[Ehemalige] großes Interview mit Klopp im Guardian (Englisch) (Fußball und Sport allgemein)

Alones, Dienstag, 24.04.2018, 15:58 (vor 2798 Tagen) @ Kulibi77

Das die Leute in Ungarn in ihrer Xenophobie einen korrupten Autokraten wählen, der demokratische Grundwerte mit den Füßen tritt und sich in der EU nur die Rosinen herauspicken möchte, ist wohl kaum die Schuld von Angela Merkel als viel mehr ein Zeichen dafür wie irrational und paranoid die Menschen in Mitteleuropa mittlerweile sind.

Ganz so einfach ist es nicht. Ich denke nämlich schon, dass man die Menschen in Osteuropa noch abholen könnte, wenn man ihnen ein gutes Angebot macht. Es müsste den Menschen z.B. mal ganz klar aufgezeigt werden, wie sich die EU das vorstellt, dass sich die Lebensverhältnisse im Vergleich zu Westeuropa langsam mal angleichen. Stattdessen hat man mit gewaltigen Brain Drain-Effekten zu kämpfen. Die gesamte Jugend verlässt das Land. Und im Westen macht man sich gerne auch mal über solche Geschichten wie den "Nutella-Gipfel" lustig. Dabei hat das einen realen und ernstzunehmenden Hintergrund. Viele Menschen in Osteuropa fühlen sich einfach gedemütigt. Dementsprechend kommt dann am Ende so eine Scheiße wie mit Orban raus.

Das Demütigungsgefühl ist aber zum Teil entkoppelt von der wirtschaftlixhen Lage. Und das Versprechen eines schnellen Angleichens der Lebensverhältnisse hätte man nie machen dürfen. Wir haben allein zwischen 1-2 Billionen Euro ausgegeben um 16 Millionen Osis auf ~80% des Westniveaus zu bringen. Einen Braindrain gab es trotzdem und zufrieden sind die Osis auch nicht. Und die DDR war noch die am besten aufgestellte Volkswirtschaft im Ostblock.

Ich hatte ja schon mal den Vorschlag gemacht, dass wir einen europäischen Mindestlohn einführen sollten. Wenn ein deutsches Unternehmen z.B. nach Ungarn geht (Audi in Györ ist ein gutes Beispiel), weil dort die Löhne geringer sind, dann kommen sich die Menschen eben einfach verarscht vor, wenn sie für die gleiche Arbeit viel schlechter bezahlt werden als in Deutschland. Sind die Menschen in Ungarn weniger wert, oder was soll das? Das lässt sich auch durch geringere Lebenshaltungskosten nicht ausgleichen. Zumindest in der EU dürfte es meiner Meinung nach solche Dinge einfach nicht geben. Kein Wunder, dass sich dann ein Gefühl von Demütigung breit macht. Im Umkehrschluss müsste man dann aber auch erwarten können, dass Ungarn ein paar Flüchtlinge aufnimmt, wenn es nötig ist.

Ansonsten müssen wir jetzt einfach mal diese Grundsatzentscheidung treffen. Wollen wir als Europa weiter zusammenwachsen, oder nicht. Ich befürchte, wenn wir nicht bald damit anfangen, ein soziales und solidarisches Europa aufzubauen, wird sich das Projekt EU bald von selbst erledigen. Fest steht für mich nur, dass es so, wie es aktuell ist, nicht weitergehen darf.