schwatzgelb.de das Fanzine rund um Borussia Dortmund
A- A+
schwatzgelb.de das Fanzine rund um Borussia Dortmund
Startseite | FAQ | schwatzgelb.de unterstützen
Login | Registrieren

Favre als Trainer - Pro und Contra (BVB)

Dimmsonen, tiefste Eifel, Samstag, 18.01.2020, 22:47 (vor 1553 Tagen) @ BONES
bearbeitet von Dimmsonen, Samstag, 18.01.2020, 22:59

Hi Bones, auch wenn ich glaube dass es vieles braucht nur keine weitere Diskussion über Favre, so finde ich die Idee ganz Charmant dies nicht immer aus dem Affekt während eines Spiels zu tun. Eventuell hilft das ja auch die ein oder andere Person in ihrer Haltung zu verstehen.

Ich persönlich glaube er ist ein relativ kompletter Fußballlehrer. Letzteres sage ich ganz bewusst so. Die Basics der Trainerarbeit und die individuelle Arbeit mit den Spielern vermute ich auf überdurchschnittlich hohem Niveau. Ebenso glaube ich dass er sehr reflektiert ist und trotz des Alters nicht total weit weg von aktuellen wissenschaftlichen- und methodischen Mitteln ist.

Die Skepsis hinsichtlich der Persönlichkeit ist natürlich berechtigt. Ich sehe das aber nicht als unüberwindbares Problem an. Seine Art taugt jetzt nicht um auch nur irgendwie aktiv auf eine positive Stimmung bei den Fans Einfluss zu nehmen. Am Anfang war es ohne den Pöhler irgendwie leer, aber das hinterlassene Vakuum muss ich nicht zwangsläufig wieder gefüllt haben. Nach Klopp ist mein Bezug zum BVB sogar etwas puristischer geworden, da ich wahrscheinlich nur durch ihn das temporäre Interesse an dem ganzen Klimmbimm(Pks, semilustige Videos, Nobbies Fummelcouch)entwickelt habe. Das führt natürlich auch dazu dass man viel weniger Begründungen erhält warum etwas geschieht, aber man sich bewusster mit dem Spiel auseinander setzt.

Schwierig finde ich sein Ingamecoaching(ich hasse mich jetzt schon für die Verwendung des Wortes) und die mir nicht immer erkennbare individuelle Anpassung an den Gegner. Es ist natürlich eine Frage in wiefern man seine eigene Taktik variiert und dies versucht im Abschlusstraining einzuüben, oder dies aufgrund des Terminkalenders lediglich theoretisch thematisiert und bei dem eigenen Spiel bleibt.
Manchmal raffe ich die entsprechenden Maßnahmen, manchmal nicht, aber mir fehlt natürlich auch der Einblick. Aber bei Klopp und auch Tuchel hatte ich verdammt häufig das Gefühl als wären wir dem Gegner in der taktischen Anpassung überlegen. Es sei denn Tuchel wollte Pep spielen und änderte die Systeme schneller als nach dem Konsum der namensgleichen Droge.

Deine Frage finde ich in sofern auch ganz cool, weil das Nachdenken mir wieder vor Augen führt wie mehrdimensional die Einschätzung ist. Wenn wir beispielsweise über "gelegentlich wenig nachvollziehbare" und positions fremde Wechsel sprechen, kann das einerseits ein Zeichen für Dogmatismus sein, aber auch der Wunsch systemische Automatismen zu etablieren um so nicht ständig die Bewegungsmuster zu variieren.

Auch wenn es durch das Gesagte so wirkt als würde er ein System so klar favorisieren dass er sich selber in seinem Handel einschränkt, so zeigt seine Vergangenheit dass das nicht immer so sein muss. In einem der Beiträge von Schwatzgelb wurde ja angesprochen dass er hier lange Zeit versucht hat krampfhaft aus allem ein 4 4 2 zu machen. So war es nicht überall, aber hier hat er das doch ziemlich krass durchgezogen.

Oft wird auch erwähnt wir spielen genau dann gut wenn wir in Rückstand geraten und alle taktischen Zwänge über Bord werfen. Das spräche natürlich gegen eine ordentliche Grundausrichtung, aber das Argument sehe ich nicht zwangsläufig als gerechtfertigt an. Wir haben auf taktischem Weg häufig genug Möglichkeiten um vorne für Gefahr zu sorgen, auch wenn es sich selten dominant anfühlt und viel Vorarbeit/brotlose Kunst dabei ist. Hinten sehe ich das größte Problem. In meiner Wahrnehmung resultiert die Vielzahl der Gegentore nicht aus taktischen Defiziten, sondern eher aus dem Slapstickcharakter oder doofem Stellungsspiel, was so garantiert kein Trainer vorgibt. Für all das spricht auch Favres Reaktion auf die Spiele. Mit nichten freut er sich wenn wir Dominanz als Selbstzweck verwenden. Und ich glaube dieses doofe "geduldig sein" hat für ihn eine andere Bedeutung als "den Gegner einzuschläfern". Sondern viel eher sowas wie das Vertrauen an die eigene Stärke, die eigene Taktik und Spielkontrolle ohne leichtsinnig Aktionen. Dass man sich so natürlich dem Risiko der Lethargie aussetzt und dies auf der Tribüne nicht gerade zu Jubelsprüngen führt, ist hingegen wahrscheinlich auch wahr. Aber da muss eine Mannschaft dann kollektive Lösungen finden um entsprechende Variationen und Tempowechsel auch auszuführen. Gezeigt bekommen hat sie die Mannschaft sicher, aber die Schwierigkeit ist der kollektive Impuls wann wie agiert wird. Letztendlich erledigt das zur Zeit meistens der Rückstand, aber ich glaube nicht, dass wir dadurch besser spielen weil keiner mehr macht was er soll, sondern es wird lediglich kollektivtaktisch einfacher. Permanent so spielen zu lassen kann man nur wenn man Peter Bozs heißt und einem Latte ist gelegentlich abgeschlachtet zu werden.

Und ich glaube auch dass die hier versuchte Spielidee grundsätzlich in der Lage ist unsere Ziele zu erreichen.

Daher glaube ich am wichtigsten ist die kollektive Ausübung der Tempowechsel und die entsprechende Reaktion auf sich spontan ergebende Möglichkeiten. Natürlich klingt das leichter als es ist, aber bezogen auf die Ausgangsfrage sehe ich da die Verantwortung eher bei der Mannschaft. Ein anderer Trainer mit einer anderen Spielidee müsste wieder an anderen, dem System immanenten Problemlösungen arbeiten. Und die daraus resultierende Baustelle ist deutlich größer als der Feinschliff.

Puh, das war jetzt viel und wirr runtergeschrieben. Aber es ist einfach eine komplexe Frage.


Antworten auf diesen Eintrag:



gesamter Thread:


1230264 Einträge in 13655 Threads, 13771 registrierte Benutzer Forumszeit: 20.04.2024, 01:22
RSS Einträge  RSS Threads | Kontakt | Impressum | Nutzungsbedingungen | Datenschutzerklärung | Forumsregeln