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Fernsehtipp Arte 22 Uhr 10 WOODSTOCK (Sonstiges)

Will Kane, Saarbrücken, Donnerstag, 22.08.2019, 00:54 (vor 1708 Tagen) @ Elmar

Deine pophistorische Einordnung finde ich bemerkenswert.
Santana und Joe Cocker wurden zu Stars.
Crosby, Stills, Nash traten das erste mal zusammen live auf.
Hendrix und seine Interpretation der Hymne gehört zur Spitze der Musikgeschicht
Und das Lineup war auch herausragende. Es fehlten Doors, Stones und Beatles. So ziemlich alle anderen waren da.
Janis, CCR, Grateful Dead, Melanie, Jefferson Airplane...
Und kein Hippie Festival? Der Ordnungsdienst bestand aus 2 Personen einer Hippie Kommune, die auch die Besucher bekochten.
Wenn das nicht Hippie ist.

Nun, meine popmusikhistorische oder wenn man so will popkulturhistorische Einordnung erklärt sich aus der Inbezugnahme des Woodstockfestivals 1969 zum Monterey International Pop Music Festival 1967. Oder auch übergeordnet aus der Bedeutung des Jahres 1967 im Vergleich zum Jahr 1969 für die Popkultur.

Niemand wird je bestreiten, dass die großartigen Performances von z.B. Santana oder Joe Cocker (die beide bis dahin zumindest in den USA so gut wie unbekannt waren) auf dem Woodstockfestival der Beginn ihrer Weltkarrieren waren. Allerdings lohnt es sich, jenseits des vom Festivalfilm vermittelten Eindrucks und auch ohne ‚Ansehen von Rang und Namen’ die Qualität der Auftritte der verschiedenen Künstler einmal genauer zu betrachten. Aber dazu später.

Kleiner Einschub: Für Joe Cocker ging es mit oder nach (je nach Gusto) seiner ‚Mad Dogs and Englishmen‘-Tour durch Nordamerika erst einmal steil bergab. Im Gegensatz zu Santana. Die habe ich übrigens so um 1970 herum im Dortmunder Club ‚Fantasio‘ live erlebt. Unglaublich, was Ruud van Laar damals auf die Beine gestellt hat in meiner Heimatstadt. Dauernd pleite, aber immer wieder etwas Neues gemacht!

Aber zu 1967. Was macht dieses Jahr so besonders?

Zum einen war 1967 das Jahr des ‚summer of love‘. Es war dieses Jahr und kein anderes. In Kalifornien, insbesondere in San Francisco und dort in Haight-Ashbury hatte sich aus kleinen Anfängen so etwas wie eine Bewegung von Jugendlichen und jungen Erwachsenen gebildet, die sich den herrschenden gesellschaftlichen Normen und Zwängen verweigerten und eine Art ‚Gegenkultur‘ leben wollten, ohne dabei politisch revolutionär wirken zu wollen. Dazu gehörten u.a. freie Liebe, friedvolles Miteinander, Verzicht auf Eigentum, friedlicher Protest gegen den als unsinnig empfundenen Vietnamkrieg. Aber auch ‚Bewusstseinserweiterung‘ durch Drogen. LSD war in Kalifornien lange Zeit legal. Intellektuelle Beatniks nannten diese jungen Menschen ‚Hippies‘, was eine eher abwertende Verniedlichung von ‚hip‘ war. Aber diese Bewegung zog viele Künstler an, auch viele Musiker‘. So entstanden z.B. in diesem Umfeld die ‚Greatful Dead‘. Und diese in der Stadt gar nicht so gerne gesehenen Hippies haben den ‚summer of love‘ ausgerufen. Ein Meilenstein der Popkultur. Musikalisch präferierte man eine Stilrichtung zwischen Folk und psychedelischer Musik. Jefferson Airplane wurden auch in diesem Umfeld groß. ‚Love and Peace‘ oder ‚Make Love, not war‘ als plakative Botschaften entstanden 1967 dort.

