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24.06.1989 DFB Pokalsieger Borussia Dortmund (BVB)

Nietzsche, Montag, 24.06.2019, 11:54 (vor 1740 Tagen) @ Lawless3012
bearbeitet von Nietzsche, Montag, 24.06.2019, 12:08

Bevor Oppa gez von früher erzählt, zunächst eine kleine Einordnung. Ich weiß noch, wie ich mit einem Freund in den späten 80ern über den BVB gesprochen habe und wir uns vorzustellen versucht haben, wie es wäre, wenn wir mal was gewinnen. Wir haben es nicht hingekriegt. Wie sich sowas wohl anfühlen muss? Wie wäre es, wenn man mal wirklich ein Finale gewönne? Das war für uns Jugendliche damals echt nicht vorstellbar.

So, nun zum Finale:

Wir sind durch Zufall noch kurzfristig an Karten gekommen. Höhe Mittellinie, Oberrang relativ weit vorn, gegenüber von der Ehrentribüne.

Am Donnerstag abend vorher bekam ich Zahnschmerzen. Eine Entzündung beim Weisheitszahn unten.

Egal, Pokalfinale! Da gibt es keine Ausreden!

Freitag morgen vor der Abfahrt also noch zum Metzger-Zahnarzt, der das Zahnfleisch wegbrannte und mit ne Salbe zur örtlichen Betäubung mitgab. Stank und schmeckte fürchterlich und tat sauweh.

Raus beim Zahnarzt und mit Mama, Schwester und Freundin in den Kleinwagen und gequetscht und ab nach Berlin. Die Fahrt war sehr lang und richtig anstrengend. Und es tat die ganze Zeit echt weh.

Am Samstag vormittag erstmal in der Stadt gucken, was so los ist. Als wir am Wittenbergplatz aus der U-Bahn kamen, waren überall Schwarzgelbe. Einige lagen auf den Rasenstücken und es sah so aus, als hätten die dort übernachtet.
Den Kudamm rauf und runter und alles in gelb.
So eine Völkerwanderung hatte ich noch nie gesehen. Man darf nicht vergessen, dass es damals überhaupt nicht normal war, bei Auswärtsspielen mit zehn- oder zwanzigtausend Mann anzurücken.
Klar haben wir beim Halbfinale gerufen "Vierzigtausend fahren nach Berlin", aber wer hätte gedacht, dass das einfach total ernst gemeint war?

Zwischendurch einige grüne Pünktchen. Aber alles friedlich, freundschaftlich und mit bester Feierlaune. Man spürte irgendwie, dass wir das Spiel nur gewinnen konnten. Es war wie bereits abgemacht.

Im Gespräch mit nem Bremer. Er fragt, was wir meinen, wie es ausgeht. Wir gucken uns nur verständlislos an und anworten, dass wir natürlich gewinnen. Fast hätten wir die Frage nicht verstanden.

Er meinte dann leicht eingeschüchter, es käme aber doch auf die Mannschaften an, nicht auf die Fans. Da habe ich zum ersten Mal überhaupt in Erwägung gezogen, dass wir tatsächlich verlieren könnten.
Aber hey, ich rannte hier mit nem echt ekligen Geschmack im Mund und fiesen Schmerzen rum, da wird nicht verloren, BASTA!

Später dann in der proppevollen U2 zum Stadion. Vor dem Stadion hörte man schon die BVB-Gesänge von drinnen hallen. Eine ganz andere Akustik als im Westfalenstadion. Nicht so konzentriert, mit viel Hall, aber irgendwie auch gigantisch.
Ich konnte es kaum erwarten, die Kurve zu sehen.

Als wir reinkamen ging mein erste Blick nach rechts in die Marathonkurve. ALTER! Alles gelb! Ein für damalige Verhältnisse unfassbarer Anblick. Und Bananen, haufenweise Bananen!
Ich war so stolz auf uns. WAR DAS COOL!

Ok, dachte ich, jetzt die Bremer und wandte mich nach links. Und was sehe ich? Der Block unter der Anzeigetafel ist KOMPLETT GELB! Häh?
Wir haben denen die Tickets weggekauft! Wir haben BEIDE KURVEN?
Das war so unglaublich geil!

