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Mario Götze: Danke (Übersetzung) Fortsetzung (BVB)

Giog, Mittelhessen, Montag, 20.05.2019, 13:05 (vor 1803 Tagen) @ Giog

Es war unmöglich, das Folgende kommen zu sehen.

Wisst ihr, Leute sprechen über das Tor, das Tor, das Tor.

Für mich ist das Tor der unwichtigste Teil des Ganzen. Den Ball so zu schießen … das habe ich tausend Mal gemacht. Das Tor ist nur die Konsequenz einer Entscheidung, die ich im Hotel traf, nämlich aufzuhören, deprimiert zu sein, wie die Dinge liefen, sondern mich ausschließlich auf das Training vor dem Finale zu fokussieren.

Das Tor war zum Teil Glück.

Der Trainer hätte sich entscheiden können, mich nicht einzuwechseln. Er hätte einige andere Spieler nutzen können.

Andre Schürrle hätte sich entscheiden können, die Flanke nicht auf mich zu schlagen. Er sah kaum hoch.

Der Ball hätte nur ein wenig anders im Strafraum herunterkommen können. Ein Meter nach links oder nach rechts.

Der Torwart hätte eine Hand am Ball haben können.

Als der Ball meine Brust trifft, habe ich vielleicht ein schlechtes Mindset. Vielleicht glaube ich nicht daran.

Vielleicht passiert dieser Moment dann nie.

Es gibt eine Million verschiedene Szenarien, in denen ich nicht derjenige bin, der das spielentscheidende Tor im Maracana schießt.

Das Tor ist mehr als ein Traum. Aber was mich glücklicher macht, ist die Art und Weise, wie ich die Situation vor dem Spiel gehandhabt habe. Ich war am Tiefpunkt meiner Karriere und plötzlich, drei Tage später, bin ich der Held und wir sind Weltmeister. Der Prozess, diese Widrigkeiten zu überwinden, ist das inspirierende für mich, nach allem, was ich bis dahin durchlebte.

Ich war nicht vorbereitet auf die Erwartungshaltung. In der Presse wurde so viel aus dem „Messi-Kommentar“ von Löw gemacht. Als er mich im Finale von der Bank rief, sagte er wohl etwas wie „Zeig der Welt, dass du besser bist als Messi“. Ehrlich gesagt, habe ich das gar nicht wahrgenommen. Ich war so fokussiert auf die Taktik und was ich zu tun hatte. Ich hörte das gar nicht richtig.

Als er es auf der Presskonferenz wiederholte, wurde das eine große Sache. Da war schon so viel Druck bei Bayern. Der Vergleich war vermutlich nicht das Beste für mich, im Alter von 22 Jahren. Was die Leute dann von mir erwarteten, war außerhalb jeder Reichweite.

Wir sind Menschen, erinnert euch daran. Ich weiß, dass es einfach ist, das zu vergessen. Aber ich wurde ziemlich deutlich nach der WM daran erinnert. In den folgenden zwei Jahren hatte ich ziemliche Probleme mit meiner Fitness. Ich trainierte sehr hart wegen all den Erwartungen und hatte ziemliche Schmerzen. Ich verstand nicht so recht, was los war. Ich war total erschöpft und mein Körper fühlte sich so an, als ob er zusammenbrechen würde. Schließlich wurde eine Stoffwechselerkrankung diagnostiziert und viele sagten, dass das Ende meiner Karriere sein würde.

Ich musste Reha machen und für ein paar Monate einen Gang zurückschalten um mich wieder zu erholen und auf eine gewisse Weise war das für mich persönlich eine gute Sache. Natürlich möchte man nie gesundheitliche Probleme haben, aber andererseits hatte sich seit meinem 8. Lebensjahr alles nur um Fußball gedreht. Auch der Gewinn der WM… das mag komisch klingen, aber ich konnte das gar nicht richtig verarbeiten. Wir waren danach drei Wochen im Urlaub, dann kam ich zurück zu Bayern und alles ging weiter, als wäre nichts gewesen. Es ging nur um mehr Erwartungen, mehr Tore, mehr Titel. Bei Bayern war das unnachgiebig.

Als also der Fußball von mir weggenommen wurde, konnte ich die Geschichte zum ersten Mal betrachten. Alles, was ich erlebt hatte – Gutes wie Schlechtes – konnte ich verarbeiten.

Die beste Entscheidung, die ich in dieser Situation traf, war, zurück nach Dortmund zu kommen. Als ich mit 20 ging, hatte ich keine wirkliche Ahnung vom Leben. Es klingt vielleicht lächerlich, aber Fußball war ein Kinderspiel für mich. Du rennst über den Rasen mit einem Ball. Es war nur ein Sport für mich. Aber dann gehst du durch so viele Höhen und Tiefen und verstehst, was es für die Leute bedeutet. Du siehst den Hass, die Liebe, den Druck, all das, und bekommst eine Sicht auf die Dinge.

Nun, der Hass-Aspekt ist etwas, was ich immer noch nicht verstehe. Ich habe immer noch ein gutes Verhältnis zu Bayernspielern, die sehr gut zu mir waren, als ich dort gespielt habe. Ich denke nicht, dass wir uns wegen unterschiedlicher Farben gegenseitig hassen sollten, vor allem, wenn manche von uns zusammen den WM-Titel nach Hause geholt haben. Das ist eine Verbindung, die für immer bestehen wird.

Aber ich habe nun eine andere Sicht auf Dortmund. Einige Leute, die sehr sauer waren, als ich ging, haben mich willkomen geheißen, als ich zurückkam und ich weiß das sehr zu schätzen.

21. November 2009.

Ich weiß, dass sich die meisten Leute nicht an diesen Tag erinnern werden. Es war nichts besonderes. Ein 0:0 gegen Mainz. Aber ich werde es nie vergessen, denn Jürgen Klopp rief mich in der 88. Minute von der Bank und ich gab mein Debüt.

Stellt euch vor, 17 Jahre alt. Du bist ein paar Straßen weiter aufgewachsen. Es war verrückt.

Ich stand von der Bank auf, lief herum und sah zur Gelben Wand und ehrlich gesagt war ich so nervös, dass ich dachte, mir in die Hose scheißen zu müssen, bevor ich einen Fuß auf den Platz setzen konnte.

Wisst ihr, ich weiß, dass Leute das WM-Tor sich noch in den nächsten 100 Jahren ansehen werden und das ist natürlich eine besondere Sache. Aber dieser erste Schritt auf den Rasen im Westfalenstadion ist für mich genauso besonders.

Ich muss also Jürgen Klopp für die Chance danken. Das war der Beginn der Geschichte.

Und wisst ihr was? Ich schätze mich glücklich sagen zu können, dass ich all die Jahre später immer noch nicht die Nummer von diesem Haarspezialisten benötige.

Noch nicht.

Vielleicht irgendwann, in weiter Zukunft.

Abschließend, der wichtigste Punkt…

Ich möchte den Dortmundfans dafür danken, dass sie mir den Rücken gestärkt haben in dieser Saison. Das war sehr besonders für mich. Wir haben zusammen so viel erlebt. Ich persönlich war ganz oben und ganz unten. Ich weiß nicht, wohin die Reise geht, aber ich möchte nur festhalten, dass dieser Club ein wichtiger Teil meines Lebens ist und dass ich sehr glücklich bin, Fußball wieder genießen zu können.

Danke.

Mario


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