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Wer an einem Samstagsabend Deutschland-Peru guckt, hat die Kontrolle über sein Leben verloren (Spieltage)

Will Kane, Saarbrücken, Sonntag, 26.03.2023, 00:16 (vor 397 Tagen) @ thatEmJay

und die Distanzierung von der Fanbasis.


Was heißt das eigentlich? Habe ich in den vergangenen Jahren immer wieder mal gelesen, aber es wurde nirgendwo erklärt, was das überhaupt bedeutet.

Gute Frage. Sehr gute Frage.

In meinen Augen ist es ein großes Missverständnis, bei der Nationalmannschaft von einer ‚fanbase‘ zu sprechen.
Es gibt zwar den von Bierhoff ins Leben gerufenen Fanclub der Nationalmannschaft, aber dessen Implementierung war in meinen Augen eine der vielen Dinge, die sich in eine falsche Richtung entwickelt haben und am Ende zu einer Entfremdung vieler Menschen von der Nationalmannschaft geführt haben.

Die Fußballnationalmannschaft hat es wie sonst vielleicht nur die Olympiaéquipen über Jahrzehnte geschafft, die Mehrheit der Menschen zusammenzubringen. Sie war schon so etwas eine Identifikationsgruppe. Bei Turnieren konnte sie die unterschiedlichsten gesellschaftlichen Gruppen zusammenbringen, wenn auch nur für eine sehr kurze Zeit. Männer und Frauen, Junge und Alte, Reiche und Arme, Wessis und Ossis, Menschen ohne oder mit Migrationshintergrund. Völlig unabhängig davon, ob es sich um Fußballfreaks handelte oder nicht. Selbst BVB- und Sch…e-Anhänger. ;-). Und 2006 war da sicherlich ein Höhepunkt.

Bezeichnend für mich übrigens, dass es in einer der tiefsten Krisen des deutschen Fußballs die ‚letzte Patrone‘ Klinsmann geschafft hat, mit einem radikalen, aber immer erklärten Neuanfang Begeisterung zu wecken. Gegner dieses Prozesses gab es genug; beim DFB, in den Clubs, in den Medien. Richtig mies wurde es, als der DFB-Präsident schnell noch Sammer zum Sportdirektor machte, um (wie Zwanziger später offen zugab) im Falle einer tatsächlich im Raum stehenden Demission Klinsmanns schnell noch einen Ersatz als Bundestrainer parat zu haben. Nach einem der letzten Testspiele vor der WM gegen Italien, in dem Klinsmann eine riskante Spielvariante testete und es eine hohe Niederlage gab, waren sämtliche Bedenkenträger sofort bereit, Klinsmann zu feuern. Und die Zeitung mit den großen Buchstaben vorneweg, allerdings auch die ‚Qualitätspresse‘. Aber man hat es dann doch nicht gewagt, zu kurz war die Zeitspanne bis zum WM-Eröffnungsspiel.

Und dann kam von einem Tag auf den anderen der Sommer, der wochenlang herrliches Wetter brachte. Bei herrlichem Sonnenschein schoss Lahm das erste Tor, die Menschen waren begeistert. Der endgültige Knotenlöser war dann im Westfalenstadion das legendäre Tor von Neuville in quasi letzter Sekunde auf Vorlage von Speedy Odonkor. Das war wie eine Erlösung, in diesem Moment ist definitiv etwas Außergewöhnliches passiert. Die Mannschaft und das Trainerteam, die Zuschauer im Stadion, an den TV-Bildschirmen zuhause und beim Public Viewing - plötzlich war das alles eine gefühlte Gemeinschaft.

Ekelhaft wie die vormaligen Gegner Klinsmanns, Theo Z. und die großbuchstabige Zeitung voran, sich dann an die Euphorie anhängten. Aber das ist ein anderes Thema.

Was damals ausgelöst wurde, hielt bis zur WM 2014, auch wenn es vielleicht nie wieder wie 2006 war. Was natürlich am gespielten Fußball, aber auch an dieser Aufbruchstimmung lag. Mit dem WM-Titel 2014 war dann das große Ziwl erreicht. Und mit dem Erreichen dieses Ziels zogen Saturiertheit, Sattheit, Routine und auch ein wenig Überheblichkeit in die Nationalmannschaft und ihr Umfeld ein. Zu lange wurde zu sehr an vielen Dingen festgehalten und ein notwendiger Schnitt und erneuter Neuanfang versäumt.

Vielleicht ist es aber auch so, dass man erst wieder ganz unten sein muss, um wirklich neuanfangen zu können. Vielleicht ist die EM 2024 tatsächlich die große Chance, die Menschen in Deutschland wieder für die Nationalmannschaft zurückzugewinnen. Mit neuen, jungen Spielern. Oder auch mit solchen Geschichten wie die mit Füllkrug. Mit Spielern, denen eine Identifikation mit der Nationalmannschaft anzumerken ist. Mit offensivem Fußball.

Ich persönlich würde mich freuen.


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