günstige Talente vom Balkan? (Spieltage)

Blarry, Essen, Donnerstag, 27.06.2019, 22:55 (vor 1765 Tagen) @ Ulrich

Wie für das meiste zu der Zeit gibt es für Österreich-Ungarn keine einfachen Erklärungen und keine offensichtlichen Einteilungen in gut und böse.

Österreich-Ungarn hatte von Anfang an darunter zu leiden, per Definition ein Vielvölkerstaat in einer von wachsendem Nationalismus und Unabhängigkeitsbestreben dominierten Ära zu sein. Das hätte sich mit einer zentralen Innen- und Wirtschaftspolitik möglicherweise kitten und im Griff halten können. Allerdings waren Österreich und Ungarn seit dem "Ausgleich" von 1867 praktisch separate politische Entitäten mit nur wenigen gemeinsamen Ministerien und Behörden und v.a. in der Innenpolitik weitreichenden Freiheiten. Und die wurden insbesondere in der ungarischen Landeshälfte extrem zum Vorteil der ungarischen Bevölkerung gedehnt, auch und insbesondere in Gebieten ohne ungarische Bevölkerungsmehrheit. Diese Maßnahmen hatten bis zum Ende der Monarchie 1918 große Auswirkungen auf die Stabilität und Effektivität der (ungarischen) Staatsmacht.

Grundsätzlich war dieser Vielvölkerstaat für seine einzelnen Volksgruppen keine pauschal schlechte Erfindung. Gerade in die zuvor unter osmanischer Herrschaft stehenden Landesteile bekamen eine funktionierende Verwaltung übergestülpt, die insbesondere mit einer zuvor ungeahnten inneren Sicherheit einherging, einem Ausbau der Infrastruktur und des Eisenbahnnetzes. Auch behielten die einzelnen Reichsteile i.d.R. weitgehende Autonomie und konnten so die Vorteile einer geordneten Administration mit dem Beibehalten einer kulturellen Indentität vereinen. Das ganze Konstrukt war für damalige Verhältnisse schon relativ vernünftig durchdacht. Aber gegen die Welle des Nationalismus, die gerade die Balkanstaaten ja bis heute plagt, war letztlich nicht anzukämpfen.