Werder und ihre Trainer (Spieltage)

Will Kane, Biosphärenreservat Bliesgau, Donnerstag, 05.03.2020, 14:14 (vor 2120 Tagen) @ Tom Frost

Gegen sich geschickt einigelnde Gegner sehen auch spielstarke Mannschaften oft schlecht aus.

Vollkommen richtig. Kann man jede Woche in allen Ligen der Welt beobachten. Da kommen selbst Real, Barça, Liverpool, MańCity, PSG oder Bayern ab und an in die Bredouille. Auch der BVB, ganz gleich wer gerade Trainer ist.

Ich habe in letzter Zeit kein Fortuna-Spiel gesehen und kann zur aktuelle spielerischen Stärke/Schwäche nichts sagen. Aber ich glaube, dass diese im Abstiegskampf nicht so sehr ins Gewicht fällt, da die spielerischen Aufgaben in der Liga für Fortuna andere sind. Klar sollte man einen Angriff sauber ausspielen können und hinten nicht nur rausbolzen. Aber dass sie gegen einen unterklassigen Gegner nicht gewinnen macht es für mich erstmal nicht unwahrscheinlicher, dass sie gegen einen Erstligisten ein Unentschieden holen.
Hinten erstmal sicher und vorne dann mal gucken scheint mir im Tabellenkeller hilfreicher als vorne Pech haben und hinten ausgekontert werden, überspitzt gesagt.

Das ist vollkommen klar. Fortuna ist einer der underdogs der Liga und spielt entsprechend auch den Fußball, den underdogs spielen bzw. meist spielen müssen. Spielerisch-taktisch können sie mit den meisten anderen Teams nicht mithalten, so bleibt halt nur der Ansatz über defensive Kompaktheit und Konter / Standards. Trifft man dann auf einen unterklassigen Gegner, der denselben Spielansatz wählt bzw. wählen muss, dann tut sich ein solches Team wie die Fortuna dann besonders schwer. In der Liga werden den Düsseldorfern allerdings nicht viele andere Teams begegnen, die ihnen spielerisch unterlegen sind.

Bei Bremen wirkt es auf mich permanent so, als sähen sie sich irgendwie zu Unrecht im Absteigskampf und müssten mal schauen, wie sie da wieder rauskommen.

In der Hinrunde hatte man in der Tat mit großem Verletzungspech zu kämpfen, Kohfeldt musste ständig hinsichtlich der Aufstellung improvisieren und das Training leidet natürlich, wenn ständig Spieler ausfallen oder sich im Aufbau befinden. Und Interessanterweise spielte man in dieser Phase recht ansehnlich und war eigentlich erfolgreicher, als es die Situation hätte erwarten lassen. Vielleicht war dies der Grund, warum man lange Zeit an Saisonziel EL festgehalten hat, obwohl die Realitäten anders aussahen. Erst zum Ende der Hinserie wurde über das Thema Abstiegskampf gesprochen.

In der Winterpause wurde nachverpflichtet, einige Langzeitverletzte kamen zurück und Kohfeldt stellte auf eine Dreierkette um. Seitdem läuft allerdings noch weniger. Seit Mitte Dezember hat man kein einziges eigenes Tor mehr erzielt. Die Schwäche bei Defensivstandards ist geblieben und das Spiel nach vorne ist noch harmloser geworden. Im Angriffsdrittel tut sich bei Werder gar nichts. Selke hängt vollkommen in der Luft, Bittencourt ist bemüht, trifft aber ständig die falschen Entscheidungen, Rashica wird immer blasser in seinen Auftritten, weil er seine Stärken nicht mehr ausspielen kann, Osako ist ein Spieler, der in einem 4-4-2 neben/ hinter einem Stoßstürmer am besten aufgehoben ist, aber alles andere als ein zentraler Stürmer oder Spiellenker. Das Spiel aus der Zentrale heraus ist ein einziges Manko. M. Eggestein und Klaassen spielen die gesamte Saison schon weit unter Form, und die großen Kreativköpfe und Spiellenker sind sie ohnehin nicht.

In diesem Zusammenhang finde ich persönlich die aktuelle Situation Sahins interessant. In der Rückrunde der letzten Saison wurde er für Kohfeldt auf dem Platz mit seiner Spielübersicht, Spielintelligenz und seinem Passspiel immer wichtiger. Sei es als ‚Libero‘ in Spielen, in denen Kohfeldt mit einer Fünferkette spielen ließ, sei es auf der zentralen Position vor der letzten Abwehrreihe. Seine Geschwindigkeitsdefizite sind jedem bekannt, dennoch fielen sie auch im Defensivspiel nicht so stark ins Gewicht. In der Hinrunde der aktuellen Spielzeit war dies auch noch so, aber seine Stellung als ‚verlängerter Arm des Trainers auf dem Spielfeld’ verlor er mehr und mehr. Tatsächlich wurde seine fehlende Geschwindigkeit immer deutlicher zum Risikofaktor, was aber auch daran lag, dass seine unmittelbaren Mitspieler dies nicht wie noch in der Vorsaison auffangen konnten. Er machte Fehler, wurde aber auch mehr und mehr zum Sündenbock.

In Bremen spricht man außerhalb der offiziellen Verlautbarungen davon, dass es zu einer Auseinandersetzung zwischen Kohfeldt und Sahin gekommen sein soll. Sahin soll in der Kabine taktische Anweisungen des Trainers kritisiert haben und das wäre der eigentliche Grund, warum er nicht mehr berücksichtigt würde. In einem Spiel wurde er bereits vor der vierzigsten Minute vom Platz genommen (obwohl es dafür noch etliche andere Kandidaten gegeben hätte) und nach dieser ‚Demütigung‘ ist er endgültig außen vor. Nur wenn Werder wieder einmal im Offensivdrittel Chancen kreieren will, dann wird man um einen adäquaten Spielaufbau nicht vorbeikommen. Und der ist am ehesten aus dem Kader durch Sahin zu gewährleisten.

Kohfeldt hat sehr lange, mMn zu lange an seinen Wunschvorstellungen des offensiven Kombinationsspiels festgehalten, obwohl durch die Veränderungen im Kader und die Verletzungsmisere diese Spielweise nicht mehr gepasst hat. Der Versuch, in der Winterpause mehr defensive Stabilität zu erreichen, hat eigentlich nur dazu geführt, dass das Offensivspiel fast gänzlich brach liegt.

In Berlin gegen eine verstört wirkende Hertha geht es nun um die Wurst. Gelingt hier kein Erfolgserlebnis, dann wird es ganz bitter. Der Vorteil der Berliner ist, dass sie zuletzt ein Positiverlebnis hatten, als man in Düsseldorf noch einen Drei-Tore-Rückstand aufholte. Werder läuft mit einem erneuten Negativerlebnis auf. Wir werden sehen.

Fortunas Erwartungshaltung ist trotz des Ausreißers letzte Saison als relativer Neuling der Abstiegskampf, das scheint mir ein Vorteil zu sein.

Das mag sein, ja. Auf jeden Fall hat Fortuna im Gegensatz zu Werder in der Trainerfrage gehandelt. Ob es die richtige Entscheidung war, wird sich zeigen