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Interview mit Frank Mill bei 11freunde (BVB)

Will Kane, Saarbrücken, Samstag, 25.07.2020, 13:13 (vor 1369 Tagen) @ Jurist81

Danke für die Verlinkung. Sehr interessantes Interview. Am meisten beunruhigen mich die Ausführungen zum Doping.

Diese "eine mal, aber ich sage nicht wann" klingt wenig plausibel. Vor allem im Kontext mit der Nationalmannschaft "wir haben da so Pillen bekommen, Schmerztmittel, Vitamine und sonstiges". Das klingt für mich eher danach, als wären die Spieler unbewusst gedopt worden. Da ich die Qualität der damaligen Dopingproben nicht kenne, kann ich da nur Ungutes befürchten. Und der Illusion, dass der Sport heute sauberer wäre, gebe ich mich gar nicht erst hin.

Es gibt einige valide Dokumentationen über das Thema Doping im Fußball.

Man sollte sich immer vergegenwärtigen, dass im Sport, vornehmlich im Wettkampfsport, gedopt wird seit es ihn gibt. Für Geschichtsinteressierte ist es diesbezüglich vielleicht interessant, sich einmal mit dem Doping der Athleten der Olympischen Spiele der Antike zu befassen. Neben der schlichten Motivation, einfach der Beste sein zu wollen, sind die damaligen Kämpfer auch nicht nur für einen Lorbeerkranz in die Arena gestiegen. Und für die Eigenvermarktung war so ein Olympiasieg schon damals im wahrsten Sinne des Wortes Gold wert.

Der größte Olympiasieger aller Zeiten ist übrigens der römische Kaiser Nero. Seine Lorbeerkränze hat er zwar in Wettbewerben wie Gedichtkunst oder Gesang erhalten, aber dies waren halt auch olympische Disziplinen. Gedopt war er wahrscheinlich nicht, dafür liebte er wie Erich M. doch alle...

Aber zurück zur Neuzeit und zum modernen Doping, bei dem Mannschaftssportarten nie außen vor waren. Auch nicht der Fußballsport.

Wobei Doping und kriminelles Handeln immer miteinander einhergingen. Bei norditalienischen Fußballclubs z.B. erhielten Ende der 50er schon Spieler ein Steroid des Schweizer Unternehmens Ciba, das erst ein Jahr später auf den Markt kam. Die Spieler wussten wohl nicht was sie erhielten, hinterfragten dies auch nicht, es wurde ja vom Arzt verabreicht.

Anders verhielt sich Sandro Mazzola einige Jahre später, als der ‚Hexer‘ Helenio Herrera Inter Mailand zur legendären Mannschaft ‚Grande Inter‘ nicht nur mittels talentierter Spieler und seiner berühmt-berüchtigten Version des Catenaccio formte. Herrera zwang seine Spieler, einen Tee zu trinken, dessen Inhalt sie nicht kannten. Mazzola vermutete nicht ganz zu Unrecht Aufputschmittel, fürchtete sich vor den Nebenwirkungen und weigerte sich diesen Tee (bei dem das medizinischen Personal zumindest bei dessen Verabreichung nicht involviert war). Der Streit mit Herrera darüber eskalierte, letztlich konnte und wollte der Trainer nicht auf seinen Starspieler verzichten. Darüber gesprochen hat Mazzola allerdings erst Jahrzehnte später.

Aufputschmittel wie das bekannte Captagon waren lange Zeit im Profifußball gebräuchlich, auch in der Bundesliga. Nicht nur Toni Schumacher hat dies thematisiert. Im Laufe der Zeit wurden auch Muskelaufbaupräparate immer beliebter, insbesondere bei zentralen Defensivspielern. Jaap Stam lässt grüßen, der ja jeden verklagen wollte, der ihn mit Anabolika in Verbindung brachte. Apropos verklagen, ein Beispiel aus dem Italien der 90er: Die findigen dortigen Juristen machten weltberühmte,hochkarätige Fußballspieler in Sachen Dopingvergehen schlicht zu Zeugen statt zu Angeklagten, sodass diese dann unbestraft weiter kicken durften.

Muskelaufbaupräparate spielten auch dann auch eine immer größere Rolle in der Rekonvaleszenz nach Verletzungen. In dieser Phase wurde im Fußball vor noch nicht allzu langer Zeit überhaupt nicht auf Doping gestestet. Ein langwieriger verletzungsbedingter Ausfall eines Spielers bringt zwangsläufig wehhgen fehlenden Trainings einen Abbau von Muskelgewebe mit sich. Um die Genesung, den Wiedereinstieg ins Training und die Rückkehr auf das Spielfeld zu beschleunigen, griff man seitens der Mediziner zu anabolen Substanzen. Die sich nicht mehr nachweisen lassen, wenn der Spieler wieder auf dem Platz steht.

Doping ist halt immer auch eine Frage des Timings. Was insbesondere auch für den Ausdauerbereich und damit EPO gilt. Wie andere Pharmazeutika ein Segen für Menschen mit bestimmten schweren Erkrankungen, ein Fluch für den Sport. Seit den 80ern im Radsport und Schwimmen gebräuchlich, mittlerweile Standard. Im Fußball vor allem dann ‚sinnvoll‘, wenn eine lange Saison mit über 50 Spielen mit viel Tempo und Hohlheit Laufleistung zu absolvieren sind. Da muss in der Vorbereitung geschickt gearbeitet werden, um auch am Saisonende noch ‚pep-ige‘ Leistungen auf dem Platz bringen zu können. Hilfreich ist es da sicher, wenn Frauenärzte Männer nicht direkt als Mannschaftsärzte betreuen, sondern sich ‚im Umfeld‘ bewegen. Und was für Radfahrer gut ist, kann für Tennis- und Fußballspieler nicht schlecht sein...

Und im Bereich der Kontrollen ist es so wie bei den Autobauern und den Autodieben. Bringen die Hersteller ein neues Diebstahlsicherungssystem zur Anwendung, haben die Diebe bereits herausgefunden, wie sich dies aushebeln lässt.

Ein weites Feld.

Aber die Welt will halt betrogen werden. Viele wollen es auch einfach gar nicht wissen. Ich schaue mir auch die Tour an und bin immer wieder von ihr fasziniert, obwohl ich genau weiß, was ich da ausblende und welcher Illusion ich da erliege.


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