1967 war gleichzeitig das Jahr, in dem das wahrscheinlich bedeutendste Album der Popmusikgeschichte erschien: ‚Sergeant Pepper‘s Lonely Heart‘s Club Band‘ der Beatles. Schon bei ‚All you need is love‘ zeigten sich die Fab Four von der Hippiebewegung inspiriert. Auch die intensive Beschäftigung mit indischer transzendentaler Musik war durchaus von der Hippiebewegung beeinflusst. Und nicht zuletzt an ihrer Kleidung merkte man den Beatles ihre Hippieorientierung an.

Tja, und dann kam die Idee in Kalifornien auf, nicht nur der Musik der Hippiebewegung, sondern der gesamten aktuellen Musik der jugendlichen Subkultur in Form eines Festivals eine Bühne zu geben. Klassische Musik, Jazz, auch Folkmusik hatten ihre Festivals. Aber ein Festival wie das geplante hatte es noch nie gegeben. Sicherlich spielten wie immer auch kommerzielle Interessen eine Rolle, aber beim in Monterey stattfindenden Festival war dies nicht die Hauptintention der Veranstalter. Dieses Pionierfestival war nicht nur das erste seiner Art, sondern auch eines, das von Musikern initiiert und organisiert wurde. Federführend war dabei John Phillips von ‚The Mamas and the Papas‘. Im Organisationskommittee waren u.a. die Beatles und die Beach Boys vertreten. Die Beatles mussten dann aber konsequent wieder das Komitee verlassen, weil sie nicht auftreten wollten. Die Stones waren sich wohl diesbezüglich uneinig, Brian Jones war jedenfalls vor Ort. Brian Wilson, der wohl bereits psychische Probleme hatte, zog direkt vor dem Auftritt die Teilnahme der Beach Boys zurück.

Monterey war der Durchbruch für viele Künstler, die zwei Jahre später dann in Woodstock als etablierte Stars auftraten. Jimi Hendrix hatte seinen ersten Auftritt in den USA überhaupt; er war dort bis dato völlig unbekannt. Für Janis Joplin war es der Start ihrer eigentlichen Karriere. Jefferson Airplane erlangten erste Berühmtheit. Auch die Greatful Dead. Ebenso Musiker, die bei den Byrds oder bei Buffalo Springfield spielten und danach ihre Solokarrieren starteten. Für The Who war es der Durchbruch in den USA, ebenso für Eric Burdon and The Animals. Otis Redding machte die Soulmusik à la Stax dem weißen Publikum bekannt. Ravi Shankar trat erstmals vor großem Publikum im Westen auf. Nicht vergessen darf man den Auftritt von Scott Mckenzie. Im Mai hatte er den von seinem Freund John Phillips geschriebenen Titel aufgenommen, im Juni sang er ihn in Monterey: „If you‘re going to San Francisco, be sure to wear some flowers in your hair, if your going to San Francisco, you‘re gonna meet some gentle people there...“ Der Song ging um die Welt und wird auch heute noch als ‚Hippie-Hymne‘ bezeichnet. Ein wenig kitschig, ein wenig idealisierend, aber er gab das Gefühl in der Hippiebewegung schon irgendwie treffend wieder. Wahrscheinlich hat dieser Song mehr Aufmerksamkeit für die Hippies gebracht als sonst irgendetwas.

Allerdings auch mit negativen Folgen. Immer mehr junge Menschen, darunter viele Ausreißer, zog es nach San Francisco, um dabei zu sein. Es kam zu Obdachlosigkeit, Verwahrlosung, Versinken im Drogensumpf, hygienisch unhaltbaren Zuständen. George Harrison meinte einmal, dass das Drogenelend von Haight-Ashbury ihn zur Abkehr von den Drogen gebracht habe.

Das Ende des Jahres 1967 war auch das endgültige Ende des ‚summer of love‘. In San Francisco wurde symbolisch der ‚letzte Hippie‘ zu Grabe getragen. Die Bewegung zerfaserte. Die Drogen hatten ihr Zerstörungswerk weit vorangebracht, es gab politische Radikalisierungen und nicht zuletzt auch Kommerzialisierung. Sicherlich existierten noch Hippiekommunen auf dem Lande für längere Zeit. Aber es war nicht nur der Höhepunkt der Hippiebewegung überschritten, sie trudelte allmählich dem Ende entgegen.

Jetzt müsste ich eigentlich etwas über das Jahr 1969 und das Woodstockfestival schreiben. Mal gucken, vielleicht in einem anderen post.


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