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Versagen der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft (Sonstiges)

Jurist81, Donnerstag, 25.06.2020, 15:09 (vor 1391 Tagen) @ Freyr

An dieser Stelle mal stellvertretend für die ganzen Meinungen, die der Ansicht sind, EY habe hier durch die Jahresabschlüsse der Vergangenheit versagt:


- Was ist das konkrete Problem bei Wirecard?

Der Jahresabschluss des Jahres 2019 konnte nicht erstellt werden, weil es keinen Nachweis über liquide Mittel in Höhe von 1,9 Milliarden EUR auf angeblichen Treuhandkonten in Asien gab. Diese Summe machte ungefähr ein Viertel der Gesamtbilanz von Wirecard aus. Hinzu kommt: Nach den Darlehensverträgen muss der Jahreabschluss in diesem Jahr bis zum 19.06.2020. Anderenfalls vertößt Wirecard gegen Nebenbestimmungen (Colaterals) der Darlehensverträge und die finanzierenden Banken wären berechtigt, zusätzliche Sicherheiten (margin calls) zu verlangen, eine Restrukturierung der Darlehen zu verlangen oder letztlich die Darlehen fällig zu stellen mit der Folge, dass Wirecard offene Forderungen in Höhe von 2 Milliarden EUR bedienen müsste, ohne über die entsprechenden Mittel zu verfügen. Aus diesem Grund wurde nun der Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens gestellt (Überschuldung und drohende Zahlungsunfähigkeit).

- Welche Theorien gibt es über die 1,9 Milliarden EUR?
Zunächst wurde es so dargestellt, dass der philippinische Treuhänder Bankunterlagen gefälscht habe und sich mit dem Geld vom Acker gemacht habe. Dieses Bild hat sich nun erheblich gewandelt und selbst Wirecard geht davon aus, dass dieser Gelder schlicht nicht existieren.

- Wie ist das herausgekommen?

In Bezug auf Wirecard gibt es seit Jahren Angriffe von HedgeFonds, die erhebliche Zweifel an dem Geschäftsmodell geäußert haben. Das ist grundsätzlich nicht ungewöhnich, da diese Fonds auch von Wetten gegen Unternehmen leben und ihre Positionen durch Öffentlichkeitskampagnen stützen wollen. Bei Wirecard war die Intensität und Häufigkeit dieser Vorwürfe aber außergewöhnlich hoch.

Um einen Befreiungsschlag zu landen, beauftragte man KPMG als Sonderprüfer (mit besonderen Befugnissen, darauf gehe ich später noch ein) diese Vorwürfe aus dem Weg zu räumen. Der Versuch schlug fehl. Zwar konnten einige Vorwürfe entkräftet werden, als Ergebnis blieb aber, dass die Kontrollmechanismen Wirecards unzulänglich sind.

Im Lichte dieses Reports hat der Wirtschaftsprüfer EY nun bei manchen Belegen Bankbestätigungen eingefordert, u.a. hinsichtlich dieser 1,9 Milliarden EUR. Eine solche wurde nicht abgegeben, so dass EY den Abschluss nicht bestätigen konnte.

- Was ist die Aufgabe eines Wirtschaftsprüfers? Was wird geprüft? Auf welcher Basis werden die Belege geprüft?

In diesem Fall haben die Wirtschaftprüfer den Jahresabschluss 2019 zu prüfen. Hierzu werden die vom Unternehmen gestellten Unterlagen und Belege gesichtet, geordnet und bewertet.

- Welche Pflichten hat der Wirtschaftsprüfer nicht?

Der Wirtschaftsprüfer wird nicht forensisch tätig, d.h. er hat nicht die Pflicht, die Authenzität der vorgelegten Belege in Frage zu stellen. Gleichwohl hat er stichprobenartig die Belege zu prüfen und gemäß IDW Prüfungsstandard Bestätigungen Dritter (hier der Bank) einzuholen. Letzteres ist ein Anknüpfungspunkt für Anleger, die nun EY in Anspruch nehmen wollen. Zugleich ist aber auch zu berücksichtigen, dass hier mit offenbar hoher krimineller Energie gearbeitet wurde und die vorgelegten Bankunterlagen "sehr gut gemachte Fälschungen sein" sollen.

- Ist EY schuldlos an der Situation?

Keine Ahnung. Das wird sich in aufwendigen Verfahren aufklären. Aber das pauschale "der Wirtschaftsprüfer ist schuld", das hier so oder ähnlich geäußert wurde, zeugt entweder von großer Ahnungslosigkeit oder sehr vertieftem Wissen um den Fall. Falls letzteres der Fall sein sollte, bitte ich um Erläuterungen. Ansonsten sollten wir mit den Bewertungen vorsichtiger sein.

Disclaimer: Ich hatte nie und habe nicht eine irgendwie geartete geschäftliche Beziehung zu EY oder Wirecard.


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