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Die erste wirklich herausragende Partie (Sonstiges)

Nolte, Dienstag, 15.11.2016, 14:35 (vor 3308 Tagen) @ Joerg005

...fing so denkbar unspektakulär an, wie es nur möglich ist. Carlsen eröffnet mit 1.e4 und wählt gegen Karjakins Berliner Verteidigung die Variante mit 5.Te1, was zu einer völlig symmetrischen Stellung führt. Unzählige Partien gingen auf diese Weise schon Remis aus, indem die Figuren abgetauscht und danach die Hände gereicht wurden.

Nicht so jedoch gestern: Nachdem es sehr lange so aussah, als hätte Karjakin die Partie bereits völlig ausgeglichen, fand Carlsen Möglichkeiten, zumindest eine gewisse Imbalance zu erreichen: Er hatte Turm und Springer gegen Turm und Läufer des Gegners in einer Stellung, in der es für den Springer etwas mehr zu tun gab. Mit einigen genauen Zügen brachte er Karjakin aus dieser ausgeglichenen, aber nicht völlig "toten" Stellung heraus gehörig unter Druck und erreichte sogar objektiv eine Gewinnstellung. Doch genau in diesem Moment fand Karjakin einige geniale Ressourcen und konnte die Partie doch noch unentschieden halten. Sechs Stunden und vierzig Minuten, nachdem der erste Zug dieser Partie gezogen worden war.

Ich möchte mich nicht selbst loben (vor allem, weil meine Aussagen vor dem Match auch eher nicht allzu mutig waren), aber: Es geschah in dieser Partie genau das, was prophezeit wurde: Carlsen spielt eine Nebenvariante in der Eröffnung, in der er objektiv nicht besser steht, aber die Stellungen hervorbringt, in denen zumindest winzige Ansätze für aktives Spiel bestehen: Springer gegen Läufer, Carlsen besitzt die offenen e-Linie. Aus dieser Position heraus bringt er seinen Gegner auf einmal extrem unter Druck und kommt mit genauen Zügen dem Sieg sehr nahe. Doch just in dem Moment, wo sich die Waage endgültig zu Gunsten des Weltmeisters zu neigen scheint, zeigt sein Herausforderer, dass er womöglich der beste Verteidiger im aktuellen Weltschach ist. Nachdem der Trend die ganze Partie über gegen ihn gesprochen hat, kann Karjakin letzte Ressourcen - sowohl in seiner Energie als auch in der Stellung - entdecken und gerade noch so ein Remis erreichen.

Spätestens jetzt nimmt das Match gehörig Fahrt auf. Auch psychologisch wird es sehr interessant werden: Wer wird diese Partie wie verarbeiten? Unmittelbar nach der Partie war Carlsen unzufrieden, während Karjakin extrem erleichtert war: Carlsen konnte seine Chancen nicht nutzen, Karjakin hat eine schlechte Stellung gerettet.
Andererseits zeigt die Partie eben auch: Egal, wie ausgeglichen die Stellung aussehen mag, Carlsen hat die Fähigkeit, Karjakin in arge Bedrängnis zu bringen.

Es wird spannend sein zu sehen, wie Karjakin seine Weiß-Partie heute anlegen wird: Will er Carlsens Fehler, die gestrige Partie nicht zu gewinnen, direkt ausnutzen und ihn seinerseits direkt unter Druck setzen? Oder geht er eher auf Sicherheit, weil er die sieben Stunden andauernden Strapazen der letzten Partie erst einmal verdauen muss?

Wie gesagt: Das sportliche Ereignis des Jahres.


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