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Wie kürzlich in der NZZ (Fußball allgemein)

Nietzsche, Montag, 17.02.2020, 12:47 (vor 1530 Tagen) @ Nolte

Die kritische Frage ist doch aber, wie wir mit dieser Tatsache umgehen: Laufen wir mit diesen Stereotypen durch die Gegend und betrachten grundsätzlich Jeden, der nicht unserem Bild der "typischen Deutschen" entspricht, erstmal aus Ausländer, bis man uns das Gegenteil beweist? Oder versuchen wir, diese Denkweise abzulegen, solange wir hier in unserem Heimatland sind, und gehen grundsätzlich mal davon aus, dass jeder Mensch, der uns begegnet, auch hier zu Hause sein könnte?

Jup, darauf wollte ich auch hinaus. Und das entscheidende ist, dass der Andere hier zu Hause sein könnte.
Man weiß es eben nicht uns sollte die Möglichkeit in Betracht ziehen.

Allerdings sollte man auch unverkrampft damit umgehen, dass man es eben zunächst nicht weiß. Sascha schlug vor, zunächst einmal davon auszugehen, dass er z.B. Deutscher sei. Ich halte das für problematisch, weil es ein der Situation unangemessenes Verhalten ist.

Wenn ich etwas nicht weiß, dann frage ich höflich nach.

Ich habe mal etwas von einem Amerikaner gelesen, der meinte, das Schlimme an Rassismus sei, dass er bei einem Restaurantbesuch ständig in die gleiche Probleme liefe.
Behandelt ihn der weiße Kellner schlecht, weil er Rassist ist? Oder hat der bloß einen schlechten Tag?
Behandelt ihn der weiße Kellner äußerst zuvorkommend, weil er ganz sicher sein will, nicht als Rassist zu wirken? Oder macht der seinen Job einfach nur richtig gut?

Diese blöde unterschwellige Verkrampftheit führt ganz schnell zu einer Situation, die als Loriot-Sketch durchgehen würde. Nur eben nicht lustig.

Die beste Lösung ist in meinen Augen, den Effekt (jemand sieht anders aus) zu akzeptieren und die fehlende Information einzuholen.

Wenn ich in Japan einem "japanisch aussehenden" Menschen begegne, liegt natürlich die Vermutung nahe, dass es sich um einen Japaner handelt. Wenn ich diesem Menschen im Ferienressort in Ägypten begegne, ist es auch nicht unwahrscheinlich, dass es sich um einen Touristen handelt, der (schon statistisch) vermutlich aus Japan oder Amerika kommt. Wenn ich diesem Menschen aber stattdessen in einer Dortmunder Bibliothek oder am Schalter der Sparkasse, in der er arbeitet, begegne, ist die Wahrscheinlichkeit, dass er ein Deutscher ist, halt schon nicht mehr so klein.

Genau so.

Du hast geschrieben:

Wenn ich jemenden treffe, der "japanisch" aussieht und der mir sagt, er sei Deutscher, dann kann ich sofort umschwenken. Dass ich aber zunächst nicht weiß, ob es sich um einen Deutschen handelt, kann er mir doch nicht vorwerfen.


In dieser Aussage sind zwei Dinge verborgen, die ich für wichtig halte:

1) Du sagst, du kannst sofort umschwenken, wenn ein "japanisch aussehender" Deutscher dir sagt, er sei Deutscher. Dabei frage ich mich, wie es sich für ihn wohl anfühlen wird, in seinem Heimatland immer (okay, oftmals) wieder darauf aufmerksam machen zu müssen, dass er kein "Fremder" sei. Insbesondere, da es Menschen [nicht du!] hier gibt, die ihn auch weiterhin als Fremden ansehen werden, nachdem sie von seiner Staatsangehörigkeit und seinen Deutschkenntnissen überrascht wurden.

Aber auch der "japanisch Aussehende" weiß doch, dass er untypisch aussieht. Das mag ihn nerven, aber er selbst wird doch bei sich den gleichen Effekt vorfinden. Ich fürchte, damit muss man sich abfinden.

Was natürlich auf keinen Fall geht ist, dass er nach Weitergabe der Information weiter als Fremder behandelt wird. Das ist inakzeptabel.

2) Du sprichst von einem "Vorwurf", den man (hier: der "japanisch Aussehende") dir doch nicht machen könne. Das passt zu diesem Beitrag, der in dasselbe Verhalten "nichts Böses" hinein interpretieren mag. Darin steckt die in meinen Augen verkehrte Annahme, dass jedem Verhalten, das potenziell schädliche Folgen hat, auch eine schlechte Absicht innewohnen muss. Dabei ist das nicht so. Weiter oben habe ich diese Vorstellungen, wer "deutsch" ist oder nicht, als instinktiv bezeichnet, was ja bereits zum Ausdruck bringt, dass dahinter keine böswillige Absicht stecken muss. Von daher ist auch nicht jeder Hinweis, dass ein gewisses Verhalten schädlich sein kann, gleichzeitig ein Vorwurf oder die Unterstellung boshaften Denkens.

Hatte ich auch so verstanden. Ich sehe nur nicht, wie man aus der Nummer rauskommen soll. Man kann ja den Effekt, dass einem jemand als untypisch ausshend auffällt, nicht leugnen.
Man kann damit nur unverkrampft umgehen.

In Diskussionen zu diesem Thema wird immer wieder argumentiert, dass es doch "menschlich" sei, Menschen erstmal anhand ihres Aussehens als "wahrscheinlich deutsch" oder "wahrscheinlich nicht deutsch" einzuschätzen und ihnen entsprechend zu begegnen. Dabei ist, was vermeintlich "menschlich" ist, nicht immer ein gutes Argument dafür, dass dieses Verhalten auch legitim ist. Viele womöglich menschliche Verhaltensweisen werden gesellschaftlich oder rechtlich sanktioniert.
Beispielsweise ist es vermutlich menschlich, dass ich trotz monogamer Beziehung auch manchmal andere Frauen attraktiv finde, und es wäre allzu menschlich, dieser Anziehung hin und wieder nachzugeben (ohnehin argumentieren Einige, der Mensch sei "von Natur aus" nicht zur Monogamie gemacht). Gesellschaftlich wird Fremdgehen bei uns aber weitgehend missbilligt, was sicher ein Hemmnis darstellt, diesem Trieb nachzugeben.
Genauso menschlich wäre es vermutlich, bei einem Streit dem Anderen mal kräftig eine zu zimmern. Auch das wird aber hier gesellschaftlich meistens nicht akzeptiert, und zudem stehen diesem Verhalten auch die Gesetze hier entgegen. Und die Allermeisten von uns schaffen es in den meisten Situationen, uns entsprechend zu beherrschen.

Wir sehen also zweierlei: Nicht alles, was "menschlich" ist, ist auch richtig so. Und die vielleicht "menschlichste" unserer Eigenschaften ist es, vermeintlich "menschlichen" Trieben nicht immer nachgeben zu müssen.

Unterschreibe ich so.


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