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Verlängerung erbeten (Sonstiges)

Ulrich, Mittwoch, 23.10.2019, 11:25 (vor 1647 Tagen) @ Sven


Wenn man neueren Studien Glauben schenken darf, dann eher weniger hart. Zumindest was Deutschland angeht:

https://www.spiegel.de/wirtschaft/unternehmen/brexit-das-waeren-die-folgen-fuer-deutsche-industrie-sektoren-a-1292779.html

Das spiegelt das wider, was man schon seit längerem lesen konnte. Keine Katastrophe, aber ein harter Brexit würde durchaus deutlich sichtbare Spuren bei der deutschen Wirtschaft hinterlassen.


Ich habe gelesen, dass Deutschland von den EU Ländern von einem No Deal Brexit mit am stärksten betroffen sein würde, insofern gehe ich davon aus, dass auch für die anderen Ländern ein No Deal durchaus verkraftbar wäre.

Was die absoluten Zahlen angeht, eventuell. Gemessen an der Wirtschaftsleistung würde es wohl Belgien am härtesten treffen, danach die Niederlande, eventuell Dänemark.


Es geht aber auch darum, jegliche Glaubwürdigkeit zu verlieren. Die Briten werden nicht die Letzten sein, mit der die EU irgendetwas aushandeln wird. Wenn man immer wieder Konsequenzen androht, dann aber jedes Mal einen Rückzieher macht, sobald es ernst wird, wird man irgendwann einfach nicht mehr ernst genommen. Dieser Punkt ist doch längst erreicht.

Ist ein ungeregelter Brexit einmal vollzogen, dann ist der Schaden da. Große Teile der produzierenden Industrie wären vermutlich binnen Monaten irreparabel geschädigt. Ich bin mir sicher, "knallt" es Ende Oktober, dann sind in einem Jahr die Automobilwerke von BMW, Peugeot, den japanischen Herstellern und eventuell sogar Jaguar / Landrover dicht.

Allerdings ist in Großbritannien keine wirkliche Perspektive absehbar. Ein Drittel der Bevölkerung ist klar für den Austritt aus der EU. Ein Drittel ist klar dagegen. Und ein Drittel hat keine klare Meinung.

Und das grundsätzliche Problem bleibt. Diejenigen, die den Brexit vorangetrieben haben, haben völlig unhaltbare Versprechen gemacht. Im Grunde tritt Großbritannien nicht aus der EU aus, sondern aus dem 21. Jahrhundert. Aber um zu beweisen, wie abstrus das Szenario von Johnson, Rees-Mogg, Farage und Co. ist, müsste der Schaden erst einmal angerichtet sein.


Dann kommt so eine hingerotzte (sorry) Erklärung seitens Johnson. Darin hätte als Begründung auch Waddehaddedudeda stehen können. Wie es weitergeht? Die EU wird zusammenkommen und sagen, dass die Geduld am Ende sei, sie aber nochmal eine Ausnahme machen werde und einer letzten Verlängerung zustimmen werde, man aber keinesfalls nochmal das Paket öffnen werde, blablala ... Und dann wundert sie sich ernsthaft, von den Briten nicht ernst genommen zu werden?


Die einzig relevante Frage ist, ist Johnsons Erklärung auch ohne Unterschrift gültig? Da sie der EU auf offiziellem Wege zugegangen ist, spricht zumindest vieles dafür. Eine Verlängerung bis zum Jahresende oder - um den Jahreswechsel zu vermeiden - z.B. bis Ende Januar 2020 erscheint mir sehr wahrscheinlich. Eventuell werden das die EU-Staaten mit einer Forderung nach Neuwahlen koppeln. Aber ob es danach klare Verhältnisse geben würde? Eher unwahrscheinlich.


Genau das ist doch aber das Lächerliche. Ursprünglich ging es der EU darum und sie hat das wiederholt scharf formuliert, Verlängerungen nur zu akzeptieren, wenn diese eine wirklich sehr gute Begründung beinhalten. Die Briten wissen mittlerweile natürlich sehr gut, dass sie die EU hier nicht ernst nehmen müssen und sich alles erlauben dürfen. Jetzt geht es der EU auch schon gar nicht mehr um die Begründung und wie gut diese ist, sondern nur noch um die bange Frage, ob der Verlängerungsantrag ohne Begründung und ohne Unterschrift der EU ausreichen darf, damit man wieder mal verlängern darf. Es sind eigentlich die Briten, die Angst haben müssten. Aber die Panik sieht man nur der EU an. Dann sollen sie doch wenigstens das ehrlich aussprechen, was die Briten und alle anderen doch sowieso schon längst wissen. Zitternd den harten Mann markieren, um es mal so zu umschrieben, ist nur noch ein lächerliches Schauspiel und ich ertappe mich immer wieder beim Fremdschämen.

Noch ein anderer Punkt: Es gibt, gerade in der heutigen Zeit des Populismus und Nationalismus, so viele Menschen, die sehr kritisch auf die EU und ihre Handlungen schauen. Europaweit. Ich habe den Eindruck, dass den handelnden Personen in der EU überhaupt nicht klar ist, wohin das führt, wenn sie weiter so einen Eindruck erwecken wie zuletzt. Stichwort EU Wahlen und Kandidaten durchbringen. Oder jetzt halt auch im Brexit Geschachere. Das Gegenteil wird gebraucht. Eine EU, die den Eindruck erweckt, sinnvoll zu sein und zusammenzuarbeiten und die konsequent ist und die auch konsequent Verantwortung in der Welt übernimmt. Davon ist sie leider meilenwert entfernt und darum wenden sich leider immer mehr von ihr ab, was ich sehr besorgniserregend finde.

Gerade weil der Populist Johnson den harten Brexit so voran getrieben hat, gibt es vermutlich einen starken Antrieb, die Realpolitiker dort nicht im Stich zu lassen. Und man hofft sicherlich noch immer darauf, dass es eine einvernehmliche Lösung gibt. Nicht unbedingt in dem Sinne, dass der Brexit rückgängig gemacht wird. Aber eine, bei der der Warenverkehr mit den Briten in geordneten Bahnen weiter läuft. Und eine, bei der es in vielleicht zehn, fünfzehn Jahren eine Option auf Wiedereintritt in die EU gibt.

"Knallt" es jetzt, dann ist Großbritannien vermutlich binnen kurzem ein "Sanierungsfall". Und selbst wenn man dann wieder eintreten würde, wären von EU-Seite massive Transferleistungen notwendig, um die britische Wirtschaft zu stabilisieren.


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