Welche Rolle der Mentalbereich aktuell bei den Ergebnissen und Leistungen unseres Teams tatsächlich spielt, kann niemand von uns wissen. Wir können hier nur Vermutungen äußern, so wie ich es auch getan habe und tue.
Was das Spiel in Frankfurt anbelangt, so gehen mir seit einigen Tagen ähnliche Gedanken durch den Kopf wie Dir. Noch während des laufenden Spiels hatte ich im Stadion sehr stark den Eindruck, dass nach Bekanntwerden der letzten Zwischenstände des Bayernspiels in Leverkusen die Mannschaft auf Halten des Remis gespielt hat und nicht unter allen Umständen das Siegtor erzielen wollte. Möglicherweise auch vom Trainer ‚abgenickt‘. Unter den gegebenen Umständen fand ich dieses Verhalten zumindest clever, vielleicht auch professionell oder gar von einer gewissen Reife zeugend. Oder wie Du es ausdrückst „sinnvoll“. Und das weniger wegen des Zwischenergebnisses in Leverkusen, sondern eher wegen der permanenten Gefahr, gegen einen sehr gut organisierten und gefährlich konternden Gegner am Ende ins offene Messer laufen zu können. Das hatte ich hier auch so geschrieben.
Ich hatte hier ebenfalls schon einmal davon geschrieben, dass die Spieler in der Hinrunde im Prinzip nur gewinnen konnten, weil sie nichts zu verlieren hatten (außer der Erreichung des vierten Platzes), schon gar nicht den Anspruch Meister zu werden. Denn den gab es nicht. Nach der Rückrunde hätten sie möglicherweise realisiert, dass sie nun etwas zu verlieren hatten, nämlich die Chance, Meister werden zu können. Was sich eher lähmend auswirken könne.
Hat ein solcher Gedankengang in Frankfurt im Spiel gegen die Eintracht nun seinen Anfang genommen? Wie gesagt, ich überlege da auch hin und her, komme allerdings immer mehr zu dem Schluss, dass dies eher nicht der Fall sei. Weil sich die Spielverläufe und die Umstände in den einzelnen anderen Spielen doch erheblich unterscheiden.
Wenn man Hin- und Rückrundenspiele vergleicht, dann muss man mMn auch die unterschiedlichen Umstände berücksichtigen. Als wir in der Hinrunde z.B. gegen Augsburg spielten, stand der FCA in der noch jungen Saison recht gut da. Man trat zwar nicht mit ‚offenem Visier‘ an und war eher auf Konter ausgerichtet, aber man praktizierte auch kein ‚Busparken‘ und suchte schon seine Chancen auch in der Offensive. Dies gab unserem Team ganz andere Räume und somit die Möglichkeiten, das Tempo unserer Offensivspieler zu nutzen. Nun ist der FCA ein Abstiegskandidat, der Trainer steht in der Diskussion, wir kommen als Meisterschaftsaspirant. Der FCA wollte nur eines gegen uns: ‚Auf Teufel komm raus’ einen Punkt holen, so wie es Nürnberg auch wollte. Und deshalb spielte man fast ausschließlich defensiv, was uns wieder nicht die Räume für unser Spiel gab. Und dennoch hatten wir klare Torchancen, die wir aber nicht genutzt haben. Zwei krasse individuelle Fehler haben dann zu den Gegentoren geführt. Im übrigen war es im Hinspiel so, dass wir beim Stand von 3:3 in der letzten Minute der Nachspielzeit davon profitiert haben, dass sich ein Augsburger Spieler sich einen völlig unverständlichen Aussetzer leistete und ein absolut unnötiges Foul leistete, das den Freistoß zur Folge hatte, den Paco dann verwandelte. Ein anderer Keeper hätte den vielleicht gehalten und im Rückspiel war dann kein Augsburger Spieler so gastfreundlich, uns in der letzten Spielminute noch einen Freistoß aus gefährlicher Distanz zu schenken.
