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Mario Götze: Danke (Übersetzung) (BVB)

Giog, Mittelhessen, Montag, 20.05.2019, 13:05 (vor 1802 Tagen) @ Knolli

Hab den Text für meinen Vater übersetzt, daher stelle ich ihn bei der Gelegenheit einfach mal hier rein. Habe das nur sehr flüchtig gemacht, dementsprechend holprig liest sich das z.T., aber reicht denke ich für einen Eindruck des Inhalts. ;-)
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Für mich ist es die Hölle, nicht Fußball spielen zu können. So einfach ist das.

Die meiste Zeit meines Lebens war ich nicht mit großen Widrigkeiten konfrontiert. Alles lief reibungslos und ich konnte schon in jungen Jahren meinen Traum leben. Ich lief vor der gelben Wand mit 17 Jahren auf. Ich spielte unter zwei der größten Trainer im Fußball. Ich traf mit 22 Jahren im WM-Finale.

Ehrlich gesagt war ich so jung, dass ich das alles nicht wirklich realisieren konnte. Ich wusste es nicht so zu schätzen, wie man vielleicht annehmen würde.

Dann wurde ich krank und beinahe verlor ich alles.

Aber lasst mich nicht dort beginnen. Starten wir mit einer guten Erinnerung. Starten wir mit Klopp.

Er war mein erster Trainer, er war derjenige der an mich glaubte und mir mit 17 Jahren die Chance gab, zu debütieren. Es ist witzig, ihn nun in Liverpool zu sehen, weil er so ein natürlicher Typ vor den Medien ist. Er ist so authentisch, sagt was er möchte. Aber die meisten Leute sehen in ihm nur die Version an der Seitenlinie. Es gibt jedoch auch eine ernste Version von ihm. Als ich 17 oder 18 war und nicht 100 % im Training gab, konnte er sehr einschüchternd werden. Er kam dann angerannt und schrie mir direkt ins Gesicht.

Ich kann das nicht wirklich aus dem Deutschen übersetzen, aber ihr wisst, wie er spricht, mit seinem Zähnefletschen: „Du musst mehr Leidenschaft haben! Du musst alles geben! F***! Auf geht’s!“

Im Anschluss an das Training war er dann wieder komplett ruhig, nahm dich zur Seite und sagte „Mario, wie geht’s dir? Lass uns über das Leben sprechen? Wie läuft es?“

Er wusste, wie er mit mir umzugehen hat. Er war ein außergewöhnlicher Trainer, aber seine Persönlichkeit war für mich das wichtigste als junger Spieler. Ich traf im Fußball nie einen Trainer, der auf so natürliche Art lustig sein konnte. Ich werde nie vergessen, wie ich ihm im Sommer in Düsseldorf über den Weg lief, als er bei einem Spezialisten war, um sich Haare transplantieren zu lassen.

Das war eine große Nummer in Deutschland, aber er ging so lustig damit um. Er grinste, erzählte mir davon, wie cool es aussehen würde und so weiter.

Und als er dann fortging, zwinkerte er mir zu und sagte „Mario, mach dir keine Sorgen, ich werde die Telefonnummer einspeichern“

Ich sagte: „was meinst du?“

Er sagte: „die Nummer des Arztes. Ich speichere sie für dich. In ein paar Jahren wirst du sie brauchen.“

Dann lachte er und ging davon. Die meisten Leute wären peinlich berührt, oder würden gar nichts darüber sagen, aber ihm war es einfach egal. Er hatte so ein positiven und lustigen Einfluss auf alle um ihn herum. Ich muss ihm danken, denn er gab mir die Gelegenheit meine Karriere zu starten und wir erreichten einige große Dinge zusammen in Dortmund. Von meinem 10. bis zum 20. Lebensjahr lebte ich im selben Reihenhaus bei meinen Eltern in Dortmund, spielte für meinen Heimatverein und musste mir um nichts wirklich Gedanken machen.

Als ich dann 20 war, entschied ich mich zu gehen.

