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Chemnitz raus (Spieltage)

Ulrich, Montag, 12.08.2019, 10:33 (vor 1690 Tagen) @ Elmar

Es war und ist ein großer Fehler, den Menschen im Osten den Stolz auf Geleistetes zu nehmen.
Dabei geht es nur um das Gefühl, dass ihr Schaffen vor der Wende nichts wert ist.

Ich glaube, man hat ganz im Gegenteil versäumt, die wirtschaftliche Entwicklung in der DDR vernünftig aufzuarbeiten. Das hat dann dazu geführt, dass "Dolchstoßlegenden" verbreitet werden konnten.

Die DDR war bereits Anfang der Achtziger wirtschaftlich am Ende. Vor der Zahlungsunfähigkeit hat den Staat damals ausgerechnet Franz-Josef Strauß gerettet. Der vermittelte einen Milliardenkredit, der die DDR noch einige Jahre über Wasser hielt.

Aber trotzdem pfiff die DDR-Industrie weiter auf dem letzten Loch. Es gab einige wenige moderne Anlagen, die hauptsächlich für den Export in den Westen produzierten. In der Regel war die Technik völlig überaltert, teilweise stammte sie noch aus der Zeit vor 1945. Über Jahrzehnte hatte die DDR-Führung es versäumt, Modernisierungsmaßnahmen in die Wege zu leiten.

Auf den Straßen der DDR hatten das die Menschen tagtäglich vor Augen. Wartburg und Trabant waren Fahrzeuge aus den Fünfzigern, die Technik war teilweise noch älter, sie stammte von DKW- und BMW-Fahrzeugen aus der Vorkriegszeit. Und das gleiche gilt auch für die Werke, in denen diese Fahrzeuge gebaut wurden. Wer in der DDR wirklich Geld und Beziehungen hatte, der fuhr eines der raren West-Fahrzeuge. Dann kamen Skoda, Lada und Dacia. Und erst zum Schluss die Fahrzeuge aus der eigenen Produktion. Es gab immer wieder Versuche, modernere Fahrzeuge zu entwickeln, aber es blieb maximal bei Prototypen, politisch war so etwas von der DDR-Führung nicht gewollt.

Ähnlich sah es auch bei Schwerindustrie, Kraftwerken, etc. aus. Überall waren die Anlagen in der Regel völlig überaltert, man hielt sie trotzdem mit extrem hohem Aufwand am Laufen.

Natürlich haben viele Menschen dort ihr Bestes gegeben. Aber andererseits hat man sich auch mit dem kaputte System dort arrangiert. Mir hat beispielsweise mal jemand erzählt, wie viel sein Arbeitgeber zu DDR-Zeiten, ein Alu-Werk, jährlich für Trabant-Ersatzteile ausgab. Es war eine riesige Summe. Trabants gab es im Kombinat kaum, die Teile gingen auf krummen Wegen an Mitarbeiter, und die nutzten sie entweder für ihre eigenen Fahrzeuge oder für den Tauschhandel.

Letztlich war die DDR ein extrem ineffizientes System, es wurden Unmengen an Ressourcen einfach "verbrannt", das galt auch für die menschliche Arbeitsleistung. Nach der Wende war ein sehr großer Teil der DDR-Wirtschaft einfach nicht konkurrenzfähig, und auch die Infrastruktur war völlig marode. Es sind riesige Summen von West nach Ost geflossen, um Straßen, Eisenbahnlinien, Kanäle, Kraftwerke, Stromnetz, Telefonnetz, etc. zu modernisieren.

Ein großes Problem ist zudem der Bevölkerungsrückgang in weiten Teilen Ostdeutschlands. Hier hat es gleich zwei Wanderungswellen gegeben. Einmal vom Ende des Zweiten Weltkriegs bis zum Bau der Mauer, und einmal nach der Wende. Abgewandert sind vor allem die Jungen, die Mobilen, die gut gebildeten. Dies hat einerseits zu einer deutlichen Überalterung geführt, und andererseits wurde die öffentliche Infrastruktur massiv zurück gebaut. Kindergärten, Schulen, Polizeiwachen, Behörden wurden geschlossen, die Wege für viele immer länger. Hier stellt sich natürlich die Frage, ob das immer notwendig war. Aber so etwas ist natürlich auch eine Kostenfrage. Wer hält beispielsweise eine Grundschule offen, wenn pro Jahrgang nur noch eine einstellige Anzahl von Schülerinnen und Schülern da ist?

All diese Fragen sind viel zu selten offen diskutiert worden.


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