperlichen Fähigkeiten usw in derselben Welt? Physikalisch vielleicht schon, in jeglicher anderer Hinsicht allerdings nicht.

Wenn ein Mensch, der aufgrund von Eigenschaften, für die er nichts kann, immer wieder Diskriminierung erfährt, sagt, dass diese diskriminierenden Methoden ihn verletzen, hat er dann nicht Gehör und Rücksichtnahme verdient? In der H&M-Sache vor ein paar Tagen haben sich vornehmlich schwarze Menschen geäußert, die dadurch verletzt oder verärgert waren.
Willst du als Weißer da wirklich sagen "Hab dich nicht so, ich als Weißer hätte mich auch nicht verletzt gefühlt, wenn man den weißen Jungen in den Affenpulli gesteckt hätte!"

Wenn du so etwas denkst, und wenn du sagst "Für mich sind Schwarze und Weiße gleich, also sage ich auch zu beiden dieselben Dinge ohne Rücksicht darauf, was das bei den entsprechenden Menschen auslöst", dann zeigt das nur eines: Du bist zu faul und zu selbstgerecht um auf diskriminierte Menschen einzugehen. Du bist nicht einmal gewillt, deine Wortwahl auch nur ein kleines bisschen anzupassen, wenn sie andere Menschen verletzt. Du ignorierst die Tatsache, dass es Rassismus noch immer gibt.

Um anfängliche Frage zu beantworten: Der wahre Rassist ist derjenige, der diese Frage stellt.


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