Auch die Spiele gegen z.B. Nürnberg waren völlig unterschiedlich von den Voraussetzungen und den Verläufen her. Im Hinspiel war Köllner noch Trainer beim Glubb. Die Situation war tabellarisch noch nicht so dramatisch, der Trainer ließ (vielleicht etwas naiv denkend) seine Manschaft so agieren, wie sie es auch in der 2. Bundesliga tat. Was eben die für unser Spiel so wichtigen Räume bot und unserem Umschalspiel mehr als entgegenkam. Im Rückspiel war Köllner gerade entlassen worden und der just installierte Interimstrainer parkte gleich einen Doppeldeckerbus im eigenen Strafraum. Womit wir uns (nicht zum ersten Mal) sehr schwer taten und kein adäquates Mittel fanden. Den Eindruck, dass sich die Mannschaft mit einem 0:0 zufrieden gegeben hätte, hatte ich jedenfalls nicht.
Bei den Spielen gegen 96 ist es übrigens etwas anders gewesen. Zu Saisonbeginn war Hannover keineswegs der in einem desolaten Zustand befindliche Abstiegskandidat gewesen und war nicht der ‚Hühnerhaufen‘ wie zur Saisonmitte, der von einem mittlerweile ratlosen Trainer auf das Spiel gegen uns eingestellt wurde. Entsprechend unterschiedlich waren die Spielverläufe und Ergebnisse.
Wie gesagt, mittlerweile schätze ich die Spiele in Frankfurt und die gegen Nürnberg und Augsburg nicht als in einem kausalen Zusammenhang stehend ein. Weil diese Spiele zu unterschiedlich waren (s.o.). Im Spiel gegen Hoffenheim will ich diese Angst vor dem Verlieren allerdings nicht ausschließen, wenngleich aus meiner Sicht das Spiel bereits mit den personellen und taktischen Umstellungen Nagelsmanns zu Beginn der zweiten Halbzeit zugunsten Hoffenheims zu kippen begann; also noch vor unserem dritten Tor und dem Pfostenschuss Sanchos. Wenn wir uns wirklich wie ein „Favorit“ verhalten hätten, dann hätten wir mit entsprechenden taktischen Umstellungen unsererseits reagiert (z.B. das Mittelfeld kompakter machen und unsere linke Abwehrseite stärken).
Was das Auftreten der Bayern in Gladbach anbelangt, so blieb ihnen in der jetzigen Situation mMn auch nichts anderes übrig, als von Beginn an Gladbach unter Druck zu setzen. Sie sind die ‚Jäger‘. Das waren sie allerdings auch, als sie gegen Leverkusen antraten, und nach einer ersten Halbzeit, die sie klar dominiert haben, haben sie sich dann doch noch auskontern lassen. Ich stelle die Behauptung auf (die ich natürlich nicht belegen kann), dass wir die Räume, die Gladbach den Bayern geboten hat, auch genutzt hätten. Und ich glaube (kann dies aber ebensowenig beweisen), dass die Bayern in Gladbach das Spiel verhaltener begonnen hätten, wenn Sie als Tabellenführer angereist wären.
Davon abgesehen ist es nach meiner Beobachtung schon so, dass die Bayern ein über Jahrzehnte gewachsenes Selbstverständnis haben und die Spieler gleich welcher Generation dies auch bereits beim Auflaufen ausstrahlen. Was um Unterbewusstsein auch von den jeweiligen Gegnern registriert wird. Inwieweit man sich davon beeindrucken lässt, ist wieder eine andere Frage. Diese Ausstrahlung besitzen unsere Spieler nicht; vielleicht war es in den 90er-Meisterjahren etwas anders; ich weiß es nicht. In den Klopp-Meisterjahren war dies mMn jedenfalls nicht der Fall.
Ich glaube übrigens nicht, dass Du missverstanden werden könntest. Dafür hast Du Dich zu klar und differenziert geäußert.
Wie gesagt, ich kann Deinen Eindruck gut nachvollziehen, weil ich ähnliche Gedanken hatte. Aber es ist ein Eindruck, inwieweit dieser die tatsächliche Situation widerspiegelt, wissen wir nicht. Je mehr ich darüber nachdenke, desto mehr tendiere ich dazu, mich hinsichtlich der Antworten auf die Frage nach den Gründen für die nicht gewonnenen Punkte in den letzten Spielen auf das zu fokussieren, was ich auf dem Platz tatsächlich sehen kann. Und da spielen eben mMn individuelle Fehler, wenig cleveres Verhalten und nicht genutzt gute Torchancen eine zentrale Rolle.
Vielleicht ist es auch so, dass unsere erste Saisonniederlage in Düsseldorf, bei der wir uns haben auskontern lassen, zu einer Änderung im Denken und Verhalten geführt hat. Wer weiß.