Das ist etwas, was die meisten Leute immer noch nicht verstehen können. Das war nichts, was über Nacht entschieden wurde. Es war die härteste Entscheidung meines Lebens und ich brauchte lange dafür. Bayern hatte mich im Jahr zuvor kontaktiert und ich entschied mich, nicht zu wechseln. Als aber Pep Guardiola als Trainer bekannt gegeben wurde und sie mich erneut kontaktierten, wusste ich nicht, was ich machen sollte.

Ihr müsst verstehen, wie ein Zwanzigjähriger denkt. Erinnert ihr euch, als ihr 20 Jahre alt wart? Man versteht nicht, wie die Welt funktioniert. Ich selbst hatte nie die Gelegenheit, von zu Hause wegzugehen, um zu studieren. Ich hatte nie alleine gelebt. Ich dachte also, dass ich eine Veränderung in meinem Leben gebrauchen könnte und aus fußballerischer Sicht dachte ich, dass unter Guardiola zu spielen mich als Spieler weiterbringen könnte.

Ich entschied mich zu gehen und war mir nicht über die Konsequenzen im Klaren.

Ein paar Wochen später stand zum Schutz die Polizei vor dem Haus meiner Eltern.

Ich weiß nicht, wer die Sache an die Öffentlichkeit gab. Ich war es jedenfalls nicht. Das wäre das letzte, was ich gewollt hätte. Aber das Timing war offensichtlich furchtbar. Zwei Tage vor dem Champions League-Halbfinale gegen Madrid kam die Nachricht raus, dass ich im Sommer wechseln würde.

Mittlerweile verstehe ich die Reaktionen. Für viele Menschen ist Fußball mehr als ein Spiel.

Aber damals war es schockierend. Die Pfiffe und die Spruchbänder von unseren Fans… Ich konnte persönlich damit umgehen. Aber mein kleiner Bruder, der damals 14 war, wurde damit in der Schule konfrontiert. Leute sagten Dinge zu meiner Mutter. Es gab Drohungen gegen meine Familie im Internet. Das war ziemlich schwer zu ertragen, vor allem, weil es unser zuhause war. Ich würde ja im Sommer umziehen, aber meine Familie würde weiter in Dortmund leben, also war es eigentlich schlimmer für sie. Es war die schwierigste Zeit unseres Lebens, aber es wäre schwer zu sagen, dass ich es bereuen würde.

Eine Sache, die ich gelernt habe ist, dass man nie vorhersagen kann, was passieren wird. Einige der besten Momente in meiner Fußballkarriere kamen unmittelbar nach den schlimmsten Momenten – und andersrum. Wenn man nach den Medien ginge, war ich der Judas, dann der Held, dann eine Enttäuschung und dann nahezu raus aus dem Fußballgeschäft – all das in nur 4 Jahren.

Es wäre hart zu sagen, dass der Wechsel zu Bayern ein Fehler war, denn ich lernte von Pep unglaublich viel über Fußball. Er konnte wirklich Stunden mit dir über Taktik sprechen, und ich lernte neue Perspektiven auf das Spiel. Das Training hatte ein Level an Intensität und Akribie, welches ich nirgends sonst erlebte. Es war besonders, ihn als Trainer und Mensch zu erleben, genauso wie bei Klopp. Dementsprechend bin ich hin und her gerissen, wenn ich an diese Zeit denke. Es war extrem schwierig, Dortmund zu verlassen, aber wenn ich diesen Wechsel nicht vollziehe, nicht zu Bayern gehe, verläuft dann die WM genauso?

Das Leben ist merkwürdig. Die Leute reden über die WM, mein Tor im Finale und vergessen dabei, wie scheiße das Turnier bis dahin für mich verlief. Jeder vergisst, dass ich zur Halbzeit gegen Argentinien im Achtelfinale ausgewechselt wurde. Aber ich habe es nicht vergessen. Ich startete nicht im Viertelfinale gegen Frankreich. Ich spielte gegen Brasilien im Halbfinale überhaupt nicht. Ich wünschte, dass ich sagen könnte, dass ich erwachsen damit umging, aber ich war vermutlich traurig wie noch nie zuvor in meinem Leben. Ich konnte nichts Positives an der Situation finden. Vor dem Finale war ich ziemlich deprimiert.


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