Stillosigkeit - friendly speaking (Fußball allgemein)

Will Kane, Saarbrücken, Mittwoch, 06.03.2019, 21:49 (vor 1878 Tagen) @ herrNick

Allerdings könnte Löw das ganze bald vor die Füße fallen. In der Rückrunde hat sich Hummels wieder gefangen, spielt z.T. herausragend (bis auf einen Bock in einem Spiel) und ist mittlerweile die Nr. 1 in der IV der Bayern. Und während Boateng wieder Tritt zu fassen scheint, sind bei Süle einige Schwächen zu erkennen (was in jungen Jahren nicht verwunderlich ist). Auch Müllers Formkurve scheint wieder nach oben zu zeigen. Sollten die Bayern in der CL Weiterkommen und gar das Halbfinale erreichen und Hummels, Boateng sowie Müller dabei mit ihren Leistungen überzeugen, dann wird es (nicht zu unrecht) Diskussionen geben.

Richtiges Timing scheint Löw in Personalfragen nicht gegeben zu sein.

Hier sind wohl nicht nur die individuellen Leistungen ausschlaggebend, sondern die Mannschaftshierarchie. Hier setzt Löw wohl bewusst den Cut an und nimmt billigend eine Delle in Kauf, aber das muss er nunmal irgendwann. Leistungsmäßig haben die drei nicht viele Argumente, aber es ist gut vorstellbar, dass diese sich nicht gerne in einer neuen Hierarchie einfügen. Da ist ein Neuer vermutlich pflegeleichter und weniger Divenhaft. Für mich ein logischer und nachvolziehbarer Schritt, nur eben 8 Monate zu spät.

Vor allem hat der DFB versäumt, den Cut rechtzeitig bei Löw anzusetzen. Die EM 2016 hat sehr viele Defizite Team und Trainer betreffend bereits aufgezeigt. Die Spiele in einer Qualifikationsgruppe sind für eine deutsches Nationalmannschaft nicht als Maßstab heranzuziehen, da man immer Favorit ist und das Gros der Gegner bei allem Respekt keinen ernsthaften Maßstab darstellen. Die vorzeitige Vertragsverlängerung war völlig unnötig und in keiner Weise nachvollziehbar. Damit hat sich der DFB selbst in die Situation manövriert, Löw nach dem historisch schlechten Abschneiden bei der WM mit extrem schlechten Leistungen des Teams nicht entlassen zu können. Das wäre nicht nur sehr teuer geworden, sondern auch das Eingeständnis eines großen Fehlers gewesen. Es ging offensichtlich nur darum, sich selbst einigermaßen aus der Affaire zu ziehen. So kam es dann zu der nahezu irren Konstellation, dass die Verantwortlichen selbst die ‚Analyse‘ für das eigene blamable Scheitern durchführen sollten. Eine Farce.

Löw war es im übrigen, der Spieler nominiert hat, deren Leistungskurve sichtbar nach unten zeigte. Wenn jetzt etwas von Leistungsprinzip gesprochen wird, dann sollte man z.B. die Nominierung Neuers für die WM als Nr. 1 im Tor besser verschweigen.

Der Bundestrainer hätte klug gehandelt, wenn er 2014 mit dem Gewinn des WM-Titels zurückgetreten wäre. Sein damaligen Spielführer hat da mehr Intelligenz gezeigt. Löw wäre auf dem Höhepunkt seines Schaffens zurückgetreten und wäre ein lebendes Denkmal geworden. Auch nach der EM 2016 wäre ein Rücktritt in Ehren noch möglich gewesen. Und auch nach dem desaströsen Aus bei der WM 2018 hätte er mit der Übernahme der Verantwortung und einem Rücktritt aus freien Stücken Respekt verdient gehabt. Aber er ist an seinem Stuhl kleben geblieben.

Sorry, ich muss es so sagen, Löw legt für mich an andere Maßstäbe an, die er selbst nicht einzuhalten gewillt ist. Einen klaren Schnitt im Kader hätte es direkt nach der WM geben müssen. Ich schließe es nicht aus, dass Löw auf mehr freiwillige Rücktritte seiner Spieler spekuliert hat. Aber warum sollten die etwas tun, was er selbst nicht getan hat?

Spieler, die so lange mit ihm durch Höhen und Tiefen gegangen sind und deren Qualität (und die war einmal auf Weltklasseniveau) ihm zu seinem eigenen größten Erfolg verholfen hat, fertigt man nicht auf diese Art und Weise ab. Es geht nicht um die Richtigkeit dieser Entscheidung, sondern um die Art und Weise der Kommunikation. Da ist Stillosigkeit noch der harmlosestes Begriff, der mir dazu einfällt.