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Lasst uns doch alle mal gegenseitig tief in die Augen schauen (Politik)

FourrierTrans, Dortmund, Sonntag, 05.05.2024, 22:50 (vor 20 Tagen) @ Finchen
bearbeitet von FourrierTrans, Sonntag, 05.05.2024, 23:10

...und die außerordentlich dramatischen Entwicklungen in diesem Land (und aber auch generell in Europa) so nüchtern wie möglich beschreiben.
Gibt es Zündler? Fraglos. Sind die im engeren Sinne maßgeblich für das, was hier in Gänze abläuft? Sicherlich nicht. Ganz schlicht und ergreifend, weil sich eine Gesellschaft nicht so leicht vor den Karren spannen lässt, wenn nicht gewisse Faktoren zur Radikalisierung gegeben sind. Selbst die Deutschen nicht. Letztlich ist das auch die Erklärung dafür, dass eine deutsche Gesellschaft in den 60-90er keiner weiteren politischen Radikalisierung erlag (obwohl zu der Zeit noch viele Menschen lebten, die mit Extremismus durch und durch sozialisiert wurden). Auch gab es in diesen Jahrzehnten hinreichend viele politische Zündler und Demagogen, denen man hätte zuhören/folgen können. Es fehlten aber einfach die Negativfaktoren, die es bedarf, damit eine Gesellschaft in diese Richtung kippt.
Anders ist es, meinem Eindruck nach, jetzt, beginnend mit den 2000er Jahren. Man findet vieles davon, was man in den Zwangigern und Dreißigern des letzten Jahrzehnts vorfand.

- Massive Ungleichheiten in der Gesellschaft, die einer zunehmend breiten Bevölkerungsschicht und insbesondere "den Jungen" keinen klaren Pfad für Aufstiegschancen skizzieren können. Sicherlich, niemand muss hungern, aber der "Benchmark" ist die Elterngeneration und da erkennt man einen ganz klaren Abwärtstrend in Sachen "Wohlstand", selbst bei Leuten, die eine deutlich höhere Ausbildung haben, als ihre Eltern (das gute alte Bildungsversprechen)

- Eine Jugend, die ihren Frust im Zuge einer stärker werdenden Radikalisierung zeigt. Dass nur alte weiße Männer zu revisionistischem bzw. rechten Denken neigen, scheint nicht mehr die ganze Wahrheit zu sein („Besorgniserregend“ – Jugendstudie zeigt Rechtsruck in der Gen Z)
Die Jugend ist schon seit einigen Jahren der große Verlierer. Klimawandel? Keine Lösungen, nur homöopathische Behandlung, dafür aber viele Bedrohungszenarien. Rente? Welcher junge Mensch unter 35 glaubt schon noch an eine Rente? Eine Aufbruchstimmung mit neuen Wirtschaftszweigen und/oder Industrien, die den Weg in eine neue Zukunfts aufzeigen? In Deutschland Fehlanzeige. Abbau, Verlagerung, künstliche lebenserhaltende Maßnahmen für völlig veraltete Industrien. Was im großen Stile bleibt sind Bullshit-Jobs mit Bullshit-Löhnen, zunehmend auch für die jungen Akademiker/innen.
Ein enormer Teil der Problemabfederung während der Corona-Pandemie wurde ebenfalls auf den Schultern der Jungen und Schulkindern konzentriert.

- Politisch motivierte Gewalt: die letzten Tage habe es noch einmal deutlich gemacht. Übrigens auch hier: die Täter sind offenbar ganz junge Leute. Im Umfang natürlich eine andere Dimension, erinnert dies aber dennoch an die Zeiten der SA-Schlägertrupps. Der Staat zeigt sich an vielen Stellen vermehrt ähnlich "zahnlos" wie zu Zeiten des Pöbels mit den braunen Uniformen (auch gegenüber anderen asozialen/kriminellen Elementen, die ein Gewaltmonopol auf der Straße für sich beanspruchen).

