Schalke 04: Ärmer als ein Zweitligist (Süddeutsche Zeitung) (Fußball und Sport allgemein)

Will Kane, Biosphärenreservat Bliesgau, Dienstag, 10.09.2019, 10:42 (vor 2301 Tagen) @ magic82

eigentlich interessant. In Mainz sah das ja augenscheinlich nicht alles so verkehrt aus.

Heidel hat in Mainz phantastische Arbeit geleistet. Der Club wäre ohne Heidel nicht dort, wo er heute steht. Ein Blick auf den Werdegang Heidels vor der Übernahme der Managerposition beim FSV, die Anfangszeit als Manager dort und die weitere Entwicklung macht dabei die Besonderheit der gesamten Umstände dort deutlich. In keiner Weise ein Vergleich zu Gelsenkirchen. Die Strukturen in Mainz und in Gelsenkirchen waren/sind genauso unterschiedlich wie die Ansprüche.

Heidel war in Mainz der allein zuständige und allein verantwortliche für den gesamten sportlich-kaufmännischen Bereich. So groß gewachsen ist sein Stab von den Anfängen in der Baubude bis hin zum etablierten Bundesligaclub nicht; er war der alleinige ‚Macher‘ in seinem Zuständigkeitsbereich. Der Vorstand um Präsident Strutz (der bis 2017 auch fast unverändert blieb) sorgte für Ruhe und Solidität im Verein und gab ihm den für ihn notwendigen Freiraum und die erforderliche Rückendeckung. Bei der Trainerwahl lag er zudem mehrfach goldrichtig, was dann entscheidend für den sportlichen Aufstieg war. Zunächst mit Frank, dann vor allem aber mit Klopp, später mit Tuchel. Klopp war nicht nur Trainer bei Mainz, sondern mit seinem kleinen Stab (der seine engsten Vertrauten umfasste und später mit ihm zum BVB wechselte) im Prinzip auch für das Scouting zuständig. So wie der Vorstand um Strutz Heidel unbedingt vertraute, so vertraute Heidel dem Trainer Klopp. Jeder hatte in seinem Bereich quasi eine carte Blanche, man arbeitete perfekt zusammen. Heidel hat (wie die von ihm verpflichteten Trainer ebenfalls) sicherlich auch Fehler gemacht während seiner Zeit beim FSV, aber die waren letztlich nicht gravierend und er konnte sie sämtlich korrigieren. Weil er es eben auch ‚durfte‘.

Jeder, der in verantwortlicher Position sowohl bei einem mittelständischen Unternehmen, als auch in einem Konzern gearbeitet hat, wird um die unterschiedlichen Rahmenbedingungen und die unterschiedlichen Anforderungen in der täglichen Arbeit wissen. Gut möglich, dass Heidel sich theoretisch über die Unterschiede zwischen einer Tätigkeit als Manager bei Mainz, wo er der ‚Herrscher aller Reussen‘ in einem von ihm selbst geschaffenen Umfeld in einem wirtschaftlich gesundem Club war (der nie über seine finanziellen Kapazitäten hinausging) und der Tätigkeit als Sportvorstand in einem (zumal sehr ‚speziellen‘) Großclub mit großen Ansprüchen und finanziellen Problemen in einem fremden und insgeheim bestimmt nicht immer wohlgesonnenen Umfeld (das nicht allzuviele Fehler toleriert) im Klaren war. In praxi sieht so etwas allerdings meist anders aus. Seine Kompetenzen mögen großzügig bemessen gewesen sein, und Druck hätte er auch in Mainz. Nur war es dort ein anders gelagerter Druck als in Gelsenkirchen. Das was Heidel in Mainz mit einem Telefonanruf oder einem persönlichen Gespräch beim Kaffee erledigen konnte, bedurfte in Gelsenkirchen ganz anderer Abstimmungswege. Viel Freunde im sehr viel größeren Mitarbeiterstab hat er sich zudem nicht gemacht, als er öffentlich die seiner Auffassung nach zu großen und zu umständlichen Strukturen bemängelte, die er zu ändern beabsichtigte. ‚Change Management‘ ist eine subtile Sache, insbesondere wenn angestrebte kleinere, effektivere und effizientere Strukturen und Abläufe angestrebt werden. Wer lässt sich schon gerne den Stuhl unter seinem Hintern wegziehen, auf dem es jahrelang immer so gemütlich war? Unterstützung muss man da nicht erwarten, im Gegenteil.

In diesem für Heidel gänzlich anderen und nicht gewohnten Umfeld fing er an Fehler zu machen, die ihm bei Mainz nicht unterlaufen sind. Seine Aufgabe war es, die Kosten rund um die Mannschaft zu senken, die Ausgaben an die tatsächlichen finanziellen Möglichkeiten anzupassen und gleichzeitig dennoch den sportlichen Erfolg sicherzustellen. An dieser Aufgabe ist er letztlich gescheitert. Weil er selbst Fehler gemacht hat, weil er nicht unbedingt die nötige Unterstützung hatte, weil er mit seiner Prägung und das sehr spezifische Umfeld nicht zusammenpassten.