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[Love Parade] Wenn der Rechtsstaat versagt (Sonstiges)

Knüppler17 ⌂, Donnerstag, 07.02.2019, 12:25 (vor 1905 Tagen) @ Rupo
bearbeitet von Knüppler17, Donnerstag, 07.02.2019, 12:58

Letzte Woche war ich bei einem Vortrag von Prof. Fischer, der sich genau um diese Fragen drehte (hier seine lesenswerte Kolumne zum Thema). Er hielt die Einstellung für vollkommen richtig und sinnvoll, gerade weil sie dem Rechtsstaatsprinzip entspreche.

Rechtsstaat ist eben nicht nur, möglichst fette Strafen aufzubrummen. Sondern mit sehr feinem Besteck vorzugehen und nur zu bestrafen, wenn auch wirklich eine Schuld vorliegt. Die Einstellung wurde ja nicht erwogen bzw. nun vollzogen, weil keine Schuld erkannt wurde - das Gericht hatte ja sehr wohl mitgeteilt, dass es mit relativ hoher Wahrscheinlichkeit eine Schuld feststellen werden könne, diese Schuld aber höchstwahrscheinlich so gering ausfallen werde, dass eine Einstellung gegen Geldauflage möglich sei. Berücksichtigt man dazu, dass die Angeklagten seit fast zehn Jahren im Ungewissen leben, ständig das Damoklesschwert eines schwebenden Strafprozesses über dem Kopf hängen haben, ist das auch nachzuvollziehen.

Und es ist halt auch die Frage, was man da eigentlich bestrafen will? Keiner der Angeklagten ist damals aufgestanden mit dem sicheren Ziel, 21 junge Menschen töten zu wollen. Tatsächlich haben sie aus Fahrlässigkeit Fehler gemacht, die vor ihnen und nach ihnen zehntausende Kollegen ebenfalls unterlaufen sind - in ihrem Fall ist es einfach in die Hose gegangen. Will man dann einem Stadtangestellten ernsthaft 21 fahrlässige Tötungen aufbrummen, wo sein einziger Fehler ggf. darin bestand, ein von einem Kollegen bereits geprüftes und für in Ordnung befundenes Dokument ebenfalls unterschrieben zu haben? Wie hoch soll eine Strafe dafür ausfallen, dass niemand daran gedacht hatte, Lautsprecher für Polizeidurchsagen in die Unterführung zu hängen, die damals wohl gar nicht vorgeschrieben waren, zum Zeitpunkt des Panikausbruchs aber vielleicht hätten helfen können? Ist es da nicht vollkommen angemessen, für diese Nachlässigkeit ggf. eine Geldauflage zu verhängen und es damit nun bewenden zu lassen?

Am Ende ist es immer das Problem solcher riesigen Fälle, dass viele hundert Kleinigkeiten zusammenkommen und viele Personen irgendwo einen Fehler begangen haben, aber niemandem eine Schuld nachgewiesen werden kann, die groß genug wäre, ihm daraus einen Strick zu drehen. Und da muss der Rechtsstaat eben daran gemessen werden, dass er auch gerecht zu den Angeklagten ist und nicht aus dem diffusen Gefühl einiger Journalisten oder Beobachter Urteile ableitet, die unter anderen Umständen nicht verkündet würden. Sowohl die Staatsanwaltschaft, als auch die Nebenkläger scheinen mit der Einstellung des Verfahrens einverstanden zu sein. Selbst wenn sie es nicht wären, würde es keine Rolle spielen, da Opfer grundsätzlich immer eine möglichst hohe Strafe wollen, selbst wenn diese überzogen wäre - weshalb Urteile nicht von Opfern gesprochen werden, sondern von unabhängigen Richtern.

Abgesehen davon fand ich eine Bemerkung Fischers ganz interessant: "Jeder Mensch ist ein Straftäter. Es gibt keinen Erwachsenen in unserem Land, der noch nie - wissentlich oder unabsichtlich - gegen irgendein Gesetz verstoßen und dabei eine Straftat begangen hat. In den meisten Fällen kommt man davon, weil die Straftat keine Konsequenzen hat. Und jeder, der schon mal erwischt wurde beim Ladendiebstahl, bei Steuerhinterziehung, Fahrerflucht nach Parkrempler, irgendeiner Fahrlässigkeit oder anderen Straftat ist froh, wenn er das Angebot bekommt, den Prozess gegen eine Geldauflage einzustellen und nicht einen langwierigen Prozess mit ungewissem Ausgang führen zu müssen." Auch da kann jeder einmal in sich gehen und mit der Frage auseinandersetzen, warum es den Angeklagten in Duisburg in dieser Hinsicht anders gehen sollte.


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