Experte Bartels (Spieltage)

Will Kane, Biosphärenreservat Bliesgau, Samstag, 11.10.2025, 23:25 (vor 55 Tagen) @ John Silver

Da kann ihm auch keiner in die Quere kommen, oder er muss sich schneller bewegen, bevor er zur Flanke ansetzt. Unter normalen Umständen, wenn Qualität da wäre, würde so einer wie Raum max. die Bank drücken.

Mir fällt jetzt auch kein überragender Spieler ein, den Deutschland für die linke Seite hätte. Allerdings fand ich Mittelstädt unterm Strich viel überzeugender als Raum - er hat das über weite Strecken sehr ordentlich gemacht, wie es auch in Stuttgart funktioniert. Dabei ist er vor allem defensiv viel verlässlicher als der schwache Raum. Dieser Unterschied kommt erst gegen gute Gegner wirklich zum Vorschein.
Grundsätzlich könnte ich mir für die N11 genau das vorstellen, was Kovač bei uns in Dortmund spielen lässt. Mit Schlotterbeck, Anton und meinetwegen Tah. Dann bestünde auf der linken Seite durchaus die Möglichkeit, Nebel mal auf die Schiene zu setzen (als Pendant zu Kimmich rechts).

Zuletzt hat es Nagelsmann mit einer Dreierkette versucht und es war alles andere als überzeugend. Wobei man allerdings dazu sagen muss, dass der momentane Bundestrainer gerne einmal das eine oder andere umstellt, was durchaus Auswirkungen auf die Gesamtstatik des Spiels hat. Da eine Auswahlmannschaft allerdings nicht jeden Tag zur Einübung solcher Änderungen zur Verfügung steht, entsprechende Spielpraxis noch viel weniger gesammelt werden kann und auch nicht jeder Spieler für entsprechende Varianten geeignet ist, ist es auch nicht verwunderlich, wenn solche Änderungen nicht sofort funktionieren.

Oftmals wird von Seiten eines Trainers nicht aus Überzeugung auf eine Dreierkettenformation umgestellt, sondern weil für eine funktionierende Viererkettenformation schlicht nicht die Außenverteidiger mit den erforderlichen Skills zur Verfügung stehen, als Wingback geeignete Spieler hingegen schon. Markus Anfang, eigentlich ein überzeugter Anhänger eines offensiven 4-3-3, hat mit dieser Maßnahme in Werders Zweitligasaison Stabilität in die Mannschaft gebracht und die Kehrtwende eingeleitet, die mit seinem sein Nachfolger Ole Werner dann schnurstracks zum Wiederaufstieg führte. Interessanterweise ist Werner auch ein überzeugter Verfechter eines offensiven 4-3-3. Er hat aber bei der Übernahme seiner Tätigkeit sehr schnell erkannt, dass die Dreierkettenformation für den vorhandenen Kader das geeignetste System hergab.

Ein weiteres sehr bekanntes Beispiel dieser Art ist die niederländische Nationalmannschaft unter Louis van Gaal bei der WM 2014. Zu Beginn der direkten Vorbereitung auf die WM entschied sich van Gaal vom sakrosankten niederländischen 4-3-3 abzuweichen und stattdessen mit einer Dreierkette im 3-5-2 / 5-3-2 zu agieren. Als rechten Wingback setzte er dabei Dirk Kuyt ein, der bis dato meist als Rechtsaußen und mitunter als Mittelstürmer / hängende Spitze gespielt hatte. In den Niederlanden wurde diese Abkehr vom offensiven 4-3-3 auf das heftigste kritisiert, das Team van Gaals erreichte jedoch mit beachtlichen Leistungen den vorher reicht erwarteten 3. Platz und blieb ungeschlagen.

Dieses Vorgehensweise van Gaals könnte so etwas wie eine Blaupause für Julian Nagelsmann und die DFB-Auswahl sein, wobei ich persönlich nicht davon ausgehe, dass es so kommen wird. Niemals sonst kommt ein Auswahlteam so lange ununterbrochen und so intensiv zusammen wie in der direkten Vorbereitung auf ein Turnier. Die ideale Gelegenheit ein spezifisches Turniersystem einzustudieren, sofern es nicht zu komplex und zu kompliziert ist. Und ein solches Turniersystem könnte mMn durchaus ein Dreierkettensystem sein.

Die Innenverteidiger Anton, Schlotterbeck und Tah haben nicht nur Erfahrung mit dieser Formation, sondern waren damit auch erfolgreich (Qualifikation für die CL, Double). Raum ist als linker Wingback effektiver denn als linker Außenverteidiger. Für einen Ridle Baku gilt dies ebenfalls. Adeyemi, Beier, Wirtz - siehe Innenverteidiger. Überhaupt haben fast alle Spieler des aktuellen Kaders ihre positiven Erfahrungen mit Dreierkettensystemen gemacht. Bis auf die von Bayern, die eine Viererkette gewohnt sind (außer Tah, s.o.)

Apropos. Eine Kröte müsste man natürlich schlucken. So gut Kimmich auch als rechter Außenverteidiger in einer Viererkette agiert, als rechter Wingback in einem Dreierkettensystem würde er aufgrund seiner nicht so ausgeprägten Geschwindigkeit wahrscheinlich weniger effektiv sein. Er würde wohl wieder ins Mittelfeld rücken…