Die Bremer hatten zwei richtig grüne Fan-Blöcke, einer links, einer rechts, aber kein Vergleich mit uns.

Zum Spiel:
Als die Spieler reinkamen und RINGELSOCKEN anhatten, war das etwas sehr Besonderes. Die Trikots wurden extra für das Finale neu gemacht. Ab da waren Ringelsocken der Hit im Fußballverein. Das verströmte ordenlich Tradition und gab dem Spiel zusätzlich etwas Historisches.

Als Riedle das 0:1 machte gab es kurz einen Riss in der Realität. Das stimmte so einfach nicht. Das passte einfach nicht zum Tag, zur Atmosphäre. Aber so langsam kroch dann doch die Furcht ins Bewusstsein, dass es ja auch möglich wäre, dass Bremen gewinnt.

Als Nobby den Ausgleich machte, stimmte die Welt wieder. Aber inzwischen konnte ich an der Einsicht nicht mehr vorbei, dass doch ein gewissen Risiko bestand, zu verlieren.

Als Mill das 2:1 machte, merkte ich erst, wie erleichtert ich war, dass wir endlich führen. Dann das bange Zittern, ob wir das auch über die Zeit bringen. Bremen war echt stark und machte mächtig Druck.
Unsere Konter wurden zum Teil fahrlässig hergegeben.

Dann endlich ein Konter, der erfolgversprechend aussah. Mill will Möller den Ball nicht geben und versucht es allein. Reck wehrt mit dem Fuß ab. Mensch Frankie, doch nicht in so einem Spiel solche Animositäten!
Der Ball springt zurück zu Mill und ich denke noch, spiel zu Möller!
Doch Frankie mag den nicht und spiel weit und hoch rüber zu Nobby.

Mein Gedanke in dem Moment:
Och nee, warum?
Dann sehe ich, dass Nobby ernsthaft einfach draufhält.
Au weia, der geht aus dem Stadion.
Und dann schlägt der Strahl unten rechts ein. Das war, als hätte man einem Wunder beigewohnt. Der war echt drin! DER HAUT DEN EINFACH VON DA REIN!
Ich konnte das kaum fassen. Beim Jubeln stolperten wir und lagen auf dem Boden vor dem Blockeingang. Der Ordner dort schaute völlig verständnislos auf diese durchgeknallten Ruhries. Der kannte sowas nicht und wusste gez mit der Situation nicht so recht umzugehen.

Dann weiter Abwehrschlacht, jetzt nur nicht den Anschlusstreffer kriegen. Luschi kommt rein. Dann der lange Ball auf Lusch, erster Kontakt ist Ball vorlegen, zweiter Kontakt der Schuss, der genau unten links einschlägt. Da passte einfach alles!
Ich glaube, ich habe in dem Moment ein bischen geheult. Mir kommen heute noch in schwachen Momenten die Tränen, wenn ich die Bude sehe. Das war einfach perfekt alles.

Danach war klar, wir haben gewonnen. Ab jetzt nur noch feiern und so unendlich glücklich sein. Die Pokalübergabe ist einfach nur Glückseligkeit.

Und ach ja, der Zahn tut inzwischen wirklich sehr sehr weh. Ich bin nach dem Spiel nur noch fertig.

Auf dem Weg zur U-Bahn stehen einige ältere Herren und singen:
"Da sprach der alte Häuptling Uwe Seeler,
Schalke spielt in Meppen,
Dortmund in Madrid"

Ein echter Ohrwurm, den ich tagelang nicht loswerde.
Am Sonntag dann früh raus und ab nach Hause. Zuhause angekommen gleich weiter zum Friedensplatz und die Helden feiern.
Danach dann alles im TV angesehen, was es zum Thema gab. Ein cooler Bericht von Radio Dortmund, die in der Kurve standen und dort gefilmt haben.

Naja, und irgendwann war das Wochenende vorbei und ich konnte endlich zum Zahnarzt und danach auch wieder normal essen.

Und der Kumpel und ich wussten nun endlich, wie es ist, wenn man mal was gewinnt. Eine neue Zeit begann für den BVB.

Danke für die Aufmerksamkeit, Oppa is gez feddich, woll. ;-)


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