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Sahra Wagenknecht gestern Abend bei Maybritt Illner (Politik)

Pa1n, Samstag, 13.07.2024, 01:40 (vor 527 Tagen) @ Schnippelbohne
bearbeitet von Pa1n, Samstag, 13.07.2024, 01:44

Was seltsam ist, gerade der Osten muss doch wissen, wie schlimm es unter der Knute von Moskau ist. Wenn ich DDR Dokus sehe, die Bevölkerung konnte es kaum erwarten, dem zu entfliehen…


Habe dazu vor einiger Zeit einen ganz interessanten Kommentar gelesen. Die Frage war, warum die Bevölkerung in den baltischen Republiken und Polen deutlich Russland-feindlicher ist als die Ostdeutschen. Die These war, dass diese Länder im Gegensatz zu Ostdeutschland ihre Freiheit von der Vorherrschaft Russlands selbst erringen mussten. Ostdeutschland ist diese Freiheit mehr oder minder in den Schoß gefallen durch die Wiedervereinigung. Im Grunde wie der Spruch „Was umsonst ist, ist nichts wert“. Denke, da ist was dran.

Ich halte das für ziemlichen Humbug. Die Wiedervereinigung kam doch nicht von außen und plötzlich und unerwartet. Auch das war ein langer Prozess begleitet von vielen Protesten.

Die Gründe sind sehr vielfältig.

Zunächst mal gab es Rassismus und Fremdenfeindlichkeit in der DDR nicht (Spoiler: gab es doch, wurde aber nie thematisiert und totgeredet). Dazu kommt, dass es bis auf sehr wenige in der DDR praktisch keine Ausländer gab, man hatte also auch nicht die Chance, zu erkennen, dass das auch nur Menschen sind.

Dazu kommt, dass vor allem die nun mittlerweile ältere hiesige Bevölkerung in der DDR sorgenfreier lebte - die hatten ihren 8-9-Stunden-Tag, gingen nach Hause und konnten aus ihrer Sicht entspannt leben. Von der Stasi wusste man, aber so lange man nach Feierabend sein Bier trinken und essen kann, hatte man keine Sorgen mit denen. Man hatte auch keinerlei sorgen um die Zukunft, es war ja an alles abgesichert und nach Monatsende hatte man in der Regel noch Geld über.

Dann kam die Wende, und eigentlich alle (auch DDR-Nostalgiker) freuten sich, hatten Hoffnungen und Ambitionen. Die allermeisten wurden jäh enttäuscht, weil viele Jobs wegfielen, und sich teilweise auch als (Bundes-) Bürger zweiter Klasse fühlte. Die Renten sind mittlerweile - nach 34 Jahren - einigermaßen angeglichen, aber dennoch gibt es ein Ost-West-Gefälle bei den Gehältern, und das obwohl die Mieten und Lebenshaltungskosten in Städten wie Leipzig, Dresden, Erfurt deutlich höher sind als in vielen westdeutschen Städten.

Ein weiterer, meiner Meinung nach auch unterschätzter Punkt ist die teilweise mangelhafte Bildung eben dieser älteren Bevölkerungsgruppe. Abitur war nur wenigen vorbehalten. Die allermeisten konnten und/oder durften nicht (betrifft ca 90%) - es ging nach der 8. oder 9. Klasse direkt in die Lehre und damit den Beruf. Da ist es nicht allzu verwunderlich, dass man mit komplexen Themen wie eben Politik oder Wissenschaft eher aus einer Laiensicht begegnet, auch daher rührt eine gewisse Wissenschafts- und eben auch Politikfeindlichkeit.
Und dummerweise gaben und geben eben die wenig Gebildeten ihre Unwissenheit auch an die Nachfolge-Generationen weiter. Klar, es muss nicht jeder Abi machen und studieren, aber wenn man dann vom Elternhaus nicht nur das rechtsradikale Weltbild mitbekommt und dann auch noch eben nicht die Chance erhält, es besser zu machen ("Du gehst nicht aufs Gymnasium! Du machst Haupt-/Realschule und lernst was Anständiges!!!!"), sorgt das für jeweils eine weitere frustrierte Generation.

Das Alles (niedrige(re) Löhne, weil auch oft niedrigere Chancen qualifiziert Bildung und Renten bei gleichen oder höheren Kosten; viel mehr Sorgen und die (eigene) Zukunft; Angst vor sozialen aber vor allem finanziellen Absturz) und noch paar Punkte mehr sorgen für eine allgemeine Unzufriedenheit.


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