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SPON - Pfiffe gegen Gündogan- Es geht nicht um Politik (Fußball allgemein)

Blarry, Essen, Samstag, 09.06.2018, 23:13 (vor 2145 Tagen) @ Schulten Manni

Ich würde die These vielleicht nicht auf ein allzu stumpfes, den Pöbel triggerndes "alle, die pfeifen, sind Nazis" herunterbrechen. Dafür ist die ganze Situation zu facettenreich.

Natürlich ist nicht jeder, der Gündogan auspfeift, gleich in der Wiking-Jugend organisiert. Jedoch ist der Anhang der Nationalmannschaft seit jeher großzügig durchsetzt mit dem Schlag Menschen, die mit all dem ("Politischen") eigentlich gar nichts zu tun haben, sich aber dennoch irritiert zeigen, wenn man ihnen die Verwendung von Begriffen wie "Neger" abzugewöhnen versucht. Für diesen Unwissenheits- oder Gelegenheitsrassismus sind Länderspiele wie geschaffen, gerade nach 2006 mit diesem Mix aus Patriotismus und nationaler Überhöhung einer "Mannschaft", die sich aus den besten Leibesübenden des ganzen Volkes rekrutiert.

Woran der liebe DFB durchaus seinen Anteil hat mit seiner konsequenten "unpoliddischen" Positionierung. Natürlich kommt kein Publikum mit der gesellschaftlichen Struktur eines FC Sankt Pauli zustande, wenn man mit sich ringen muss, ein antirassistisches Banner im Stadion, in dem man trainieren soll, hängen zu lassen. Wenn man gesellschaftliche Diskussionen im Dunstkreis der Mannschaft per Basta-Dekret für beendet erklärt. Klar führt nicht direkt kausal das Eine zum Anderen, es ist vielmehr dieses krampfhafte Vermeiden eine Position zu beziehen, das die moralischen Grundlagen und Standards einfach verwässern und damit zwar nicht sofort anziehend auf den rechten Rand wirkt, aber zum Mindesten das Verhalten der "Mitte" beeinflusst. Steter Tropfen höhlt den Stein.

Und selbstverständlich spielt es eine Rolle, von welchem ethnischen Hintergrund die Empfänger der, naja, Unmutsbekundungen sind. Selbstverständlich wird bei der affigen "derundder singt die Hymne nicht mit"-Laberei eine Augenbraue mehr hochgezogen, wenn ein etwas südländisch aussehender Spieler schweigt. Zynischerweise haben wir parallel eine Situation, in der ein Nationalspieler, der auf dem Platz Jerome Boatengs Nachbar ist, auf Social Media völlig unverhohlen und immun gegen jede Kritik allerfeinste AfD-Sprache benutzt. Fallout? Ein paar Zeilen beim Focus, das wars. Auch vielsagend.

Zuletzt gilt es zu berücksichtigen: Özil und Gündogan sind richtige Opfer. Im Nachklang der Aktion in London sickerte nämlich durch, dass der Fototermin am Ende des Treffens nicht ganz so abgesprochen gewesen sein soll, wie er letztlich stattfand. Möchte mich hier eher auf Gündogan beziehen, da um Özil, der sich bereits 2016 mit Erdogan getroffen und das Ding in London im Mai genüsslich auf Instagram festgehalten hat, jedes Wort eins zu viel ist:

Ilkay selber trat 2013 und '14 bei Veranstaltungen der Gülen-Bewegung in der Westfalenhalle auf, man kann ihm allein deshalb schon kein besonders freundschaftliches Verhältnis zu Erdogan nachsagen. Dass man sich als Profisportler bei einem Treffen mit einem Staatsoberhaupt egal welchen Landes, wie auch immer es zustande kommt, halbwegs respektvoll verhält, gebieten nunmal Anstand und gute Erziehung. Klar macht man damit nicht gleich Wahlwerbung für denjenigen, es ist aber diskutabel, wie viel Wahl Ilkay vor Ort noch hatte. Ich gebe zu bedenken, dass Erdogans Schergen aktiv Jagd auf Personen im Dunstkreis der Gülen-Bewegung betrieben wird. Auch in Deutschland. Deren deutscher Ausleger, die "Stiftung Bildung und Dialog", ist nach eigenen Aussagen seit Erdogans Machtergreifung von 150000 auf 70000 Mitglieder geschmolzen, weil die Erdoganoven (dibs!) ein Klima der Angst in der türkischen Gemeinde schüren. Es ist daher alles andere als undenkbar, dass Ilkays Familie beim Ausbleiben einer Anbiederung Probleme bekommen hätte können, oder schon bekommen hat. Er wäre nicht der erste, der den Ring des Paten küsst. Nicht aus Respekt, sondern aus Furcht vor dem Mann.


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