- Aufrüstung und Militarismus: die Gründe sind bekannt, niemand sollte sich aber darüber hinwegtäuschen lassen, dass die Verselbstständlichung in den Alltagsdiskussionen (jeder ist nun Sicherheits- und Militärgerät-Experte) nicht zu einer Verrohung im Kontext von potenzieller Gewaltanwendung führt

- Inflation: wobei das Wort "Inflation" hier eigentlich gar nicht mehr treffend ist. Was wir viel mehr erleben, ist eine "Lebenshaltungskostenkrise". Wohnkosten, Baukosten, Energiekosten, Mobilitätskosten (u.a. aberwitzige Preise für (Gebraucht)PKWs). Inwieweit sich etwas optimistischere Tendenzen erhärten, muss sich in den nächsten 3-4 Jahren zeigen.

- Führungspersonal (in Wirtschaft oder Politik): es fehlt eigentlich in allen relevanten gesellschaftlichen Bereichen an solidem Führungspersonal, welches fachlich, moralisch und menschlich einen Weg aus der Krise zeigt. Und das sicherlich schon seit mindestens 20 Jahren. Hand aufs Herz, wenn jeder für sich überlegt, wo er welche Gespräche über Politik oder über Wirtschaftsgrößen führt, dem wird vermutlich schnell auffallen, dass sich nahezu kein Deutscher irgendwo gut "geführt" sieht (im Sinne vom angelsächsischen "leading", nicht dem im Deutschen etwas ramponiertem "Führen"). Und hier ist dann aber auch insbesondere die aktuelle Regierung durchaus nochmal ein Brandbeschleuniger. Alle die, die auf sozialere und zukunftsorientierte Veränderungen mit klaren Visionen und spürbaren Verbesserungen des eigenen Lebens gehofft haben, in der breiten Masse, sind grenzenlos enttäuscht. Ein Kanzler der viel zu tief in Cum-Ex-Diskussionen verstrickt war, tut sein Übriges für die Gefährdung der Demokratie. Das Führungspersonal der letzten 20 Jahre in den tragenden gesellschaftlichen Säulen (auch in der Wirtschaft; es herrscht der blanke Opportunismus gepaart mit unfassbarer Führungsschwäche) hat im Grunde eine verheerende Schneise in die Gesellschaft geschlagen. Eine fehlerhafte Priorisierung von anzugehenden Problemen war/ist der "Status Quo". Auch hier sieht man Parallelen zu den Zwanziger/Dreißiger Jahren des vergangenen Jahrhunderts. Man nannte es dort "Kleptokratie". Eine tiefgehende Verachtung für die "herrschende Klasse" quer durch alle Gesellschaftsschichten.

Ich bin von Grund auf ein positiver Mensch. Allerdings muss ich eingestehen, dass ich mein Leben seit spätestens dem Ende der Corona-Pandemie deutlich intensiver und bewusster lebe. In der bösen Vorahnung, dass der Tag kommen wird, in nicht allzuferner Zukunft, in der mein gutes Leben vorbei sein wird und ich eine Uniform tragen werden muss oder anderweitige brutale Umstände erlebe. Schlicht aus dem Grund, dass ich keine Fantasie habe, wie die kolossalen Verfehlungen der letzten 20-30 Jahre jetzt noch in der notwendigen Schnelligkeit zu korrigieren wären.
Inwieweit die Gefahr des "Uniform tragen müssens" wohl auch real ist, zeigt im Übrigen auch das Selbstbestimmungsgesetz. Ich bin via eines Podcasts (Die Neuen Zwanziger; teilweise ganz interessant) darauf aufmerksam geworden. §9 desselbigen schränkt das ganze Gesetz ein: Im Falle eines "Spannungs- und Verteidigungsfalls" bleibt die rechtliche Zuordnung einer Person zum männlichen Geschlecht. Bedeutet also, man hat im Vorfeld schon mal vor Verabschiedung des Gesetzes sichergestellt, dass im Falle eines Falles alle biologischen Männer sich dann wieder "auf dem Feld der Ehre" beweisen dürfen.

Bleiben wir positiv und hoffen, dass sich alsbald doch eine positive Wandlung vollzieht und die Vernunft/Fairnes/Menschlichkeit wieder einkehrt.


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